- Schöpfung
Schöpfung, 1) so v.w. Erschaffung, Hervorbringung einer vorher nicht dagewesenen Sache. Im eminenten Sinne nimmt die Theologie das Wort, wenn sie Gott als Schöpfer bezeichnet, insofern dadurch die Hervorbringung alles dessen, was ist, aus Nichts als ein Wert der göttlichen Allmacht bezeichnet wird. Man spricht jedoch auch von der S. eines Kunstwerkes, einer politischen Einrichtung u. anderer Producte menschlicher Thätigkeit, wenn sie etwas Neues, vorher nicht Dagewesenes sind; 2) das Produkt der schöpferischen Thätigkeit, so nennt man z.B. eine Armee die S. eines großen Feldherrn, einen Staat die eines großen Regenten etc. Häufig versteht man unter dem Worte S., wenn es ohne Zusatz gebraucht wirb, 3) die Gesammtheit aller vorhandenen Dinge, das Weltall. Die verschiedenen Vorstellungsarten, welche in verschiedenen Religionen od. philosophischen Systemen über dessen Entstehung sich gebildet haben, nennt man Schöpfungsgeschichten (Kosmogonieen); ihre Darstellung, je nachdem sie in der Form phantastischer Bilder, unbefangener Glaubenslehren od. als Resultate wissenschaftlicher Reflexionen auftreten, fällt der Mythologie, der Religionsgeschichte u. der Geschichte der Philosophie an Heim. Die morgenländischen Schöpfungsansichten nehmen theils einen Weltschöpfer, theils einen Bildner der Dinge aus einer vorher schon existirenden Materie od. einem Chaos an (s. Indische Religion, Chaldäa, Ägyptische Mythologie). Nach der hebräischen im 1. Auch Mosis erzählten Schöpfungsgeschichte (daher Mosaische Schöpfungsgeschichte) war vor dem Beginn unserer Erde u. des darüber ausgebreiteten Himmels eine wüste, unförmliche Masse, umfluthet von einem dunkelen Meere; der Geist Gottes bewegte sich auf dem Wasser. Die S. der Dinge begann der göttliche Geist mit dem Licht. welches von der Finsterniß geschieden wurde; damit begann die Trennung der Elemente (Luft, Erde u. Wasser), welche in verschiedene Regionen gestellt wurden; die höheren Luftregionen heißen der Himmel, die gesammelten Wassermassen das Meer, das durch das Ablaufen des Wassers trocken Gewordene die Erde u. Alsbald erhielt jede Region organische Wesen nach seiner Art; die Erde Gräser u. Bäume, vierfüßige Thiere u. Gewürm; das Wasser Fische u. die Luft Vögel. Mitten unter diese S-en der Elementarkräfte wird die der Gestirne (Sonne, Mond u. Sterne) gestellt; sie treten nicht als wirkende Ur, lachen im Reich der S. auf, sondern werden geschaffen u. beherrschen hier nur, als Könige der Zeiten, einen durch sich selbst organischen Kreis. Nachdem so Alles geordnet u. mit Geschöpfen erfüllt war, schuf Gott nach seinem Bilde den Menschen, Anfangs den Mann (Adam), u. zwar aus Erde, welchem er einen lebendigen Odem einhauchte, das Weib (Eva) aber, indem er aus dem Körper des schlafenden Mannes eine Rippe nahm u. daraus ein neues Wesen formte. Eigenthümlich ist dieser Schöpfungsgeschichte noch die Vertheilung der einzelnen Werke in sechs Tage. Vgl. Gabler, Neuer Versuch über die mosaische Schöpfungsgeschichte. Altona 1795; Butimann in der Neuen berliner Monatsschrift. 1804, S. 187 ff. Der strenge Begriff einer Weltschöpfung aus Nichts, kommt in der ganzen antiken Philosophie gar nichts vor, indem diese an dem Satze festhielt, daß das, was ist, als unentstanden u. unvergänglich zu denken sei. Wo, wie bei Plato, die Wirksamkeit Göttes als weltbildende aufgefaßt wurde, wurde die Materie, der an sich unbestimmte gestaltungsfähige Stoff, Gotte als dasjenige gegenüber gestellt, woraus er die Welt gebildet, in welches er die Ordnung u. Schönheit derselben hineingebaut habe. Aber indem dieser an sich unbestimmte Stoff als ein relativ Nichtseiendes bezeichnet wurde, lag darin für die christliche Philosophie der Kirchenväter, für welche auf Grundlage der Mosaischen Schöpfungsgeschichte der Begriff Gottes als Schöpfer des Weltalls feststand, die Veranlassung den Begriff einer S. aus Nichts schärfer zu formuliren u. das relative Nichts (Nihil privativum) in ein absolutes (Nihil positivum) zu verwandeln. Dabei wurde vielfach darüber gestritten, ob Gott die Welt aus einem vorliegenden Stoffe (ex materia praejacenti) od. nicht, ob er sie von Ewigkeit od. in der Zeit, geschaffen habe, ob er eine andere Welt hätte schaffen können, als er wirklich geschaffen hat od. nicht etc. Demgemäß wurde auch die Erhaltung der Dinge[392] als eine ununterbrochen fortgesetzte S. (Creatio continua) aufgefaßt. In den pantheistischen Systemen (s. Pantheismus) tritt an die Stelle des Schöpfungsbegriffes entweder der der Emanation (sd.) od. der eines immanenten Processes des Absoluten, gleichviel ob derselbe als Manifestation od. Differenzirung od. Potenzirung bezeichnet wird. Den verschiedenen Versuchen, das Dogma von der S. aus Nichts mit der pantheistischen Immanenz Pottes in der Welt zu vereinen, steht die logisch unüberwindliche Schwierigkeit entgegen, daß das erstere auf die Verschiedenheit des creatürlichen Seins von dem göttlichen das größte Gewicht legt, während die letztere die Welt für eine Selbstdarstellung des göttlichen Wesens erklärt.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.