Stereotypen

Stereotypen

Stereotypen (v. gr., feste Buchstaben), 1) Abformungen von Letternsatz in Schriftmetall od. einem anderen geeigneten Material, um davon Abzüge zu machen. Schon längst strebten die Buchdrucker ein Mittel zu erfinden, daß der Satz fest stehen bliebe, namentlich um so das Setzerlohn bei späteren Auflagen zu ersparen u. doch nicht Gefahr zu laufen bei großen, möglicher Weise liegen bleibenden Auflagen das Druckerlohn u. die Kosten für Papier vergebens aufgewendet zu haben. Schon das Abklatschen (s.d.) war ein Versuch dieser Art. J. van der Mey lieferte, von zwei Deutschen unterstützt,[786] zu Ende des 17. Jahrb. die stehende Schrift zu einer holländischen Bibel; Ged, ein Goldschmied zu Edinburgh, um 1731 stehende Platten des Sallust; Finner u. James zu London desgleichen um 1730 Bibeln u. Gebetbücher für Cambridge; der Amtmann Hoffmann im Badenschen lieferte um 1787 stehende Platten; Tilluch u. Foulis druckten 1782 eine Anabasis mit dergleichen u. auch die Druckerei der Cansteinschen Bibelanstalt in Halle löthete ihre Schriften unten zusammen. Das Zusammenlöthen od. Zusammenkitten der Lettern selbst bildet den Übergang zur eigentlichen Stereotypie, welche die Holländer zuerst gekannt zu haben behaupten, welche jedoch erst später vervollkommnet u. allgemein angewendet wurde. Erst F. Didot wendete die S. 1794 bei Logarithmentafeln an u. gab ihnen den Namen S. Er klatschte seine ersten S. von Bleimatrizen, wie schon früher geschah, ab; die Bleimatrizen aber stellte er dadurch her, daß er den aus etwas härteren Lettern gesetzten Satz in einer kräftigen Presse in Bleiplatten abdruckte, da aber nur 1/5 der gegossenen Platten tauglich u. diese dazu noch schlecht waren, nahm Didot die unterdessen von Stanhope gemachten einfacheren Vorschläge an (s. unten). Von beiden Verfahren verschieden war das des Buchdruckers L. S. Herhan in Paris, welcher mit Errard u. Renouard, unter dem Beirath des Grafen von Schlaberndorf, kupferne Lettern, in welche aber die Schriftzeichen vertieft u. nicht verkehrt eingeschnitten waren, anfertigen ließ. Aus diesen Lettern wurden die Columnen gesetzt u. in Schriftzeug abgegossen; obschon so die Bleimatrize erspart war, ist dieses Verfahren doch zu kostspielig. Auch Senefelder erdachte ein besonderes Verfahren; er ließ nämlich die Columnen wie gewöhnlich setzen, fest schließen u. nun über dieselben einen sehr festen Brei mittelst einer Presse aufdrücken, dieses gab die Matrize zum Stereotypiren, welche er entweder abklatschen od. gießen ließ. Durch die fortgesetzten Bemühungen verschiedener Franzosen, Engländer u. Deutschen wurde das Verfahren beim Stereotypiren so vereinfacht u. verbessert (vgl. Heinrich Meyer, Handbuch der S., Braunschweig 1838), daß jetzt fast alle bedeutenden Buchdruckereien auch Stereotypengießereien besitzen. Das von Stanhope 1804 erdachte, von Andern vervollkommnete u. jetzt fast überall angewendete Verfahren ist nun folgendes: man setzt eine Seite mit neuen rein u. scharf gegossenen u. gut abgerichteten Lettern, doch mit besonderen dazu gegossenen höheren Ausschließungen. Die fertige Columne bringt man in einen kleinen eisernen, genau an dieselbe anschließenden Rahmen u. umgibt den ganzen Satz mit einem zweiten eisernen od. messingenen höheren Rahmen, welcher die Höhe der künftigen Matrize angibt. Nun ölt man die Columne mit einer feinhaarigen Bürste ein, trägt eine Schicht dünnen Gypsbrei mit dem Pinsel auf u. füllt dann den Rahmen mit Gypsbrei an u. gleicht diesen mit einem Streichbrete ab; schon nach einer Viertelstunde kann die abgeformte Masse abgenommen werden. Die so erhaltene Form (Matrize) enthält die Buchstaben vertieft, die Zwischenräume zwischen ihnen erhaben. Die abgenommenen Matrizen werden erst an der Luft, dann in einem Trockenofen, in welchem sie auf der hohen Kante stehend, anfangs bei mäßigem Feuer getrocknet, wenn aber das Wasser ganz verdunstet ist, einer noch stärkeren Hitze ausgesetzt, damit sie im Guß nicht springen. Das Gießen geschieht auf einem eignen Gießherd, in welchem ein Gießkessel von etwa zwei Fuß Durchmesser eingemauert ist. In diesen Kessel wird nun so viel gewöhnliches Schriftzeug, als zum Gießen mehrer Formen nöthig ist, gethan u. darin geschmolzen, jedoch ohne daß es bis zur Glühhitze kommt. Neben dem Herd, etwa fünf Fuß von ihm entfernt, befindet sich ein um seine verticale Achse drehbarer Ständer (Galgen) von etwa drei Zoll Durchmesser u. an diesem etwa 61/2–7 Fuß über dem Fußboden ein horizontaler Balken; an dem vorderen Ende dieses Balkens geht in einer verticalen, eisernen, ausgehöhlten, viereckigen Stange ein Läufer an einer über eine Rolle gelegten Schnur auf u. nieder. Denselben Dienst kann auch ein anders eingerichteter Krahn leisten. Die Gypsmatrize wird nun in eine eiserne Pfanne gelegt, mit einer Platte bedeckt, welche durch ihre Füße in einer der gewünschten Dicke der Stereotypplatte gleichen Entfernung von der Matrize festgehalten wird, diese Deckplatte, deren vier Eckpunkte die Eingüsse bilden, wird festgeschraubt, die Pfanne an dem Läufer in der Stange befestigt u. nun die Pfanne vermittelst des Ständers über die geschmolzene Masse gedreht. Der Läufer wird nun herabgelassen, dadurch die Pfanne in die geschmolzene Masse versenkt, der Läufer durch eine Stellschraube in dieser Stellung festgehalten u. so der Guß der Stereotypplatte vollzogen, wobei der Druck des darüber stehenden flüssigen Metalls das Metall selbst in die feinsten Vertiefungen der Form hineintreibt. Nach 15–30 Minuten wird die Pfanne wieder in die Höhe gezogen u. langsam über einem sargähnlichen, mit feuchtem Sand gefüllten Kasten niedergelassen, wo dieselbe langsam erkaltet. Ist dies geschehn, so wird die Form aus der Pfanne genommen u. von der gegossenen Stereotypplatte getrennt. In neuerer Zeit gießt man nach der Erfindung von Danlé in Paris die S. in einem neben dem Gießkessel auf einer Bank stehenden Gießkasten od. Gießinstrument, dessen Einguß oben ist u. dessen breite Seite sich um ein Charnier drehend öffnet. Die Größe des Gießkastens richtet sich nach der Größe der zu gießenden Columnen. Das Zeug wird mittelst des Gießlöffels an das Gießinstrument gebracht u. in dasselbe gegossen. Diese Vorrichtung macht den Galgen u. die Pfanne entbehrlich. Die weitere Vollendung der Stereotypplatten besteht zunächst in der Correctur derselben; wären trotz der sorgfältigen Correctur des Originalsatzes noch falsche Buchstaben od. Zeichen in der Platte, so werden diese gänzlich herausgestochen, die richtigen Lettern eingepaßt u. auf der Rückseite der Platte festgelöthet. Ähnlich kann man verfahren, wenn eine Stelle im Guß undeutlich ausgefallen ist, in welchem Falle man das Fehlerhafte neu gießt u. einsetzt. Die Unebenheiten auf den Platten zwischen u. in den Buchstaben, welche sich beim Gießen erzeugt haben, werden mittelst eines scharfen Grabstichels weggenommen. An den vier Seiten wird die Platte abgerichtet, daß die Kanten winkelrecht aufeinander stehen; dies erfolgt ähnlich wie das Bestoßen der Zeuglinien beim Schriftguß mittelst eines Hobels. Darauf werden die über die Schrift vorstehenden Ränder schräg abgehobelt u. endlich die Rückseite auf einer Hobelmaschine od. einer Drehbank abgehobelt od. abgedreht. Die Stereotyptafeln werden beim Druck selbst auf hölzerne[787] od. metallene Klötze mit messingenen Leisten aufgeschoben, durch Stifte, Schrauben, Klammern etc. befestigt u. erhalten dadurch die Höhe gewöhnlicher Lettern. Andere Stereotypverfahren sind z.B.: Genoux in Paris fertigt die Matrizen aus Seidenpapier u. einem Kleister aus seinem Stärkemehl mit einem Zusatze von sein gepulverter u. geschlämmter Kreide; mit diesem Kleister werden 6–10 Blätter Papier übereinander geklebt u. das oberste Blatt mit Olivenöl überstrichen; das Ganze wird auf einem gewöhnlichen Letternsatz in einer starken Buchdruckerpresse aufgepreßt u. nimmt so einen seichten Eindruck der Schrift an; die so entstandene Matrize wird vorsichtig getrocknet u. in einem einfachen Gießkasten abgegossen. Diese Methode eignet sich nur für kleine Schrift ohne große weißbleibende Stellen. Ein ähnlicher Vorschlag wurde in England gemacht; der Letternsatz sollte in Löschpapier kopirt werden, auf welchem sich eine dünne Schicht geschlämmter Kreide, Stärkemehl u. Mehlkleister u. darüber ein Blatt Nesseltuchpapier befindet; das Ganze sollte mit einer Bürste auf den Satz sanft aufgeklopft werden. Reßler u. Friedländer in Berlin nahmen ein Patent auf folgendes Verfahren: eine Formmasse aus 3 Theilen Fayence, 2 Theilen reinem Karlin, 11/2 Theil gebranntem Gyps, 50 Theilen Wasser u. 1 Theil Traganth wird auf eine Eisenplatte aufgestrichen u. gegen den eingeölten Letternsatz angedrückt; die so erzeugte Matrize wird in einer dickflüssigen Masse aus 388 Theilen Schellack, 66 Theilen Sand u. 46 (bei weicheren Platten bis zu 60) Theilen Theer abgegossen; diese Platten kosten etwa 1/6 so viel als Schriftzeugplatten kosten würden u. halten leicht 1400, 140,000 Abdrücke aus. Auch Guttapercha ist zu den Stereotypplatten vorgeschlagen u. angewendet worden. J. L. Kingsley in New York empfiehlt für sehr harte Platten eine Mischung aus 4 Theilen Guttapercha, 1 Theil Kautschuk, 1 Theil Antimonoxyd, 1 Theil Zinkoxyd, 3 Theile Eisenoxyd. In der k. k. Staatsdruckerei zu Wien wurden nach dem Vorschlage von Pretsch Versuche gemacht kupferne Matern sowohl als Stereotypplatten galvanoplastisch zu erzeugen, doch ist dieses Verfahren weitläufig u. kostspielig. Zu Stereotypplatten aus Schriftzeug empfiehlt H. Ehrhardt in Stuttgart 89–93 Theile Zink, 3–6 Theile Zinn, 2–4 Theile Blei, 2–4 Theile Kupfer. Auch aus Messing wurden S. gegossen, nachdem der Satz in Masse geformt war. Vgl. Th. Archimowitz, Neues französisches Stereotypverfahren, Karlsruhe 1856.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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