- Punkt
Punkt (v. lat. Punctum), 1) Stich; 2) ein mit einem spitzigen Instrument gemachter kleiner runder Fleck; 3) im Hebräischen so v.w. Vocalzeichen, s. Hebräische Sprache; 4) in den europäischen Sprachen, außer der griechischen, steht der P. (in der gothischen Schrift zwei) über dem i, u. zwar kommt er seit dem 14. Jahrh. so in Handschriften vor, während seit dem 10. Jahrh. statt dessen ein Strich (í) darüber gesetzt wurde. Die Bezeichnung des i dient daher mit als Kriterium des Alters der Handschriften. Sonst schrieb man auch die Ziffer 1 mit einem übergesetzten P. (i, ij, iij); auch in der späteren Runenschrift werden Punkte gebraucht, um Modificationen der Laute anzuzeigen, s. u. Runen; 5) als Interpunctionszeichen in Inschriften hinter jedem einzelnen Worte gesetzt, um es von dem folgenden zu trennen, weil man ohne abzusetzen fortlaufend in den Zeilen schrieb; dann auch hinter einzelnen Buchstaben, um anzudeuten, daß es abgekürzte Wörter sind; z.B. A. (Aulus), C. (Cajus) etc.; als eigentliches Interpunctionszeichen aber steht es am Ende[697] eines vollständigen Satzes; daher 6) ein ganzer Satz; ein in einem solchen Satze ausgesprochener Gedanke; daher in puncto, im Betreff, in puncto puncti, scherzweise in Betreff einer (verdächtigen) Sache; in puncto sexti, in Betreff des sechsten (Gebotes); 7) in der Notenschrift bedeutet es über den Noten, daß die damit bezeichneten Noten kurz abgestoßen werden sollen, u. ist in dieser Art von dreierlei Wirkung, je nachdem seine Form verschieden ist: der gewöhnliche P. über Viertel-Noten zeigt an, daß dieselben wie Achtel mit Achtel-Pausen vorgetragen werden sollen; der Strichpunkt stößt die Noten ganz kurz wie Sechzehntheile; der P. mit dem Bogen darüber zeigt an, daß die Noten weder gestoßen noch gezogen, sondern in wellenförmiger Art vorgetragen werden sollen. Bei Streichinstrumenten müssen die auf letztere Art bezeichneten Noten auf einen Strich des Bogens, beim Gesang u. Blasinstrumenten aber in einem Athem vorgetragen werden; diese Vortragsart heißt Piquiren (Pikiren). Hinter den Noten u. Pausen verlängert er die Note od. Pause um die Hälfte des eigentlichen Werthes; setzt man auf diese Art zwei Punkte hintereinander, so gilt der zweite P. die Hälfte der ersten; 8) geometrischer P., die Grenze einer Linie, folglich, da die Linie nur eine Ausdehnung nach der Länge hat, ist der P. etwas ohne alle Ausdehnung. Die beiden Punkte, welche eine endliche Linie begrenzen, heißen auch ihre Endpunkte; da der P. einfach u. untheilbar ist, so entzieht er sich nach Größe u. Gestalt aller mathematischen Betrachtung, nur seine Lage kommt in Betracht, u. zwar ist diese in der Geometrie fast durchgehends dadurch bestimmt, daß der betreffende P. als Schneidungspunkt zweier Geraden gegeben ist, zu Folge des Grundsatzes, daß sich zwei Gerade nur in einem P. schneiden. Dasselbe Princip liegt zu Grunde, wenn in der analytischen Geometrie der P. durch zwei Coordinaten (in der Ebene) od. durch drei Coordinaten (im Raume) gegeben ist; 9) Zeichen der Multiplication, s.d.; 10) eine kleine Stelle, in welcher weder Länge, Breite noch Dicke in Betracht kommt, z.B. der P. eines Nadelstiches. In dieser Hinsicht ist jeder P. theilbar. Selbst Berührungspunkte sind nur ideell als untheilbar gedacht, da es immer auch bei der Berührung mit der feinsten Nadelspitze eine kleine Fläche ist, welche zur Berührung kommt; 11) ein bestimmter od. momentaner Zeitraum; 12) Maß, in Baden sind 10 Punkte = 1 Linie.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.