Proteĭnkörper

Proteĭnkörper

Proteĭnkörper, eine Gruppe organischer, stickstoffhaltiger Körper; sie sind indifferent, nicht flüchtig; im trockenen Zustand alle fest u. geben durch Kochen keinen Leim. Sie finden sich im Thier- u. Pflanzenreich sehr verbreitet, theils amorph, theils organisirt, theils gelöst, einige hat man auch krystallisirt in der Natur angetroffen, manche sogar künstlich krystallisirt erhalten. Die meisten P. kommen in zwei Modificationen, in einem löslichen u. einem unlöslichen od. schwerlöslichen Zustand, vor; im ersteren finden sie sich bes. in thierischen Säften, im letzteren werden sie meist durch Kochen od. durch Säuren übergeführt. Die lösliche Modification bildet im trockenen Zustande eine schwach gelbliche, durchscheinende, geruchlose Masse ohne eigenthümlichen Geschmack, ist in Wasser löslich, in Alkohol u. Äther unlöslich. Aus der wässerigen Lösung wird sie durch Alkohol gefällt u. dadurch gewöhnlich unlöslich in Wasser. Die wässerige Lösung reagirt in Folge beigemengter Alkalien od. Säuren schwach alkalisch od. sauer; die meisten Metallsalze geben Niederschläge, Alkalien fällen sie nicht, wohl aber Mineralsäuren, außer gewöhnlicher Phosphorsäure, u. Gerbsäuren. In die unlösliche Modification, den geronnenen, coagulirten Zustand, werden sie meistens durch Kochen, einige durch Essigsäure, fast alle durch Mineralsäuren übergeführt; die Verbindungen der P. mit Mineralsäuren sind in reinem Wasser löslich, in säurehaltigem unlöslich; durch Neutralisiren der Säure mit einer Basis gehen sie nicht wieder in die lösliche Modification über. Auch beim Fällen der P. durch Salze gehen sie oft in den unlöslichen Zustand über. Die unlöslichen P. sind weiß, frisch gefällt flockig u. klumpig od. zäh u. leimartig, geruch- u. geschmacklos, ohne Reaction auf Pflanzenfarben; sie sind unlöslich in Wasser, Alkohol u. Äther, löslich in Alkalien u. werden durch Neutralisiren mit Säuren wieder ausgefällt. Concentrirte Essigsäure u.a. organische Säuren, sowie gewöhnliche Phosphorsäure, lösen sie sämmtlich auf, gelbes u. rothes Blutlaugensalz fällen sie aus diesen Auflösungen. Mineralsäuren verbinden sich mit ihnen, u. diese Verbindungen sind in säurehaltigem Wasser nicht wohl aber in reinem Wasser löslich, nachdem sie vorher gallertartig aufgequollen sind; durch concentrirte Schwefelsäure werden sie zersetzt. Concentrirte Salpetersäure färbt sie intensiv gelb, concentrirte Salzsäure bei gelinder Wärme u. Luftzutritt allmälig intensiv blau. Das empfindlichste Reagens auf P. ist nach Millon eine Auflösung von salpetersaurem Quecksilberoxydul, welche salpeterige Säure enthält; erwärmt man die damit versetzte Flüssigkeit auf 60–100°, so erhält man eine intensiv rothe Färbung. Durch Jodlösung werden sie gelb od. braun, durch Zucker u. Schwefelsäure schön roth gefärbt. Die P. sind leicht u. wegen ihrer complicirten Zusammensetzung in mannichfacher Weise zersetzbar; die dabei auftretenden Producte sind in den meisten Fällen nicht näher bekannt.[636] In Bezug auf diese Zersetzungsproducte ist es wesentlich, daß durch Fäulniß, durch heftig oxydirende Mittel, sowie durch starke Mineralsäuren od. Alkalien zum Theil dieselben, od. wenigstens leicht auf einander zurückführbare Substanzen gewonnen werden. Bei längerem Kochen mit Schwefelsäure od. Salzsäure erhält man Leucin, Tyrosin u. Leucosin; Ätzkali liefert beim längeren Kochen od. beim Schmelzen mit P-n ebenfalls Leucin u. Tyrosin, zum Theil auch Spaltungsproducte des Leucins, wie Baldriansäure, Kohlensäure u. Ammoniak. Bei der Fäulniß u. Verwesung bilden sich wiederum Leucin, Tyrosin u. deren Zersetzungsproducte, ein eigenthümliches Gas von Fäcalgeruch, welches auch bei der Behandlung von P-n mit Ätzkali entsteht; ferner ein krystallinischer, stickstoffhaltiger, sehr flüchtiger Körper, welcher von Schwefelsäure u. Salzsäure rosenroth gefärbt wird u. stark fäulnißartig riecht, eine Anzahl niederer Säuren aus der Reihe der lipogenen Säuren, Ammoniak, Schwefelammonium, Kohlensäure, Wasserstoff u.a. Beim Kochen mit Königswasser werden die P. in vier Materien gespalten, es entstehen nämlich: Chlorazol (s.d.), dann eine zähe, halbflüssige Masse, C24 H12 Cl3 NO8, welche sich an der Luft bräunt, etwas nach bitteren Mandeln riecht u. sehr bitter schmeckt; sie löst sich wenig in Wasser, leichter in Alkohol u. Äther. Ferner ein braunrothes aromatisches saures Öl, C28 H18 Cl3 NO18, u. endlich Fumarsäure. Ozon trübt Lösungen von P-n, später wird unter Schäumen die Masse wieder klar, sie gerinnt nun durch Kochen nicht mehr, gibt mit Säuren u. den meisten Metallsalzen keinen Niederschlag, verhält sich also ähnlich wie eine Peptonlösung. Bei der Verdauung erleiden alle P. durch das Pepsin der Magendrüsen in Verbindung mit etwas Säure eine eigenthümliche Umwandlung in die sogenannten Peptone, welche im Blute wieder in P. zurückgeführt werden. Die Krystallisirbarkeit der P. ist erst in neuerer Zeit von einigen P-n erkannt worden, nachdem dieselbe früher allgemein in Abrede gestellt worden ist. Die ersten Proteïnkrystalle entdeckte Reichert auf der Oberfläche der Placenta u. den Hüllen eines Meerschweinchenfötus, später beobachteten Funke u. Lehmann die Krystallisirbarkeit des Inhalts der Blutkörperchen (s. Krystallsubstanz des Blutes) u. Lehmann lehrte solche Blutkrystalle im Großen künstlich darstellen. Sehr große Schwierigkeiten macht das Umkrystallisiren dieser Blutkrystalle. Auch die Dotterblättchen verschiedener Amphibien u. Fische sind als wahre Krystalle erkannt worden; Hartig entdeckte in den Samen mancher Pflanzen Proteïnkrystalle, Radlkofer in den Samenknospen von Lathräa, theils frei liegend, theils als Körner in den Zellen eingeschlossen. Die Proteïnkrystalle gehören verschiedenen Krystallsystemen an u. weichen in vielen Eigenschaften von den gewöhnlichen Krystallen ab.

Alle P. enthalten Schwefel, einige auch Phosphor, der Schwefel ist aber zum Theil in einem Zustand in ihnen vorhanden, in welchem er durch die gewöhnlichen Mittel nicht erkannt werden kann. Diese Eigenthümlichkeit führte Mulder zu der Annahme eines schwefelfreien Bestandtheiles aller P., welchen er Proteïn nannte. Dieses Proteïn erhält man nach Mulder durch Digestion von P-n mit Ätzkali, längeres Aussetzen der Lösung an die Luft, bis alle Schwefelreaction verschwunden ist, u. endlich Fällen mit Essigsäure. Anfänglich stellte Mulder für das Proteïn die Formel C40 H31 N5 O12 auf, welche später in C36 H25 N4 O10 umgeändert wurde; er nahm an, daß in den verschiedenen P-n das Proteïn mit verschiedenen Mengen Schwefel u. Phosphor verbunden u. dadurch die Unterschiede in den Eigenschaften der verschiedenen P. bedingt seien; nach dieser Ansicht war: 10 Prot. + SP = thierischer Faserstoff, 10 Prot. + S2 P = Eiweiß des Blutserums, 10 Prot. + S = Käsestoff der Kuhmilch, 15 Prot. + S = Krystallin, 10 Prot. + S2 = Pflanzenleim, 10 Prot. + SP = Eiereiweiß. Nach Mulder bildet das Proteïn zwei Oxyde, das Proteïnprotoxyd (1 Äquivalent Proteïn mit 1 Äquivalent Sauerstoff) u. das Proteïntritoxyd (1 Äquiv. Proteïn mit 3 Äquiv. Sauerstoff), das Hydrat des ersteren ist die früher als Proteïndeutoxyd unterschiedene Verbindung; das Proteïntritoxyd ist wohl mit dem sogenannten Pyin identisch. Diese Oxyde geben mit der Millon'schen Quecksilberlösung keine Reaction, sie scheinen demnach kein unzersetztes Proteïn zu enthalten. Liebig u. Laskowski fanden später, daß die Darstellung eines schwefelfreien, aber sonst unzersetzten Proteïns unmöglich sei, wovon sich auch Mulder überzeugte, den Schwefelgehalt seines Proteïns aber für eine zufällige Beimengung hielt. Er nahm mit seiner Proteïnlehre noch die Veränderung vor, daß er die P. nicht als Verbindungen von Proteïn mit Schwefel u. Phosphor, sondern mit Sulphamid u. Phosphamid in verschiedenen Verhältnissen ansah, eine Ansicht, welche wenig Anklang gefunden hat, u. welcher chemische Thatsachen widersprechen. Liebig gelangte später zu der Annahme, daß die Verschiedenheit der einzelnen P. nicht sowohl in der Verschiedenheit ihrer elementaren Zusammensetzung beruhe, als vielmehr auf Beimengungen von Alkalien, Säuren od. Salzen, welche die physikalischen u. chemischen Eigenschaften der P. modificiren. Doch ist die Frage über die Ursachen der allgemeinen Übereinstimmung u. die speciellen Unterschiede der einzelnen P. noch nicht erledigt. Dies hat seinen Grund darin, daß es überaus schwer ist, die P. chemisch rein darzustellen, da sie meist mit anderen Substanzen, namentlich mit Salzen od. Basen, verbunden vorkommen u. nur selten krystallisirt erhalten werden können; sodann weil sie höchst complicirte Verbindungen sind u. sehr leicht der Zersetzung unterliegen; endlich aber weil sich ihre Sättigungscapacität nicht od. nur sehr unsicher bestimmen läßt, da sie sich mit den zu Atomgewichtsbestimmungen verwendeten Stoffen entweder gar nicht od. in sehr mannichfachen Verhältnissen vereinigen. Wahrscheinlich gehören die P. zu den gepaarten Verbindungen, u. von den Hypothesen, welche über die rationelle Constitution derselben aufgestellt worden sind, verdienen die, zumeist auf physiologische u. pathologische Erfahrungen gegründeten Ansichten besondere Beachtung, daß die P. Kohlenhydrate od. Fette neben sehr stickstoffreichen Materien enthalten.

Die P. kommen sowohl im Thierreich, als auch im Pflanzenreich in weitester Verbreitung vor u. sind für das Leben der Thiere, wie der Pflanzen von der größten Bedeutung. Bei den Pflanzen erscheinen sie in jeder lebensfähigen Zelle, entweder im Zellsaft gelöst od. als schleimig körnige od. körnige Masse, selten krystallisirt; sie nehmen nicht Theil an der Bildung der Pflanzengewebe, finden sich aber häufig unter den incrustirenden Materien. Im Thierreich treten sie als Hauptbestandtheil des Blutes, des Nervensystems[637] u. der Muskeln auf. Sie scheinen nur von den Pflanzen gebildet u. durch diese in den thierischen Organismus übergeführt zu werden, wo sie aber eigenthümliche Modificationen erleiden, welche noch nicht völlig bekannt sind. Als Nahrungsmittel sind sie für den thierischen Organismus die allerwichtigsten, sie betheiligen sich namentlich an der Blut- u. Gewebebildung u. es besteht in Betreff der Ernährung durch Pflanzen- od. Thierproteïnstoffe kein Unterschied, beide müssen zu denselben thierischen Substanzen umgewandelt werden, denn die P. im Körper der Pflanzenfresser sind genau dieselben, wie die der Fleischfresser. Da die P. die wichtigsten Blutbestandtheile bilden u. aus ihnen alle thierischen Elementarorgane entstehen, so hat man sie Blutbilder, plastische Nahrungsstoffe, genannt, zum Unterschied von den respiratorischen Nahrungsstoffen, zu denen die Kohlenhydrate u.a. stickstofffreie Substanzen gehören. Zu den P-n gehören folgende Substanzen: a) lösliche P., Eiweiß (Albumin), Käsestoff (Caseïn), Krystallin (Proteïnstoff der Krystalllinse), Hämatoglobulin, Hämatokrystallin (Krystallsubstanz des Blutes), P. des Eidotters, Blutfaserstoff (Blutfibrin), Muskelfaserstoff (Syntonin), proteïnartige Fermentstoffe; b) unlösliche P. sind, außer den in den unlöslichen Zustand übergeführten löslichen P-n, Pflanzenleim, Kleber u. eine Anzahl im lebenden thierischen Körper vorkommende Substanzen, wie sie z.B. als Gewebsbestandtheile in den Muskelfasern etc. auftreten, welche aber bis jetzt noch nicht genügend scharf von einander getrennt sind.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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