- Babylon [1]
Babylon, 1) (Babylonia, in der Bibel Sinear), Landschaft in Asien, zwischen Assyrien, Mesopotamien (von welchem Lande es durch die Medische Mauer getrennt war), Elymais, dem Persischen Meerbusen u. Arabien, also etwa die jetzigen Paschaliks Bagdad u. Bassra; der südliche Theil hieß Chaldäa (s.d., doch wird auch Chaldäa u. B. als gleichbedeutend gebraucht, da die Chaldäer das ganze Land inne hatten). B. ward vom Euphrat u. Tigris bewässert, u. Überschwemmungen des Euphrat, künstliche Seen u. zahlreiche Kanäle, namentlich der Königskanal (welcher den Euphrat u. Tigris verband), Marasares u. Pallakopas (welche aus dem Euphrat in die See führten), aus welchen das Wasser mit Maschinen auf die Felder geleitet wurde, verbreiteten Fruchtbarkeit. Natürliche Seen waren die Chaldaici lacus bei der Vereinigung des Euphrat u. Tigris. Hauptproducte: Weizen u. Gerste, Cenchrus u. Sesamum, Dattel- u. Palmenbäume, Cypressen, Nasturtium u. Erdharz. Die Ew. (Babylonier) waren aramäischen Stammes; sie werden oft Chaldäer genannt u. als erfahren in Wissenschaften u. Künsten (bes. in der Astronomie[119] u. Baukunst), überhaupt als für die damalige Zeit hoch cultivirt, aber auch schwelgerisch u. üppig geschildert. Berühmt waren die prächtig gewebten od. gestickten Teppiche (Babylonische Gewänder, Babylonica), vorzüglich aber eine Art seidener u. baumwollener Zeuge, die in Rom sehr gesucht waren, Parfümerien, Schnitzereien etc. Die Schifffahrt auf dem Euphrat, Tigris u. Persischen Meerbusen begünstigte den Handel u. erstreckte sich bis Ceylon. Kunststraßen führten nach Baktrien, Medien, Persien, Indien, Vorderasien u. Arabien. Ihre Religion war Sabäismus, u. Baal u. Baaltis die vorzüglich verehrten Gottheiten. Vgl. Münter, Die Religion der Babylonier, Kopenh. 1827. Die Priester waren die Chaldäer, welche aber nicht erblich waren, sondern sich aus dem Volke ergänzten; sie beschäftigten sich mit Astronomie u. Astrologie, schrieben die Reichsannalen u. wurden auch bei politischen Angelegenheiten zu Rathe gezogen. Jede Frau mußte einmal im Leben sich im Tempel der Gottheit einem Fremden überlassen. Schöne Mädchen wurden öffentlich versteigert, u. mit dem daraus gelösten Gelde die Häßlichen ausgestattet, damit sie auch Männer bekamen. Die Regierung war despotisch, der König war in seinem Palast unzugänglich u. von einer Menge Hofbeamter umgeben. Statthalter beherrschten die verschiedenen Provinzen. Gerechtigkeit ward streng geübt; Strafen waren: im glühenden Ofen verbrannt, in Stücken gehauen od. wilden Thieren vorgeworfen zu werden. Die Sprache der Babylonier war ein Zweig der Semitischen (s. Chaldäische Sprache), ihre Schrift war Keilschrift (s.d.). 2) (In der Bibel Babel), Stadt im südlichen Theile Babyloniens, am Euphrat, der sie in 2 Theile schied; erbaut, nach der Sage, von Belos, erweitert u. verschönert von Semiramis u. Nebukadnezar. Sie bildete ein längliches Viereck, dessen Umfang (nach Herodot) 12, nach Anderen nur 9 deutsche Meilen betrug; Rewel berechnet ihre Ew. auf 2 Mill.; eine 30 Fuß breite steinerne Brücke über den Euphrat, deren hölzernes Dach abgenommen werden konnte, verband beide Stadttheile; in dem westlichen Theile stand der Thurm des Belos (s. Babylonischer Thurm) u. der Palast der Semiramis (jetzt Trümmerhügel Mudjelibe); in dem östlichen, welchen erst die Chaldäischen Könige verschönerten, war Nebukadnezars Palast mit den berühmten Hängenden Gärten (j. die Hügel El Kasr u. Amran); eine angeblich 50 Ellen breite, 200 Ellen hohe Mauer (Babylonische Mauer), die in gewissen Zwischenräumen mit Thürmen versehen war u. vor sich einen Wassergraben hatte, vertheidigte sie. 100 Thore von Erz führten durch sie. Die geraden Straßen liefen mit dem Flusse parallel, andere durchkreuzten sie rechtwinkelig, wodurch Vierecke entstanden; doch war nach andern Berichten nicht aller Raum bebaut, sondern viel Platz zu Feld verwendet. Die Häuser, 3–4 Stock hoch, waren aus Backsteinen gebaut. Nach dem Untergange der früheren Babylonischen u. Assyrischen Monarchie ward B. durch Nabopolassar von Neuem der Sitz eines großen Reiches; Kyros nahm 538 v. Chr. B. durch Überrumpelung; die Medo-persischen Großkönige theilten ihren Sitz noch zwischen B. u. Persepolis; Darios Hystaspis ließ die Mauern niederreißen, u. Xerxes nahm die kolossale goldene Statue des Baal weg, Alexander d. Gr. starb daselbst; die Seleukiden endlich verlegten ihre Residenz aus B. in das nahe Seleucia. Seit dieser Zeit verfiel B., jetzt sieht man nichts als Trümmerhaufen, welche die Ufer des Frat in der türkischen Provinz Irak Arabi in Asien, nördlich von der Stadt Hella (Hillah), etwa 41/2 M. von Bagdad, bedecken; sie bilden Erdhügel, Wälle u. bes. 3 große Hansen zum Theil unzerbrechlicher Backsteinmauern (Mudjelibe, El Kasr u. Amran). Die Ziegel sind zum Theil mit Keilschrift od. mit Bildern von Sonne, Mond u. dgl. geziert. Auch findet man Basreliefs, denen von Persepolis ähnlich, u. Onyx mit Keilschrift, jedoch keine Münzen. 3) Da B. die Residenz Nebukadnezars, des Erzfeindes der Juden, war, u. diese in der Gefangenschaft daselbst reiche Erfahrungen von dortiger Religion u. Lebensweise gemacht hatten, welche ihnen im Vergleich zu der Religion u. dem Leben ihrer Väter als Götzendienst u. Sittenlosigkeit erschien, so gilt B. (Babel) in der Sprache des A. T. als der Sitz falscher Religion u. lasterhaften Lebens; in der prophetischen Sprache des N. T. (Offenbarung Johannis) steht B., besonders die Babylonische Hure, d.i. die der babylonischen gleiche Abgötterei, für das gesammte Heidenthum, besonders für das römische Reich, als Feind des Christenthums. Zur Zeit der Reformation wurde von den Protestanten u. später von einigen strenggläubigen protestantischen Secten mit dem Namen Römisches Babel die Römisch-katholische Kirche bezeichnet, weil, wie einst B. das Volk Gottes, so die Katholische Kirche die wahre Kirche Christi in Menschensatzungen gefangen halte u. die Gewissen der Gläubigen beschwere. Endlich wird auch eine Stadt od. ein Staat, wo Übermuth, Gottlosigkeit, Sittenverderben herrschend geworden ist u. Recht u. Gesetz mißachtet werden, bildlich ein Babel genannt, wie schon der Päpstliche Hof in seiner sittlichen Entartung, besonders von der Mitte des 15. Jahrh. bis in die Mitte des 16. Jahrh., selbst von katholischen Fürsten genannt wurde, vgl. Perdam Babylonem.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.