Lamothe

Lamothe

Lamothe (spr. Lamoth), 1) François de L. Le Vaye, genannt der Französische Plutarch, geb. 1588 in Paris, war Procurator am Parlament zu Paris, Günstling des Cardinals Richelieu, Erzieher des Königs Louis XIV. u. dessen Bruders; er st. 1672 u. schr.: De l'instruction de M. le Dauphin, Par. 1840; Jugement sur les anciens et principaux historiens grecs et latins, Par. 1646; Discours sur les doutes, ebd. 1668; Du peu de certitude qu'il ya dans l'histoire, ebd. 1668; Dialogues faits à l'imitation des anciens, Frankf. 1698, n. A. 1716; bes. Schulbücher zum Gebrauch des Dauphins (in usum Delphini). Die beste Ausgabe seiner Oeuvres ist von seinem Neffen Roland Le Vayer de Boutigni, Dresden 1756–59, 7 Bde.; 2) Jeanne de Luz, de St. Remy, de Valois, Gräfin v. L., die Hauptperson des berüchtigten Halsbandprocesses, geb. 1756 in Fontète in der Champagne, von armen Eltern; sie behauptete, u. höchstwahrscheinlich nicht ohne Grund, von den Valois abzustammen, wurde darin von der Frau von Boulainvilliers, Besitzerin ihres Dorfes, unterstützt u. verschaffte sich so durch Madame, Schwägerin des Königs, eine Pension von 1500 Franken. Darauf mit dem Grafen v. L., einem Gardedu Corps von Monsieur, verheirathet, lebte sie in Versailles u. wurde mit dem Cardinal Prinzen Rohan bekannt, dessen Vertrauen sie sich erwarb. Er rieth der L., sich an die Königin Maria Antoinette zu wenden, bedauerte aber, dabei nichts für sie thun zu können, indem er bei der Königin wegen einiger ihre Mutter Maria Theresia beleidigenden Briefe in Ungnade gefallen u. von seinem Gesandtschaftsposten in Wien abberufen, worden sei. Sie gab nun[63] vor, bei der Königin Zutritt erlangt u. hierbei Gelegenheit genommen zu haben, alle Vorurtheile der Königin gegen den Cardinal zu zerstreuen. Erfreut gab ihr nun dieser einen Brief an die Königin mit. Die L. brachte ihm eine Antwort u. die Correspondenz hatte den besten Fortgang, wobei sie sich eines gewissen Reteaux de Villette als Schreiber bediente. So wußte sie unter mancherlei Vorwand dem Cardinal nach u. nach 120,000 Francs abzulocken, welche dieser immer der Königin geliehen zu haben meinte. Die Hofjuweliere der Königin, Böhmer u. Bassange, hatten eben damals ein schönes Halsband von Diamanten gefertigt, welches sie 1,600,000 Fr. boten. Die Königin hatte es gesehen, es aber als zu theuer zurückgewiesen. Die L. wußte nun den Cardinal glauben zu machen, daß die Königin gesonnen sei, das Halsband zu kaufen u. nach u. nach zu bezahlen; daß sie aber aus besonderer Gunst den Cardinal beauftrage, dies Halsband in ihrem Namen zu kaufen. Rohan ging in die Falle, kaufte das Halsband u. überlieferte es der L. Dieß geschah 1785. Sie wählte eine freie Dirne aus dem Palais Royal, d'Oliva, welche der Königin ähnelte, u. Rohan übergab in Trianon das Kästchen, die vermeinte Königin reichte ihm dagegen eine Rose u. sprach: Ich habe nur einen Augenblick für Sie, ich bin mit Ihnen zufrieden u. werde Sie zur höchsten Gunst erheben. Ah, man kommt, ich muß Sie verlassen. Der Cardinal glaubte ganz sicher zu sein, aber der Gatte der L. begab sich nach England, um die Edelsteine zu verkaufen. Unterdessen war der erste Zahlungstermin gekommen. Böhmer verlangte von der Königin Geld, u. diese erfuhr überrascht, daß Rohan unter ihrem Namen den Schmuck gekauft habe. Nichts von dem Betrug ahnend verlangte sie strenge Genugthuung. Der erste Minister Breteuil, ein Feind des Cardinals, rieth, ihn zu arretiren, u. so wurde der Grandaumonier des Königs in Pontificalibus verhaftet u. in die Bastille gebracht. Ein Proceß (Halsbandproceß) begann, u. nach u. nach kam die Wahrheit an den Tag. Das Urtheil wurde den 31. Mai 1786 gesprochen; auch Cagliostro war in den Proceß verflochten, wurde aber freigesprochen; auch der Cardinal wurde freigesprochen, aber vom Hofe verbannt; der Graf L. abwesend als Hauptmitschuldiger zur Brandmarkung u. Galeerenstrafe auf Lebenszeit, die Gräfin ebenfalls zur Brandmarkung auf beiden Schultern u. zu lebenslänglichem Gefängniß verurtheilt. Als erstere Strafe vollzogen wurde, biß u. schlug sie um sich herum, verbrannte auch ihre Hände an dem Eisen, mit welchem die Execution vollzogen werden sollte. Nach 10 Monaten entkam sie aus der Salpetrière, wohin sie gebracht worden war, u. floh nach London, wo ihr Gatte schon eine angebliche Rechtfertigungsschrift für sie herausgegeben hatte. Hier starb sie den 23. Aug. 1791. Die Halsbandgeschichte gab nachher den Feinden der Königin Gelegenheit, die abenteuerlichsten Gerüchte über sie auszusprengen u. sie in Mißachtung des Volkes zu bringen.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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