- Hercŭles
Hercŭles (Herăkles), Sohn des Zeus u. der Alkmene; Nationalheros der Griechen. Zeus hatte die Nacht, wo er sich der Alkmene unter der Gestalt ihres abwesenden Gemahls Amphitryon, Königs von Tyrus, nahete, dreifach verlängert. Alkmene, zugleich von ihrem Gemahl schwanger geworden, gebar in Theben, wohin sie mit ihrem Gemahl, der einen unvorsätzlichen Mord begangen hatte, geflohen war, mit H. den Iphikles. Zeus schwur, als Alkmene (eine Enkelin des Perseus) im Kreisen lag, daß der zuerst geborene Perfide über alle übrige vom Stamme des Perseus herrschen solle. Here benutzte dies u. förderte die Entbindung der aus diesem Geschlecht entsprossenen Nikippe, Gemahlin des Sthenelos, Königs von Mykenä, verzögerte aber die der Alkmene sieben Tage lang (s. Galinthias), wodurch der schwächliche u. feige Eurystheus, der Sohn der Nikippe, Gebieter des H. wurde. Nach älterer Sage wurde der Neugeborne durch das kräftige Wasser der Quelle Dirke bei Theben ernährt, nach späterer legte Zeus od. Athene ihn insgeheim an die Brust der Here, so daß H. Unsterblichkeit aus ihrer Brust sog. Here, seine Todfeindin, erkannte ihn aber endlich an der Kraft, womit er die Milch ihrer Brust entzog, u. schleuderte ihn voll Ärger weit von sich. Da der junge H. aber bei diesem Falle nicht umgekommen war, so[260] warf Here zwei ungeheure Schlangen in die Wiege, jedoch H. erwürgte dieselben mit seinen Händen. Unterrichtet wurde H. in Tugend u. Weisheit von Rhadamanthys, im Wagenlenken von Amphitryon, im Ringen von Autolykos, im Bogenschießen von Eurytos od. vom Skythen Teutaros, im Gebrauch der Waffen von Kastor, in der Musik von Eumolpos od. Linos, in der Kräuterkunde von Chiron. Als ihm einst Linos einen Schlag mit der Hand gab, erschlug ihn H. mit der Leier, weshalb ihn Amphitryon ins Gebirge schickte, wo er die Heerden weidete. In diese Zeit seines Aufenthalts auf dem Gebirge Kythäron fällt die bekannte Dichtung des Sophisten Prodikos, H. am Scheidewege, wo ihm zwei Göttinnen begegnen, die der Wollust u. der Tugend. Jene jugendlich u. anmuthig, üppig gekleidet, lockte ihn durch Verheißungen von Freude u. Luft zu sich; Letztere ernst, ehrbar u. einfach gekleidet, lud ihn ein, durch Arbeit u. Kampf ewigen Ruhm u. Unsterblichkeit zu erringen, die sie ihm in der Ferne auf hohem, steilem, leuchtendem Berge zeigt. H. folgte dieser u. erreichte glücklich dieses Ziel (Xenophon Memorabil. Socrat. II., Böttiger, Hercules in bivio e Prodici fabula et monumentis priscae artis illustratus, Lpz. 1829).
Die Thaten des H. bestehen meist in Vertilgung von Ungeheuern u. Beschützung u. Rettung Unterdrückter. Am Berge Kithäron erlegte er 18 Jahre alt einen furchtbaren Löwen, wofür ihn Thespios, König von Thespiä, seine 50 Töchter gab, die er sämmtlich in Einer Nacht (nach Anderen in sieben) umarmte, u. deren jede einen Sohn gebar. Die Thebaner befreite er von dem Tribut, den sie dem Könige Erginos von Orchomenos als Sühne des an seinem Vater begangenen Mordes geben mußten. Kreon, König von Theben, gab ihm dafür seine Tochter Megara, u. die Götter beschenkten ihn, Athene mit ihrem Schleiermantel, Hephästos mit einem Harnisch, Hermes mit einem Schwert, Apollon mit Pfeilen; die Keule (von welcher er den Beinamen Korynephŏros, lat. Clavĭger, Keulenträger, hatte) nahm er von einem wilden Ölbaum am Saronischen Meerbusen, nach Anderen aus dem Walde bei Nemea zum Kampfe gegen den dortigen Löwen. Nachdem er, durch Here in Wuth u. Raserei gebracht, alle seine Kinder, nach Anderen auch seine Gattin Megara, erschlagen (dies der Inhalt der Tragödie Herakles Mainomenos [der rasende H.] von Euripides) u. ihn Athene durch einen Steinwurf an seine Brust wieder zur Besinnung gebracht hatte, wendete er sich nach Delphi u. wurde von der Pythia in den Dienst des Eurystheus geschickt. Bei dieser Gelegenheit vertauschte Pythia auch seinen ursprünglichen Namen Alkäos (Alkides, der Kräftige, Sohn der Kraft) gegen den Namen H. (weil er seinen Ruhm durch die Ränke der Here erlangen sollte). Eurystheus befahl ihm A) 12 Arbeiten (Athloi) zu vollbringen, um seine Kraft zu ermatten. Sie sind folgende: a) die Erlegung des Nemeischen Löwen. Dieses Ungeheuer, Product von Typhon u. Echidna, verheerte Alles um Nemea u. Kleonä. Vergebens schoß H. seine Pfeile gegen ihn ab, seine Keule zerschmetterte am Schädel des Thieres; endlich packte er ihn, erdrückte ihn mit seinen Schenkeln u. zog sein undurchdringliches Fell ab. Er trug dasselbe als Panzer, der Kopf desselben diente ihm als Helm. b) Die Tödtung der Lernäischen Hydra. Diese stammte gleichfalls von Typhon u. Echidna u. hauste in einer Höhle bei Lernä; ihr Blut u. Hauch waren giftig; sie hatte neun (od. 7 od. 50 od. 100) Köpfe, von denen einer unsterblich war, jeder derselben wuchs zweifach nach, wenn er abgeschlagen war. Als ihm das Kopfabmähen nichts half, u. ein ungeheuerer Krebs (Karkinos), welcher dem Drachen half, ihn in die Fersen kniep, befahl er seinem Wagenlenker Jolaos, dem Sohne seines Halbbruders Iphikles, einen Wald in Brand zu stecken, u. brannte mit glühenden Baumstämmen die Stelle eines jeden Kopfes aus, warf auf den unsterblichen Kopf einen großen Felsen u. tödtete so das Thier. Er tauchte seine Pfeile in das Blut der Schlange, die fortan tödtlich verwundeten. Eurystheus aber wollte den Kampf nicht gelten lassen, weil Jolaos ihm geholfen habe. c) Der Fang der Hindin der Artemis (Kerynitis od. Artemisia). Diese Hirschkuh, ein Wunderthier mit goldenen Hörnern u. ehernen Läufen, war von der Plejade Taygete der Artemis geweiht worden. H. verfolgte sie ein ganzes Jahr, selbst bis zu den Hyperboräern (wo er den Ölbaum fand, den er in Olympia pflanzte); endlich lähmte er sie in dem arkadischen Waldgebirge am Fuß durch einen Pfeilschuß, holte sie ein u. brachte sie auf den Schultern zu Eurystheus. d) Der Fang des Erymanthischen Ebers (am Berge Erymanthos). Auf dem Wege zu dieser Jagd ging H. über das Gebirge Pholoe, welches Arkadien von Elis schied. Dort kehrte er bei dem Kentauren Pholos ein, welcher ihm auch köstlichen Wein zu trinken gab. Der Geruch desselben lockte die übrigen Kentauren herbei, u. diese drangen mit Felsblöcken u. Fichtenstämmen bewaffnet auf H. ein, der sie aber theils erschlug, theils in die Flucht trieb. Den Eber jagte er nun in tiefen Schnee, wo er ihn lebendig fing u. zu Eurystheus brachte. Dieser kroch vor Schrecken in ein Faß u. fürchtete den H. so, daß er ihm seine Befehle fortan durch Kopreus außerhalb seiner Residenz ertheilen ließ. e) Die Reinigung der Ställe des Augias. Augias, Fürst der Epeer in Elis, hatte in seinen Ställen 3000 Rinder lange Zeit stehen gehabt. H. sollte diese Ställe in einem Tage reinigen. Es gelang ihm dadurch, daß er den Fluß Alpheos (nach Anderen den Peneos, nach Anderen beide vereinigt) durch dieselben leitete. Er hatte sich den zehnten Theil der Heerde dafür als Lohn bedungen; als Augias jedoch erfuhr, daß H. die Arbeit auf Befehl des Eurystheus hatte vollbringen müssen, verweigerte er den Lohn. Auch Eurystheus wollte die Arbeit nicht als vollkommen anerkennen, weil H. sich dafür Lohn bedungen hätte. f) Die Erlegung der Stymphaliden. Diese waren Raubvögel am See Stymphalos in Arkadien, von der Größe der Kraniche, hatten spitzige Schnäbel u. fraßen Menschen u. Thiere; nach Anderen hatten sie eherne Federn, welche sie wie Pfeile abschossen. H. scheuchte dieselben mit einer ehernen Klapper, welche ihm Athene gegeben hatte, aus dem undurchdringlichen Walde u. erschoß sie mit seinen Pfeilen. g) Die Einfangung des Kretensischen Stiers. Poseidon hatte, aufgebracht auf Minos, einen wüthenden Stier nach Kreta geschickt, welcher Flammen aus der Nase blies u. das Land verheerte. H. fing denselben lebendig ein u. brachte ihn zu Eurystheus, welcher ihn wieder in die Marathonischen Gefilde laufen ließ, bis[261] er später von Theseus getödtet wurde. h) Die Einfangung der Rosse des Königs Diomedes (s.d. 1) in Thracien. Nach dieser Arbeit fällt seine Theilnahme am Argonautenzuge, s. unten. i) Die Abholung des Wehrgehenkes der Amazonenkönigin Hippolyte für Admete, Tochter des Eurystheus. Dies Gehenk hatte Hippolyte von Ares erhalten u. sie war bereit, es dem H. zu geben, aber Here wiegelte die anderen Amazonen auf, u. H., welcher darin einen Verrath ahnte, erlegte die Hippolyte, nahm das Gehenk u. brachte es der Admete. k) Die Abholung der Rinder des Geryoneus, welche von dem Hund Orthros u. dem Hirten Eurytion auf dem Eilande Eurytheia im Ocean bewacht wurden. H. erschlug beide, tödtete den Geryoneus, welcher ihm nacheilte, durch einen Pfeilschuß, schiffte die Rinder ein, landete bei Tartessos u. zog durch Spanien, Gallien, Italien, Sicilien bis Mykenä. Außer diesen zehn Arbeiten, welche H. binnen 8 Jahren u. 1 Monat vollbracht hatte, mußte er wegen der unvollkommenen (b u. e) noch folgende zwei vollbringen: l) die Abholung der goldenen Äpfel der Hesperiden, welche einst Gäa der Here bei ihrer Vermählung geschenkt hatte; sie wurden von den Hesperiden, den Töchtern des Atlas u. der Hesperis, u. dem Drachen Ladon bewacht. Der Weg des H. zu deren Gärten ging durch Libyen, Ägypten, Asien, Thracien, dann wieder nach Libyen u. an den Ocean, dann an den Kaukasos, wo er den Prometheus befreite, nachdem er dessen quälenden Geier erschossen. Aus Dankbarkeit sagte ihm dieser, er müsse sich diese Äpfel durch Atlas holen lassen. H. bat nun diesen um die Gunst u. versprach ihm indessen den Himmel zu tragen. Als Atlas die Äpfel brachte, wollte er seinen alten Posten nicht wieder einnehmen, sondern die Äpfel dem Eurystheus selbst bringen. H. hatte auch zum Schein nichts dagegen, sondern bat ihn, nur auf einen Augenblick das Gewölbe wieder auf seine Schultern zu nehmen, um sich erst ein Kissen unterlegen zu können. Atlas that dies, u. nun ging H. mit den Äpfeln zu Eurystheus, der sie ihm schenkte; H. weihte sie der Athene, u. diese brachte sie wieder an ihren früheren Ort zurück. m) Die Heraufführung des Kerberos auf die Oberwelt. Hierzu mußte er sich erst durch Eumolpos zu Eleusis in die Mysterien einweihen lassen. H. stieg bei Tänaron in die Unterwelt hinab; Hades erlaubte ihm endlich, den Kerberos zu nehmen, jedoch ohne Waffen. Schnell ergriff er das Ungeheuer u. brachte es zu Eurystheus; dieser befahl ihm aber, es wieder in die Unterwelt hinab zu schaffen. Auch das that H. u. war nun von der Knechtschaft des Eurystheus frei. Vgl. E. A. Hagen, De Herculis laboribus, Königsb. 1827. B) Seine anderen, nicht minder großartigen Thaten, Parerga (Nebenthaten) od. Praxeis, sind: a) der Kampf mit den Kentauren (s. o. A) d); b) der Kampf mit dem Kentaur Eurytion (s.d.); c) die Theilnahme am Argonautenzug. Sein Liebling Hylas war unterwegs von Nymphen entführt worden. H. verließ die Argonauten, indem er ihn suchte, s. Argonautenzug. d) Tödtung der Boreaden (s.d.), weil er sie für die Ursache des Raubes des Hylas hielt. e) Auf dem Zuge zu den Hyperboräern (s. o. A) d) kam er an die Höhle der Echidna, welche ihm seine Rosse, während er schlief, geraubt hatte u. dieselben nur für eine Umarmung zurückgeben wollte.
Er eroberte ferner Paros, beschützte den König Lykos gegen die Bebryker, befreite die Hesione, zerriß am Westende des Mittelmeeres den das Meer begrenzenden Berg u. machte daraus zwei Säulen zum Andenken seines Zuges im Westen von Europa, Kalpe in Europa, Abyla in Afrika (daher Säulen des H.), kam zu Bretannos, besiegte die Riesen Alebion u. Derkynós, gründete Alesia, durchzog Italien, wo Euander ihm zuerst göttliche Ehre erwies, u. wo er ferner in Rom den Riesen Cacus erschlug, kämpfte auf dem Phlegräischen Felde mit Giganten u. gab dann dem Lande Cultur, schloß den Avernus mit einem Damm ein, verscheuchte durch Gebet die Gryllen aus der Gegend von Rhegium, besiegte den Eryx in Sicilien im Wettkampf, erlegte den Alkyoneus, erdrückte den Antäos, tödtete den Busiris u. Emathion, befreite den Theseus, Pirithoos u. Askalaphos (s.d. a.). Hierauf kehrte H. wieder nach Theben zurück u. vermählte seine Gemahlin Megara (n. Anderen hatte er sie früher getödtet, s. oben) an Jolaos. H. hörte, daß Eurytos, König von Öchalia in Thessalien, seine schöne Tochter Jole nur demjenigen geben wolle, welcher ihn u. seine Söhne im Bogenschießen übertreffen werde. H. siegte, erhielt aber die Jole nicht; nur Iphitos, der älteste Sohn des Eurytos, bestand darauf, daß sie H. erhalten müsse. Bald darauf wurden dem Eurytos seine Pferde gestohlen; Iphitos suchte sie beim H. in Tiryns. ward von diesem aber auf einen hohen Thurm seiner Burg geführt, wo er nach den verlorenen Thieren aussehen sollte, u. in einem Anfall von Raserei von der Zinne heruntergestürzt. Um dafür gesühnt zu werden, begab er sich zu Neleus, der es verweigerte, dann zu Deïphobos, der es that. Dennoch verfiel er in eine schwere Krankheit. Als ihm das Orakel in Delphi die Angabe eines Mittels dagegen verweigerte, raubte er der Pythia ihren Dreifuß u. errichtete sich selbst einen Orakelsitz. Apollo kämpfte mit ihm um den Dreifuß, ein Blitz von Zeus trennte die Streitenden. (Vgl. E. Curtius, H. der Satyr u. Dreifußräuber, Berl. 1852). Endlich erhielt er doch in Delphi den Bescheid, er müsse sich 3 Jahre als Sklav verkaufen u. den Preis dafür dem Eurytos zur Sühne geben. Hermes verkaufte ihn an Omphale, Tochter des Jardanos, Wittwe des Tmolos, Königin der Lydier. Er mußte ihrer Wollust fröhnen u. zugleich weibliche Arbeiten verrichten; doch bekämpfte er auch die aufrührerischen Unterthanen seiner Gebieterin, zog gegen die lycischen Tremilen u. gegen die Amazonen, verjagte u. erschlug die Kerkopen, den Syleus u. Lytierses. Nach dieser Sklavenzeit bekriegte er mit Telamon, Peleus, Oïkles u. anderen Helden den König Laomedon von Troja für seine Treulosigkeit (s. Hesione). Auf der Rückkehr von Here auf dem Meere verschlagen, eroberte er die von Meroperr bewohnte Insel Kos, welche den H. nicht landen lassen wollten. Er besiegte ferner den Augias u. dessen beide gewaltige Streiter, die beiden Aktorionen, setzte nach der Eroberung von Elis die Olympischen Spiele ein, nahm Pylos, vernichtete dort das Geschlecht des Neleus mit Ausnahme des Nestor u. verwundete den Hades, welcher den Pyliern beistand, eroberte Lakedämon u. gab es dem Tyndareus zurück, umarmte dann Auge, warb um Deïanira, Tochter des Ätolerkönigs Öneus (s. Acheloos 1), erhielt sie u. führte sie als Gattin nach[262] längerem Aufenthalte in Kalydon nach Trachis. Auf dem Wege dahin kam er an den Fluß Euenos, wo der Kentaur Nessos Wanderer um Lohn hinübertrug. H. ging durch den Fluß u. ließ Deïanira tragen. Nessos wurde lüstern, H. sah es u. schoß ihm einen, in das Blut der Hydra getauchten Pfeil durch die Brust, als er am Ufer war. Sterbend sagte Nessos zu Deïanira, wenn sie einen Liebeszauber für H. haben wolle, so solle sie seinen verschütteten Samen mit seinem Blute mischen. Dies that sie u. bewahrte die Mischung. Doch war diese Mischung durch das Blut der Hydra vergiftet. Hierauf besiegte H. die Dryoper, den Kyknos, einen Sohn des Ares, die Lapithen, den Amyntor, König von Ormenion etc. Nach Trachis gekommen, sammelte er zur Rache für die schimpfliche Abweisung, die er von Eurytos in Öchalia erfahren hatte, ein Heer, besiegte u. tödtete den Eurytos u. führte die Jole gefangen fort. H. landete auf der Rückkehr bei dem Vorgebirge Kenäon auf Euböa, um hier seinem Vater Zeus zu opfern. Deïanira, eifersüchtig auf Jole, sendete ihm zu dem Opfer das mit dem Blute des Nessos getränkte Gewand. H. hatte dasselbe kaum angezogen, so empfand er furchtbare Schmerzen; wüthend schleuderte er den Lichas, der das Gewand überbracht hatte, vom Vorgebirge herab ins Meer, riß das Gewand von sich u. mit ihm sein Fleisch. So wurde er nach Trachis gebracht, wo sich Deïanira aus Verzweiflung erhängte. H. ging auf den Öta, errichtete einen Scheiterhaufen, bestieg denselben u. befahl den Seinen, denselben anzuzünden. Sie weigerten sich dessen, bis es der vorübergehende Hirt Pöas od. dessen Sohn Philokletes that, wofür ihm H. seine Pfeile schenkte. Während die Flamme aufloderte, führte Athene in einer Wolke auf einem Viergespann den verklärten Helden zum Himmel empor, den Nike umschwebte u. dem der olympische Siegerkranz die Schläfe krönte. Im Olymp wurde er unsterblich u. Hebe (s.d.) seine Gemahlin, welche ihm den Alexiares u. Aniketos gebar. Seine Thaten wurden von griechischen Dichtern vielfach besungen, schon in frühester Zeit u. noch später, z.B. von Rhianos; solche Gesänge hießen Herakleen. Vgl. A. Vogel, Hercules secundum Graecorum poetas et historicos antiquissimos descriptus et illustratus, Halle 1830.
Die zahlreichen Nachkommen des H. heißen Herakliden (s.d.). Die religiöse Verehrung des H. erstreckte sich sehr weit. Der argivische H. ist der älteste, nächst ihm der thebanische; außerdem sind die wichtigsten Stätten seiner Sagen u. seines Cultus der Berg Öta, Attica, Macedonien, die Gegend von Ätolien bis Thesprotien, Troas, Mysien u. Lydien. Der Cultus des H. schwankte zwischen dem eines Heroen u. dem eines olympischen Gottes; der heroische Cultus soll zuerst in Opus u. Theben, der des Gottes zuerst in Athen zur Geltung gekommen sein. H. ist das Abbild seines himmlischen Vaters Zeus auf Erden; aus den zahllosen Kämpfen, die er zu bestehen hatte, geht er als ruhmgekrönter Sieger hervor. Wie Alles, so behandelten die Griechen auch den Mythus von H. poetisch schön; H. ist ihnen das Sinnbild männlicher Kraft, er ist aber auch zugleich das Symbol des Culturganges, denn er macht durch Ausrottung der wilden Thiere das Land fähig zum Anbau, verbindet es durch Handel u. Schifffahrt mit fremden Ländern u. hebt durch Errichtung von Altären den Sinn des Menschen zu dem Höheren. Erst später kommen die H. herabwürdigenden Sagen von der Omphale etc. hinzu. Später war kaum ein Ort in Griechenland, wo er nicht einen Tempel od. eine Kapelle (Herakleion) od. heilige Haine hatte. Seine Feste heißen Herakleia u. wurden in Athen alle 5 Jahre gefeiert; außerdem in Sikyon, Theben, Lindos, auf Kos u.a. O.; in Böotien opferte man früher Schafe, später mit einem Wortspiel statt der Schafe (Mela) Äpfel (Mela), mit vier die Beine vorstellenden Hölzern; außerdem Eber, Widder etc., in Rom junge Stiere, trächtige Schweine, Meth, Brod etc.; in Lindos durfte man nur Verwünschung u. Worte von böser Vorbedeutung hören lassen; wer ein glückverkündendes Wort aussprach, hatte die heiligen Gebräuche verletzt. Zu Rom wurde jährlich die Einweihung des Herculestempels gefeiert, der an dem einen Ende der Flamininischen Rennbahn stand. Heilig waren ihm die warmen Quellen, die Wachteln, Quitten, der Ölbaum, der Epheu, eine Art Eiche, bes. die Silberpappel; geschmückt mit Zweigen derselben, die er am Acheron gebrochen hatte, soll er den Kerberos aus der Unterwelt herausgebracht haben. Man kränzte deshalb mit denselben ausharrende Helden u. Jünglinge in den Gymnasien. In Rom waren ihm auch die unterirdischen Schätze heilig; Leute, die reich werden wollten, od. es schon waren, weiheten ihm daher, 1/10 ihres Einkommens. Er galt sogar für den Hüter aller verborgenen Schätze. Bei den Sabinern hieß er Semo od. Semo Sancus, u. unter diesem Namen war ihm zu Rom schon in uralter Zeit ein Tempel geweiht, u. zwar als Gott der Treue, weshalb er auch Deus Fidius genannt worden sein soll. Abgebildet wird H. als das Ideal der Manneskraft, mit größter Gliederfülle, ernsten doch sanften Mienen, kurzem Haar, krausem Bart, festem Stand u. ruhigen Geberden. Die Löwenhaut u. Keule sind Embleme, die den übrigens nackten H. fast immer begleiten, die aber erst im 7. Jahrh. v. Chr. von Pisander dem H. beigelegt worden sein sollen. Unter den vorhandenen Herculesfiguren ist das Hauptstück der Farnesische H. (s.d.); ein ähnlicher, sehr schöner, findet sich im Palast Pitti in Florenz u. in Colorno bei Parma. Man findet ihn ferner vorgestellt im Kampfe mit dem Nemeischen Löwen, mit der Hydra, wie er sich selbst verbrennt. Ein Bruchstück von einem der größten Meisterstücke ist der Torso (s.d.). Beinamen des H. außer den oben genannten sind: Amphitryoniades, von seinem menschlichen Vater Amphitryon; Hippodetos, weil er in dem Kriege der Böoter gegen die Orchomenier deren Pferde u. Wagen durch Zusammenbinden verwirrt hatte; Agonios, als Stifter der gymnastischen Spiele; Palämon, der starke Ringer; Alexikakos u. Soter, Befreier von Noth u. Unheil; Anapanomenos, der von seiner Arbeit ausruht; Buphagos, der ganze Rinder verzehrt; Thymoleon, Löwenmüthiger; Musagetes, als Führer der Musen; Kallinikos (Victor), rühmlicher Sieger; Otäos, weil er sich auf dem Öta verbrannt hatte. Da die späteren Schriftsteller u. Mythendeuter die Thaten des H. für Einen zu viel achteten, so nahmen sie deren mehre an, Varro nimmt deren 43, Cicero 6 an.
Von dem orientalischen Herculesdienst hat[263] sich bes. der assyrische u. phönicische früh über Kleinasien u. den griechischen Archipel, hie u. da wohl auch bis an die griechischen Küsten verbreitet. Der assyrische H. war von Ninive u. Babylon nach Kleinasien gebracht u. hatte in Sardes, der Hauptstadt Lydiens, eine feste Stätte erhalten; dort soll 1222–716 v. Chr. eine Dynastie assyrischer Herakliden geherrscht haben. Der phönicische H., welcher in Tyrus u. den tyrischen Colonien als Melkart od. Makar verehrt wurde, verbreitete sich von da über viele Inseln u. Küsten der griechischen Gewässer (Kreta, Rhodos, Thasos, Cypern, Lesbos, nach Erythrä in Kleinasien) bis nach Sicilien u. an die Gaditanische Meerenge. In diesen orientalischen Culten tritt H. bes. als Sonnengott u. Sonnenheros hervor, sowohl in der symbolischen Naturbedeutung, als in der übertragenen ethischen. Dahin gehört sein Kampf mit dem Löwen, seine Selbstverbrennung auf dem Scheiterhaufen, von dem er von Neuem als Gott zum Himmel emporfährt, die Vorstellung seiner Fahrt in dem Sonnenbecher od. auf einem Floß etc. S. R. Rochette, Mémoires sur l'Hercule Assyrien et Phénicien, Par. 1848. Auch bei den Celten u. Germanen begegnet der Cultus des H., u. noch jetzt findet man viele Idole in deutscher Erde, die denselben knieend mit über dem Kopf geschwungener Keule darstellen. Hercules Magusanus u. H. Saxanus sind nach römischer Angabe Götter der Belgen, erster, auf Münzen u. Steinen vorkommend, hat in der Rechten einen Delphin, in der Linken eine Keule, welche in einer Gabel endigt, weshalb man ihn für einen Wassergott gehalten hat.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.