Woronzow

Woronzow

Woronzow, berühmte russische gräfliche u. fürstliche Familie, deren erster Ahn, Gawrilo W., 1678 bei der Belagerung von Tschigirin in Kleinrußland fiel. Das alte Haus dieses Namens, welches im Laufe des 15. Jahrh. schon in der russischen Geschichte mit Auszeichnung genannt wird, ist bereits 1576 ausgestorben. Merkwürdig sind: 1) Graf Michael Larionowitsch, geb. 1710, Günstling Elisabeths, wurde 1744 in den Grafenstand erhoben u. Vicekanzler, schloß 1745 den Frieden zwischen Rußland u. Schweden u. einen Vertrag mit Maria Theresia zur Vertheidigung ihrer Erbstaaten, 1747 den Subsidienvertrag mit England, wonach ein im Solde der Seemächte stehendes russisches Corps bis an den Main vorrückte u. wodurch 1748 der Abschluß des Aachner Friedens bewirkt wurde. Als der Kanzler Bestuschew in Ungnade fiel, wurde W., welcher an der Spitze der sogenannten Schwedischen Partei, d.h. der des Großfürsten Peter, stand, Reichskanzler. Er wurde unter Katharina II. von den Staatsgeschäften entfernt u. st. 1767 in Petersburg. 2) Alexander, war Gesandter an mehren europäischen Höfen, wurde 1802 Reichskanzler, nahm 1804 seinen Abschied, zog sich nach Moskau zurück u. st. dort 1806. 3) Elisabeth Romanowna, Schwester des Vor. u. der Fürstin Daschkow, Geliebte Peters III., welcher noch als Großfürst ihr versprach sich von Katharina zu trennen u. sie zu heirathen. Die Gräfin war unklug genug sich dieses Versprechens öffentlich zu rühmen, wodurch sie den Tod Peters III. beschleunigte. Sie wurde in die Nähe von Moskau verwiesen, später aber an den Admiral Polänski verheirathet. 4) Katharina, Schwester der Vorigen, Fürstin Daschkow (s.d.). 5) Schwester der Vor., verheirathet an den Grafen Buturlin, wie jene durch Geist u. Schönheit ausgezeichnet. 6) Graf Ssemen, Bruder der Vor., geb. 1744, er war Gesandter in London, als die französische Revolution ausbrach, u. schloß gegen dieselbe 1793 mit Lord Grenville einen Vertrag, welcher theilweise dem englischen Handel große Vortheile brachte, u. 1805 mit England u. Österreich die dritte Coalition gegen Frankreich mit ab. Nach Beendigung seiner Mission blieb er in London u. st. daselbst als Privatmann 21. Juni 1832. 7) Fürst Michael [360] Ssemenewitsch, Sohn des Vorigen, geb. 17. Mai 1782 in Petersburg, erhielt seine Jugenderziehung in England u. trat 1801 in die russische Armee ein. Nachdem er zuerst einige Jahre in Kaukasien, dann unter Kutusow gegen die Türken gefochten hatte, befehligte er 1813 u. 1814 in Deutschland u. Frankreich als Generalmajor eine Brigade u. erhielt den Befehl über die in Frank. reich zurückbleibenden russischen Occupationstruppen. Hier verblieb er drei Jahre, dann wurde er 1818 zur Theilnahme am Congresse in Aachen verwendet u. 1823 übertrug ihm der Kaiser das Generalgouvernement in Bessarabien u. Neurußland, eine Stellung, in welcher er 30 Jahre hindurch mit großem Erfolge für die Entwickelung der socialen Verhältnisse wirkte. In den Jahren 1828–29 war W. in dem Kriege gegen die Türken thätig. Zum General der Infanterie, Generaladjutant u. Mitglied des Reichsrathes im Departement der Staatswirthschaft aufgerückt, wurde er 1844, unter Beibehaltung seines bisherigen Wirkungskreises, vom Kaiser zur gleichzeitigen Übernahme des Commandos der kaukasischen Armee u. der Statthalterschaft über Georgien, Armenien u. Transkaukasien berufen. Die kriegerischen Erfolge, welche W. im Jahre 1845 mit der Zerstörung von Dargo, einem Hauptwaffenplatze Schamyls, herbeiführte, brachten ihn die Erhebung in den Fürstenstand; wichtiger aber als seine Waffenthaten waren seine Maßregeln in der Verwaltung jener Länder. Kränklichkeit veranlaßte im Frühjahr 1854 den Fürsten zu einer Reise nach Deutschland, um die Böhmischen u. Taunusbäder zu gebrauchen, u. am 31. October 1854 die Entlassung von seinen Gouvernements zu nehmen. Nach einer längeren Reise durch Europa kehrte er 1856 nach Rußland zurück, um der Krönung des Kaisers Alexander II. in Moskau beizuwohnen, ward hierbei zum Feldmarschall erhoben u. begab sich sodann nach Odessa, wo er den Ehrenposten eines Gouverneurs übernahm. Hier starb er wenige Wochen nach seiner Ankunft am 18 November 1856 u. es wurde ihm hier ein Denkmal gesetzt. Er war vermählt mit einer Gräfin Branika. 8) Fürst Ssemen Michailowitsch, Sohn des Vorigen, trat 1847 in die Armee, nahm an den Kämpfen im Kaukasus Theil, wurde 1849 Hauptmann u. darauf Oberst u. Commandeur eines Jägerregiments, 1852 Generalmajor, hielt sich 1853 längere Zeit in England auf u. wurde 1854 Commandeur einer Reservebrigade des Gardecorps. Seine einzige Schwester, in England an den Grafen Pembroke verheirathet u. seit 1827 Wittwe, war einige Monate vor dem Fürsten im März 1856 gestorben; sie ist die Mutter des bekannten englischen Staatsmannes Sidney Herbert. 9) Graf Iwan, geb. 1793, war 1824–1828 Gesandter in Stuttgart u. München, dann in Turin, bis er 1832 nach Rußland zurückkehrte u. Mitglied des Reichsrathes wurde; er starb als Oberceremonienmeister im Juli 1854 in Peterhof.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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