Landsmannschaft

Landsmannschaft

Landsmannschaft, 1) Verhältniß mehrerer Landsleute, als solcher zu einander; 2) Vereinigung derselben im Auslande zu einer Corporation; 3) engere Verbindung mehrerer Studenten (ursprünglich aus einem Vaterlande) zu einem festen Bund während der Universitätszeit. Solche L-en bestanden im 17. Jahrh. in Wittenberg u. auf anderen Universitäten 8–10, von den Gesetzen gebilligt u. förmlich organisirt. Als im 17. u. 18. Jahrh. die Studentenorden auf den Universitäten Sitte wurden, vereinigten sich die Landsleute auch durch eigens constituirte Verbande mit einander u. ahmten jene in ihren Gebräuchen nach; doch unterschieden sie sich meist von ihnen dadurch, daß sie keinen Eid von den Eintretenden forderten, auch daß sie ihre Verbindung nicht über die Universitätszeit hinaus ausdehnten. Doch hatten einzelne L-en, wie die der Mosellaner, welche in dem letzten Viertel des vorigen Jahrh. in Jena, Halle etc. bestanden, auch die Gesetze der Orden. Die L-en waren gewöhnlich den Orden feindlich, u. diese Feindschaft benutzten die akademischen Lehrer, als sie die große Schädlichkeit der Orden zu Anfang des 19. Jahrh. einsahen u. dieselben gänzlich zu vertilgen beschlossen, indem sie die L-en auf Kosten der Orden begünstigten, u. dies gelang ihnen auch so weit, daß im Jahr 1813 auf keiner protestantischen Universität (außer Wittenberg) mehr Orden, sondern auf jeder nur mehrere L-en existirten. 1817, als die Allgemeine Burschenschaft errichtet wurde, vereinigte dieselbe fast allenthalben die L-en momentan in sich; doch lösten sich nach Kurzem bei den verschiedenen Tendenzen der L. u. Burschenschaft, besonders bei der stark hervortretenden politischen Farbe der Letztern, die L. wieder von derselben ab u. constituirten sich selbständig wieder, namentlich seit 1820, u. obgleich, wie alle geheime Verbindungen bis 1848, untersagt, bestanden sie auf allen Universitäten, gemeiniglich als Gegengewicht gegen die gefährlich scheinende Burschenschaft von den Staatsregierungen begünstigt fort. Da diese Verbindungen nicht mehr aus Studenten desselben Landes bestehen, so heißen sie jetzt nicht mehr L-en, sondern Corps, obgleich sie meist noch ihre Namen von einem Lande od. einer Provinz, bes. historische Namen, führen, wie Thüringer, Sachsen, Franken, Lausitzer, Märker, Rhenanen, Westfalen, Sueven, Hyrcinier etc. Ein solches Corps besteht gewöhnlich aus 1 Senior, 1 Subsenior, 1 Secretär, 2–3 Chargirten u. einer Anzahl Mitgliedern, welche, wenn sie der Verbindung ganz angehören, Corpsburschen, wenn sie sich blos zu derselben halten, Renoncen heißen. Sie unterscheiden sich durch eigne (meist drei) Farben in Mützen, Bändern etc. u. trugen sonst auch auf manchen Universitäten Uniform in diesen Farben. Die Verhandlung über innere Angelegenheiten, Receptionen neuer Mitglieder, welche unter entsprechenden Feierlichkeiten stattfinden, etc. geschehen in eigenen gebotenen Corpsconventen. Die Corps einer Universität stehen auch gewöhnlich in Verbrüderung mit einem Corps einer anderen Universität (Cartell). Gegenstände von besonderer Wichtigkeit werden dem Seniorenconvent vorgelegt, zu dem jedes Corps zwei Abgeordnete sendet u. in dem die Senioren der verschiedenen Corps nach der Reihe das Präsidium führen. Dieser Seniorenconvent ordnet allgemeine Studentenangelegenheiten (so weit sie die Corps betreffen), untersucht u. richtet in Streitigkeiten der einzelnen Verbindungen gegen einander, erkennt neu sich constituirende Corps an, erklärt in den Verruf etc. Vgl. Jahn, L-en u. Burscheuschaften, Lpz. 1820.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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