- Puls [2]
Puls (Pulsus), das an gewissen äußeren Stellen des Körpers des Menschen so wie aller Thiere der höheren Ordnungen mit den Fingern wahrnehmbare, innere, in gewissen kurzen Zeiträumen wiederkehrende Klopfen, Anschlagen u. Stoßen des in dem Körper sich bewegenden Blutes. Am merkbarsten ist diese Erscheinung als Herzschlag (Herzpuls, Herzstoß, P. s. Ictus cordis) u. die erste, so wie die ausdauerndste Andeutung des Lebens aller mit einem Herz begabten Thiere. Der Herzpuls ist die fühlbare, oft auch sichtbare u. selbst hörbare Erschütterung u. Erhebung eines Theils der Brustwand des fünften linken Zwischenrippenraums, hervorgerufen vom stärkeren ruckartigen Anpressen der vorderen Fläche des durch Zusammenziehung prall u. kugelig gewordenen Herzens an die Brustwand. Da das Herz auf dem Zwerchfelle ruht u. mit dessen Auf- u. Niedersteigen sich hebt u. senkt, so verändert der Herzstoß bei dem Einathmen seine Stelle. Die Stärke des Herzpulses ist auch im gefunden Zustande sehr verschieden. Der Herzpuls kann regelmäßig od. unregelmäßig, intermittirend od. intercurvirend sein u. ist, wie seine Stärke, häufig nur von Nerveneinwirkungen abhängig. Der Herzpuls ist wohl zu unterscheiden von den Herztönen (s.d.). – Der Arterienpuls entsteht durch die mechanische Ausdehnung der elastischen Arterienwand durch das Blut, welches in Folge der Zusammenziehung der Ventrikel in die vollen Arterien getrieben wurde. Diese Ausdehnung geschieht in die Länge (wodurch sich die Arterien schlängeln) u. in die Breite (wodurch sie sich erweitern). Diese Erweiterung u. Schlängelung der Arterien beim Pulsiren ist fühlbar u. auch sichtbar, deren Verengerung u. Streckung aber, welche bei nachlassendem Drucke vom Herz her (bei der Herzdiastole) in Folge der Contraction der elastischen Arterienwand erfolgt, wenigstens im Normalzustande nicht. Dieses Klopfen setzt sich von den größeren Arterienstämmen bis zu den Ästen u. Zweigen fort u. schwindet blos (in gesundem Zustande) in den seinen Verästelungen der Arterien. Im Leben ist dies Klopfen an solchen Stellen unterscheidbar, wo Arterien unmittelbar unter den Hautdecken fortlaufen, od. doch denselben nahe kommen. Ersteres ist bes. oberhalb der Handwurzel, über der Einfügung des Mittelknochens des Daumens der Fall, wo in der Regel die Speichenarterie zwischen der Speiche u. der Flechse des Beugemuskels der Hand auf der Speichenseite läuft. Diese Stelle wird daher auch von Ärzten gewöhnlich zum Pulsfühlen benutzt. Außerdem aber ist auch das Pulsiren der Schläfearterien an den Schläfen, der eigentlichen Gesichtsarterie, wo sie über den Rand des Unterkiefers weg, zu dem Gesicht aufsteigt, auch der Kniekehlarterie, durch Auflegen des Fingers wahrnehmbar. Von größeren Arterien fühlt man mit Leichtigkeit, bei etwas stärkerem Fingerdruck, das Klopfen der gemeinschaftlichen Kopfarterie zur Seite des Kehlkopfs, eben so das der Armarterie an der Stelle, wo sie unter dem Schlüsselbein hervortritt, u. der Schenkelarterie in der Schenkelbeuge, zumal bei mageren Personen. Außer durch Auflegen des Fingers ist starkes Pulsiren auch durch die fühlbare Erhebung der Haut darüber, od. auch das eigene Gefühl in der klopfenden Stelle wahrnehmbar, letzteres bes. bei Entzündungen, wo auch die kleineren Arterien pulsiren. Auch ist beim Übereinanderschlagen der Füße im Sitzen, wo der eine Fuß auf dem Knie des andern ruht, durch eine geringe Erhebung der Fußspitze des übergeschlagenen Fußes das Pulsiren dem Auge ersichtlich. In ungestörten Lebensverhältnissen hat der P. einen gewissen Rhythmus, d. i. die Zwischenräume zwischen jedem P., so wie die Stärke jedes P-es sind sich gleich; aber eine Menge äußerer u. innerer Einflüsse wirken ein, um diesen Rhythmus zu modificiren, od. auch ihn ganz aufzuheben. Hierauf beruht zuvörderst der Begriff eines Normalpulses, d. i. eines P-es, wie er in völlig gesundem Zustande u. bei ruhigem Verhalten beschaffen ist. Hier tritt aber auch schon eine Verschiedenheit ein, daß in dem Verhältniß, als die Irritabilität bei einzelnen Menschen eine größere od. geringere ist, auch das Herz mit den Arterien in einer gegebenen Zeit häufiger od. seltener u. auch mit mehrerer od. minderer Stärke pulsirt. Man kann im Allgemeinen die Zahl der Pulsschläge in den mittleren Jahren zu 75 in einer Minute annehmen; dagegen schlägt bei einem neugeborenen Kinde der P. 130–140 mal, im ersten Lebensjahre aber 120 mal, im zweiten u. dritten Jahre zwischen 90 u. 110 mal, von da bis zum siebenten Jahre 90–85 mal, bis zur Zeit des geendigten Wachsthums aber 80 mal in der Minute; bei Greisen verringert sich die Zahl bis zu 70, 65, od. auch nur 60. Doch bilden Verschiedenheiten des Temperaments der regeren od. ruhigeren Lebensart etc. auch hier Unterschiede. Beim weiblichen Geschlecht ist der P. im Allgemeinen schwächer, aber schneller. Aber schon in gesundem Zustande wirken[686] eine Menge Einflüsse auf Beschleunigung des P-es ein. Jede lebhafte Körperbewegung vermehrt die Zahl der Pulsschläge vielleicht um das Doppelte u. drüber, so auch aufregende Gemüthsaffecten, Freude, Angst, Schrecken obgleich auch Übermaß dieser geistigen Anregungen auch den P. ganz zum Stocken bringen können (vgl. Ohnmacht), der Genuß berauschender Getränke; auch während der Verdauung, bes. nach einer reichlichen Mahlzeit, schlägt der P. häufiger. Im Allgemeinen ist der P. in den Abendstunden ein häufigerer, als des Morgens, u. am langsamsten des Nachts im Schlafe. Äußerst abweichend ist die Zahl der Pulsschläge bei den Thieren. Den langsamsten P. haben kaltblütige Thiere; die Landschildkröte hat kaum 13, die Viper etwa 28 Pulsschläge in der Minute, die Aale etwa 30, Frösche doch schon 60. Unter den warmblütigen Säugethieren haben die größeren im Durchschnitt auch langsameren P., Pferde nur gegen 40, Rinder zwischen 40 u. 50, Widder u. Schafe zwischen 60 u. 70 Schläge in der Minute; höchst verschieden ist die Zahl der Pulsschläge bei Hunden im Allgemeinen von 80–100; bei Tauben schlägt er über 10mal in der Minute; bei kleinen Vögeln, auch bei Mäusen ist er kaum zu zählen.
Der P. in seinen mannigfaltigen Verschiedenheiten u. Abweichungen hat von den ältesten Zeiten an, bes. aber in den Galenschen Schulen, als eines der hauptsächlichsten Zeichen in Krankheiten gegolten, um daraus nicht nur einen vorhandenen Krankheitszustand zu erkennen, sondern auch für den ferneren Gang derselben eine Prognose zu stellen, u. die Orientalen halten noch jetzt es für völlig ausreichend, dem Arzt den P. fühlen zu lassen, um ihn die Krankheit vollständig erkennen zu lassen. Auch der rationelle Arzt läßt den P. in Krankheiten nicht unbeachtet, bringt aber die mannigfaltigen Einflüsse, welche Veränderungen in dem P. bewirken, in Anschlag u. verbindet immer zugleich die anderweitigen Zeichen in Krankheiten damit, aus deren Complex allein er ein richtiges Bild von einer Krankheit u. ihrem Verlauf erhält. Früher unterschied man eine große Menge Verschiedenheiten des pathologischen P-es u. die Hauptpulsarten sind a) der Zeit nach der häufige P. (Pulsus frequens). wenn diese Zahl die des normalen P-es bedeutend übersteigt; da er der gewöhnliche Begleiter des Fiebers ist, so bezeichnet man ihn auch als Fieberpuls; die Frequenz kann bis zu 140 Schlägen u. darüber in der Minute sein; 180 bis 200 Schläge in derselben sind nicht mehr zu zählen u. es ist der P. nur als eine zitternde Erschütterung fühlbar; man ermißt die Stärke u. daher auch die Gefahr eines Fiebers aus der Zahl dieser Schläge; der seltene P. (P. rarus), welcher weniger Schläge als der Normalpuls macht; er kann auf 24, 16, ja wohl nur 9 Schläge in der Minute sinken; der schnelle P. (P. celer), ist schwer zu erkennen, u. kaum von dem starken zu unterscheiden, ist gewöhnlich mit dem häufigen verbunden, so wie der langsame P. (P. tardus), dessen Gegensatz; b) nach Kraft der einzelnen Pulsschläge; der starke P. (P. fortis), u. der schwache P. (P debilis); c) dem Rhythmus nach: ein gleicher P. (P. aequalis), welcher als regelmäßig immer ein gutes Zeichen ist, wogegen der unregelmäßige P. (P. inaequalis) auf verschiedene Art vorkommt u. überhaupt als böses Zeichen gilt. Zuerst gehört hierher der aussetzende P. (P. intermittens od. intercurrens), wobei von Zeit zu Zeit ein Pulsschlag der 3., 5. etc., bisweilen in der Zahl noch bestimmter ausbleibt u. nun gewöhnlich bis zum wieder eintretenden die doppelte Zeit verfließt; er gilt gewöhnlich für ein schlimmes ja tödtliches Zeichen; weniger bedenklich ist er in Brust- wie in Unterleibskrankheiten aller Art, bei Krankheitsanlagen, wie bei Hypochondristen, eben so in späteren Lebensjahren, ja bei mehren Personen als eine Eigenheit, bei welcher ein leidlicher Gesundheitszustand bestehen kann. Der doppelschlägige P. (P. dicrotus, P. intercisus), bei welchem auf zwei schnelle Schläge eine Pause folgt, indem außer der Erweiterung der Arterien auch die Zusammenziehung derselben sich dem Gefühle bemerkbar macht. Die Pulslehre selbst heißt Sphygmologie od. Ars sphygmica. Vgl. Formey, Versuch einer Würdigung des P-es, Berl. 1823; Götz, De pristina atque nova pulsus doctrina, Lpz. 1848.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.