Bakchos

Bakchos

Bakchos (Dionysos), Gott des Weins, Sohn des Zeus u. der Semele. Als Semele sich über den in dem Strahlenglanze seiner Majestät erscheinenden Zeus entsetzte u. starb, entsank das Kind ihrem Schooße, ward von Epheu umschlossen, der plötzlich den Säulen des Saales entsproß, u. vom Vater in die eigene Hüfte genäht, um nach 3 Monaten wieder geboren zu werden (daher auch sein Beiname Digonos od. Dissotokos, Zweimalgeborener). Nun übergab ihn Zeus dem Athamas u. der Ino, Schwester der Semele, zur Erziehung. Here machte aber Ino u. Athamas rasend, u. Zeus ließ nun durch Hermes den Knaben zu den Nymphen nach Nysa in Thracien (woher man auch den Namen Dionysos leitet) bringen. Später war Silenos sein Lehrer. Groß geworden pflanzte er den Weinstock, kelterte den Wein (daher Lenäos, der Kelterer), berauschte sich u. seine Wärterinnen u. die Waldgötter u. zog in ihrem Geleite lärmend umher (daher Bromios, der Lärmende, Rauschende). Durch die Gabe des Weins erfreute er die Herzen der Menschen, verscheuchte Sorge u. Leid (daher Lysios od. Lyäos, der Sorgenlöser, Eleuthereus, Befreier), gab aber auch dem Körper Gesundheit u. Stärke u. daher galt er auch als ein helfender Gott in geistiger u. leiblicher Hinsicht (Eubuleus, der Wohlwollende). Durch seine Gabe werden die Menschen zu heiterer Geselligkeit zusammengeführt u. er ist der Gesang- u. Tanzbeförderer (Melpomenos u. Enorchos), daher seinem Cultus auch der Dithyrambos u. bes. das Drama seine Entstehung verdankte. Vermöge seiner heilenden u. begeisternden Macht wurde er auch der Arzt durch Weissagung (Jatromantis) u. hatte hier u. da Orakel. Als Lehrer des Weinbaues erhielt er auch die allgemeinere Bedeutung als Förderer des Wachsthums u. Blühens (Phlöos u. Antheus) u. wurde in Gemeinschaft mit Demeter der Verbreiter der Gesittung u. Cultur (Thesmophoros). Daher ist er in der Homerischen Zeit auch nicht unter den Olympischen Göttern, sondern ist ein irdischer Gott; doch war sein sinnlicher u. lärmender Dienst schon ältester Zeit bekannt. Von Böotien, seinem Geburtslande, verbreitete B. seinen Dienst zunächst nach Attika, an den Fuß des Parnassos, nach Sikyon u. Korinth, erst später über ganz Griechenland; von da durchzog er auf einem mit Tigern, Löwen, Panthern od. Luchsen bespannten Wagen Ägypten, Syrien, Phrygien (NAsien), Thracien (NEuropa), Indien, kehrte von da zurück nach Böotien, wo er in Theben auf einem Elephanten einzog. Ihn begleitete sein Lehrer Silenos auf dem Esel reitend, u. ein toller Zug von Satyrn, Mänaden, Bakchantinnen etc., welche, den Thyrsos in der Hand u. die Hirschhaut um den Leib, unter Lärmen die Einführung des Wein- u. Feldbaues beförderten. Indien gab er ordentliche Verfassung. In Griechenland bestrafte er, wer sich der Einführung seines Dienstes widersetzte, so den Lykurgos (s.d.) in Thracien, die Töchter des Minyas, die Weiber in Argos, welche er rasend machte, daß sie ihre Kinder tödteten. Als er nach Naxos schiffen wollte u. am Ufer harrte, erschienen Tyrrhenische Seeräuber u. schleppten ihn, um ihn als Sklaven zu verkaufen, ins Schiff, plötzlich aber ergoß sich ein Strom duftenden Weines durch das Schiff, ein Weinstock entsproßte dem Kiel, Epheu u. Weinlaub umrankten Masten u. Ruder, B. ward Löwe, dann Bär u. zerriß den Schiffsherrn; aber den Steuermann Medeides, welcher das Schiffsvolk gewarnt hatte, verschonte er; die übrigen Schiffer sprangen ins Wasser u. wurden Delphine. Auf Naxos traf er die von Theseus verlassene Ariadne (s.d.), mit der er sich vermählte. Der Gott belohnte aber auch, die ihm wohlwollten, so den assyrischen König Staphylos, der ihn gastlich aufnahm; dessen Gattin Methe (Rausch) u. Sohn Botrys (Traube) reihte er deshalb seinem Gefolge an. Der Grundstoff des aus so mancherlei Materialien zusammengewebten Mythus ist nach Einigen die indische Lehre vom Schiwa u. dessen Austreibung nach WAsien, Ägypten u. durch Vermittelung des orphischen Priesterinstituts auch nach Griechenland, nach Andern ist der Zug des B. erst eine Dichtung der späteren Zeit, als mythisches Gegenbild zu dem Zuge Alexanders des Gr. Nachdem B. seinen Dienst allenthalben eingeführt hatte, wurde er als vergötterter Heros in den Olympos erhoben, wohin er auch seine Mutter holte, welche als Thyone auch göttliche Ehre erhielt u. nach welcher er den Namen Thyoneus führte. In Rom entsprach dem griechischen Dionysos ganz der Bacchus in Bedeutung u. Verehrung; er ist auch dort der Pater Liber (der Freie), ihm werden die Liberalia gefeiert u. die Bakchanalien (s.d. 2). Bei den Sabinern soll er Löbasius geheißen haben. Seine Feste (s. Bakchanalien) hatten in der alten Zeit den Charakter fröhlicher Heiterkeit; später arteten sie in Orgien aus: unter dem Klange von Flöten u. Pauken u. dem Rufe Euö (daher B. selbst Euios hieß) zogen die Feiernden trunken u. rasend umher u. zerrissen Thiere u. fraßen das blutige Fleisch; bes. zogen so bei nächtlicher Weile trunkene Weiber (Bakchantinnen, Mänaden, Thyiaden, Mimallonen, Bassariden) lärmend u. rasend umher. Wegen dieser ausschweifenden Festfeier wurde der Gott selbst mit der Kybele- u. Atysverehrung in Verbindung gesetzt u. mit Sabazios (s.d. a.) identificirt. Daher galt Dionysos Sabazios als Repräsentant des Lebens in der Natur, welches zwar dem Tode verfällt, aber wieder erwacht. Diese Idee liegt auch in der Beziehung, in welcher B. in den Eleusinischen Mysterien vorkommt. Hier lehrte man, daß Persephone, des Zeus Umarmungen fliehend, sich in eine Höhle verbarg. [228] Zeus, als Schlange, entdeckte u. überlistete sie, worauf sie Mutter des stierköpfigen Zagreus wurde. Dennoch liebte Zeus diesen Sohn u. ließ ihn neben sich setzen; aber Here, eifersüchtig, reizte die Titanen gegen ihn. Diese gaben dem Knaben allerlei Spielzeug (Athyrmata), bestehend in Würfeln, Kugeln, Hesperidenäpfeln, Kreiseln, Spiegeln etc., u. währender damit beschäftigt war, überfielen, tödteten u. zerstückelten sie ihn. Pallas brachte das schlagende Herz des Zagreus zum Vater; dieser bereitete aus demselben einen Liebestrank, gab diesen der Semele u. zeugte mit ihr den B. von Neuem. In den Mysterien hat B. den Namen Jakchos u. ist als Koros Bruder od. Bräutigam der Persephone. Geliebte des Gottes waren: Erigone, von ihr nach Einigen Staphylos; Althäa, von ihr Deianira; Aphrodite, von ihr Hymenäos, Priapos, die Charites; Chthonophyle, von ihr Phlias; Physkoa, von ihr Narkáos; Nikäa, von ihr Telete; Ariadne gebar ihm den Önopion (Weintrinker), dem B. die weinreiche Insel Chios schenkte, nach Einigen den Staphylos u. Euanthes. Heilig war ihm Weinstock, Epheu, Panther, Schlangen; geopfert wurden ihm bes. Böcke, als dem Weinstock schädliche Thiere. Die Darstellung des B. in Bildwerken ist mehr knabenhaft, mit weichen, an das Weibliche streifenden Formen u. Weiberkleidern (daher Thelymorphos, der Weiblichgestaltete); der Kopf trägt die Stirnbinde u. einen Weinlaub- od. Epheukranz (daher Kissochaites); gewöhnlich wird er nackt dargestellt, kommt aber auch mit einer weiten Palla über Hüfte u. Schulter u. mit einem Rehfell (daher Nebridopeplos) od. mit einem Fuchsfell (daher Basareus genannt) bekleidet vor; in der Hand trägt er den Thyrsusstab (daher Thyrsotinaktes, Thyrsusschwinger). Der bärtige od. indische B. ist würdevoller, mit weitem Gewand, Diadem, wallendem Bart. Auch tragen B-bilder Hörner (daher Taurokeros, Stierhörneriger). Selten erscheint B. allein auf Darstellungen, sondern in der mannichfaltigsten Umgebung, welche mit seinen mythischen Bedeutungen in Beziehung stehen. Solche Umgebung heißt Thiasos u. besteht bald aus Repräsentanten von Naturkräften, wie Nymphen, Satyrn, Silen, Pan, Centauren etc.; od. mythischen Personen aus dem Sagenkreise des B., wie Thyone, Ariadne etc.; od. Personificationen seiner Gaben u. Schöpfungen, so der Trunkenheit, der Mysterienweihe, der Komödie u. Tragödie, des Epheus u. Kellers etc.; od. Götterwesen, welche sich sonst gern zu ihm gesellen, wie Eros, Pothos, Himeros, einzelne Grazien, Musen etc. Die wichtigsten unter den erhaltenen Kunstwerken sind: im Vatican ein B., der sich an einen Faun lehnt; daselbst B. mit seinem Gefolge, Basrelief; ein liebender B. in der Villa Borghese; daselbst eine schöne Statue des Gottes; B. u. ein Faun in der Villa Albani; B. u. Ariadne triumphirend in der Villa Negroni.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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