Phrygĭa [2]

Phrygĭa [2]

Phrygĭa, ein Theil von Kleinasien, welcher in den verschiedenen Zeiten sehr verschiedene Ausdehnung hatte; namentlich gehörte früher das Küstenland unter dem Namen Kleinphrygia od. P. am Hellespont dazu (welches später als Klein-Mysien abgetrennt wurde); das eigentliche od. Großphrygien grenzte (zur Römerzeit) an Pisidien (wo ein Theil früher zu P., Phrygisches Pisidien, gehört hatte), Karien, Lydien, Mysien, Bithynien, Galatien, Lykaonien u. Isaurien; das Land war gebirgig durch den Olympos mit Dindymos u. Agdistis, Kadmos, Mesogis; Flüsse: Hermos u. Mäander mit Kludros, Marsyas, Orgas, Lykos, Obrimas u. Azanes; Tymbres, Alander; Seen: im Süden des Landes der große Salzsee Tatta bei Anava u. Askania. Obgleich P. gebirgig[103] war, so war es doch fruchtbar, namentlich im Mäanderthal; eins der Hauptproducte war der Synnadische Marmor. Eingetheilt wurde P. in: a) P. salutāris, der größte Theil, in der Mitte, zwischen dem Kadmos u. Dyndymos, mit den Städten Synnada, Amorion, Kelänä, Apamea etc.; b) P. Pacatiāna (später Kapatiana), ein langer schmaler Strich im Westen von Karien bis Bithynien; darin die Städte Kolossä, Laodikea, Hierapolis, Eumenia, Peltä, Akmonia etc.; c) P. epiktētos (das [von Bithynien wieder] dazu eroberte), der nördliche Theil des eigentlichen P-s, zwischen den Zweigen des Olympos bis zum Flusse Tymbres, mit den Städten Azani, Doryläon, Kotyaion; d) P. parorĭos (P. am Gebirge), der südöstliche Theil, welcher an Pisidien grenzte. Jetzt bildet P. größtentheils das türkische Ejalet Karaman (s.d.). Die Einwohner (Phrygier, Phryges), welche in mehre Stämme (Mygdones, Thyni, Medobithyni, Berekyntes) zerfielen, trieben von den ältesten Zeiten her Handel, Ackerbau u. bes. Viehzucht; berühmt war die seine, schwarze Wolle der Schafe u. Seidenhasen, welche sie selbst verarbeiteten, ebenso ihre gewebten wie ihre gestickten Gewänder (Phrygiae vestes), u. sie sollten die Kunst zu sticken erfunden haben, u. in Rom nannte man die Kleidersticker Phrygiones. Ihre Sprache gehörte zum Indogermanischen Sprachstamm u. erscheint in den davon erhaltenen einzelnen Wörtern u. Inschriften bes. verwandt mit der Griechischen (Lassen im 10. Bd. der Deutsch-Morgenländischen Gesellschaft S. 368 ff.). Eine einheimische Gottheit der Phrygier war Kybele (s.d.) mit ihrem Priester Ales; der oberste Gott hieß Bagäos; auch dem Sabazio (Bakchos) weiheten sie eigne Priester, Saboi, u. gleich schwärmerische Feste wie der Kybele. Von den Semiten hatten sie später mehres wie in ihre Religion, wie auch in ihre Sprache aufgenommen. Von ihrer einstigen Cultur zeigen noch merkwürdige Baudenkmale, Grabhöhlen, ausgehöhlte Felsberge u. ungeheure Städteruinen. In der Musik galt der Modus phrygius u. Hypophrygius bei den Griechen als weichliche Tonarten. Hyagnis von Kelänä soll die Flöte u. die griechische Tonweise erfunden haben. Die Phryger hielten sich selbst für Ureinwohner u. überhaupt für das erstgeborne Volk der Erde; nach der allgemeinen Annahme des Alterthums waren sie aber aus dem östlichen Europa, wahrscheinlich aus Thracien, eingewandert, dort hatten sie Briges od. Bryzes geheißen u. waren um 90 vor dem Trojanischen Kriege unter Midas, einem Zögling des Orpheus, hierher gekommen; nach And. waren sie aus Armenien eingewandert u. nachmals von Thrakern im Norden u. Semiten im Süden nach dem Mittellande gedrängt worden. Einst waren die Phrygier das bedeutendste Volk Kleinasiens, u. ihr Land erstreckte sich bis Paphiagonien, Kappadokien u. Pisidien u. begriff Mysien, Bithynien u. Galatien mit. Daher kommt es auch, daß Gordios (s.d.) ein phrygischer König heißt. Zur Zeit des Hercules herrschte in Kelänä der grausame Lityerses (s.d.). Unter Midas III. fielen um 630 v. Chr. die Kymmerier ein u. verheerten das ganze Land, so daß Midas aus Verzweiflung sich selbst tödtete. Mit Adrastos (s.d. 3) starb die königliche Familie aus, u. P. wurde lydische Provinz u. kam mit Lydien um 555 v. Chr. unter die Perser. 275 v. Chr. eroberten die Galater u. Bithyner Kleinphrygien, dessen südlichen Theil die Phryger 190 v. Chr. zurückeroberten. 130 v. Chr. wurde der größte Theil des Landes von den Römern als römisches Besitzthum zur Provinz Asia geschlagen. Der Apostel Paulus predigte das Evangelium mehrerorts in P., u. es gab christliche Gemeinden in Hierapolis, Kolossä u. Laodikea. In P. entstand der Montanismus, daher die Anhänger desselben auch Phrygier hießen. Vgl. Stewart, Description of some ancient monuments in Lydia and Ph., Lond. 1842.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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