Kameel [1]

Kameel [1]

Kameel, 1) (Camelus L.), Gattung aus der Ordnung Zweihufer od. Wiederkäuer; hat oben u. unten in den Kinnladen zwei kegelförmige Eckzähne, oben zwei spitzige, unten sechs Schneidezähne, oben sechs bis sieben, unten fünf bis sechs Backenzähne jederseits; Ohren mäßig groß, länglich, Oberlippe gespalten; Thränengruben u. Hörner fehlen; Hals lang u. gebogen; Füße mit zwei Zehen u. Sohlen mit Schwielen. Magen vierfach; der Pansen u. die Haube hat an den Seitenwänden viele Zellen, in denen sich nach der gewöhnlichen Meinung das Wasser ansammeln u. sogar frisch bleiben soll, welches aber nach dem Baue dieser Zellen u. wegen der dem Wasser sich nothwendig mittheilenden inneren Körperwärme unmöglich ist. Die Gattung K. (nach Linné) von Illiger als eigene Familie unter dem Namen Schwielensohler (Tylopoda) aufgestellt u. in die Gattungen eigentliches K. (Camelus) u. Lama (Muchenia) getheilt, wozu Andere noch (wegen Mangels an Hörnern) das Bisamthier (Moschus) rechnen. 2) Gattung des Vorigen, zeichnet sich durch 1 od. 2 Fetthöcker, durch die Zehen, welche fast bis zur Spitze vereinigt sind, durch (angeborene) Schwielen an der Brust u. mehreren Theilen der Füße, mehre Leistenzitzen u. eine ansehnlichere Größe von den anderen aus. Daß das K. den Karawanen als Wasserreservoir diene, welches die Durstenden schlachteten u. Trinkwasser in dem Magen fanden, ist nach Burnes eine Fabel, ja die Araber kennen von einem solchen Auskunftsmittel nicht einmal der Sage nach etwas. Ebens ist es nach ihm unwahr, daß das K. länger Durst als die anderen Thiere leiden könne, es stirbt vielmehr schon 4 Tage, nachdem es gedurstet. Andere Reisende wollen wohl sein langes Dursten bemerkt jedoch wahrgenommen haben, daß es beim Dursten herabkomme, beim Sausen sich aber schnell erhole Das Harnen geschieht mehr nach hinten; bei der Begattung legt sich das Weibchen auf die Knie. Das K. ist durch die Lippen, den gebogenen langen Hals, das Mißverhältniß zwischen den Schenkeln u. Füßen, das schwache Kreuz u.a. sehr häßlich; doch werden alle hierher gehörige Thiere durch ihre Fähigkeit Lasten zu tragen, wobei sie Ausdauern. Genügsamkeit zeigen, sehr nützlich. Zwei Arten: a) Dromedar (Camelus dromedarius L.), gemeines arabisches K., hat nur einen Höcker; b) Trampelthier (Baktrianisches, Türkisches, Zweihufiges K., C. bactrianus), mit zwei Höckern, dickerem Halse, größerem u. stärkerem Körperbau. Beide Arten, bes. aber die erstere (mehr für die heißen Sandgegenden geeignet u. sich weiter nach Süden ausbreitend, viel weniger Nahrung [die trockendsten u. dürftigsten Pflanzen] brauchend, schneller laufend), werden als Lastthiere häufig benutzt, letzteres bes. zum Reiten. Man legt ihm eine Last von 10–12 Ctrn. auf, womit es täglich 20–30 Stunden machen kann. Beide Arten legen sich zum Beladen auf die Knie nieder, stehen, wenn die Last ihnen zu groß ist, nicht auf, durchwaten aber, wenn sie aufgestanden sind, unter Leitung ihres Führers (Kameeltreiber) die Sandwüsten. Bei den Karawanen können keine anderen Thiere gebraucht werden. Man benutzt seine (krausen) Haare, welche im Frühjahre ausfallen u. dann abgekämmt, gesammelt u. sortirt werden, zu Garn (Kameelgarn) u. fertigt Filzdecken, zum Bedecken der Nomadenzelte, Camelots, Filzsocken, Hüte u. dgl. daraus; die Häute benutzt man zu Schläuchen für[259] Wasser, Wein, Milch. Das Fleisch wird gegessen u. in manchen Gegenden (z.B. Sennaar in Nubien) zu Markt gebracht; auch salzt man es ein u. übergießt es mit dem ausgelassenen Fett, in welcher Weise es sich länger aufbewahren läßt; deshalb werden die K-e auch an manchen Orten zum Genuß mit Datteln gemästet u. wie die Kälber, so die Höcker, als Leckerbissen betrachtet. Die bläuliche u. zähe Milch wird von den Arabern, Mauren u. anderen afrikanischen Stämmen, auch Kirgisen, Buräten, Kalmücken genossen, auch eine Art Branntwein daraus bereitet; bei den Mohren in Senegambien ist sie die Hauptnahrung. Die Kameelzucht ist bei den Morgenländern ein Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit u. K-e bes. der Reichthum der Araber. Wenn einzelne Familien vielleicht 500 u. mehr K-e halten, so sind ganze Stämme oft im Besitz von 2 bis 300,000. Wenn ein K. bei den Arabern 10 Junge geboren hat, darf es frei herumlaufen u. heißt Saibas. Zuweilen findet dasselbe auch in Folge des Gelübdes eines Arabers, welcher auf einem K-e die Pilgerfahrt nach Mekka gemacht hat, statt. Die Kameelzucht wird in ganz Nordafrika bis zum Äquator, in Südasien (mit Ausnahme der Länder, wo Elephanten benutzt werden) u. in einem Theile Nordasiens, wo das dann stärkere u. größere K. persisch Bokht (Bokhti) heißt u. zu Reisen im Norden gebraucht wird, ferner in der Europäischen Türkei getrieben. In Italien zieht man K-e auf dem Gute S. Rossore unweit Pisa, u. von hier kommen die, welche man in Deutschland sehen läßt. In Mittelasien soll es noch wilde K-e in Heerden geben. Die K-e tragen gegen 1 Jahr (das Dromedar 111/2 Monate); sie wachsen mit dem dritten Jahre aus u. werden dann erst zur Arbeit angehalten. Sie sind sanftmüthig, lassen sich leicht (bes. durch Musik) aufmuntern, sind gelehrig, doch bei harter Behandlung störrisch, ja selbst rachgierig. Die K-e waren schon zu Abrahams Zeiten Hausthiere; sie wurden wie noch jetzt benutzt, doch war das Fleisch unrein; nur die Milch, welche berauschte, wenn sie einige Tage gestanden hatte, trank man. Man benutzte K-e auch im Kriege, u. selbst auch in neuerer Zeit hat man ihnen in Persien leichte Kanonen aufgelegt u. so eine Gebirgsartillerie zu schaffen versucht, aber ohne bedeutenden Vortheil. Die Perser hielten viel auf das K. u. legten ihm besondere Kräfte bei. In der Bibel ist in dem Sprüchwort: es ist leichter, daß ein K. durch ein Nadelöhr gehe, denn daß ein Reicher ins Reich Gottes kommt, das K. nicht ein großes, starkes Ankertau, sondern ein wirkliches K., dem als größtem, noch dazu stark bepacktem Thiere das Nadelöhr als kleinster Durchgangspunkt entgegengesetzt u. damit etwas Unmögliches bezeichnet wird; 3) Peruanisches K., so v.w. Lama; 4) Wildes Peruanisches K., so v.w. Guanaco; 5) Kameelschaf, so v.w. Paco u. Vicogne.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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