Turin

Turin

Turin (italienisch Torino), 1) Provinz des Königreichs Italien, umfaßt das eigentliche Piemont, 186,53 QM. mit 924,362 Ew., wird in die fünf Bezirke T., Aosta, Ivrea, Pinerolo u. Susa getheilt; 2) Bezirk (Circondario) darin, 48,92: QM. mit 461,883 Ew.; 3) Hauptstadt ebendaselbst u. des jetzigen Königreichs Italien in einer fruchtbaren, von Hügeln, welche mit Weinbergen, Gärten u. prächtigen Villen besetzt sind, umgebenen Ebene, am Einfluß der Dora Riparia in den Po u. Knotenpunkt von Eisenbahnen nach Mailand, Alessandria u. Genua, Cuneo u. Susa (Mont-Cenisbahn), ist in lauter regelmäßigen Vierecken erbaut, mit langen, breiten, geraden Straßen (Via di Po, del Re, nuovo, Dora, die schönsten), welche zum Theil Arkaden haben, mit großen Plätzen u. drei Vorstädten (Borgo di Po, B. di Pallone u. B. nuovo); Über den Po führen zwei Brücken, die eine, 1810 erbaut, mit fünf flachen Bogen, die andere, eine eiserne Hängebrücke, 1840 erbaut, über die Dora eine mit einem einzigen Bogen von 147 Fuß Spannung. T. ist Residenz des Königs von Italien, Sitz der obersten Landes- u. Provinzialbehörden, des Senats, eines Erzbischofs, Versammlungsort des Parlaments etc. Es war sonst eine starke Festung mit 50 Bastionen nach altitalienischer Weise, welche 1801 von den Franzosen geschleift wurden; auch ein großer Theil der fünfeckigen, casemaliirten, von Herzog Emanuel Philibert 1565 erbauten Citadelle hat 1857 den Bauten der Eisenbahn nach Novara weichen müssen u. dient jetzt nur noch als Kaserne. Die schönsten Plätze sind: Piazza Castello mit Palästen, Arkaden u. Verkaufsläden, P. S. Carlo mit der Reiterstatue Emanuel Philiberts (1838 errichtet), P. Vittorio Emanuele am Po, P. Carlo Felice am Bahnhof der Eisenbahn nach Genua, P. della citta (Rathhausplatz) mit dem 1853 errichteten Denkmal Amadeus VI., des Grünen Grafen, P. Maria Cristina mit dem Monument zum Andenken der Kriegsthaten der Sardinier in den Jahren 1848 u. 1849, P. Päsana (Susina) mit dem Denkmal des Ministers Siccardi (1854 errichtet), P. Carolina, P. delle Erbe, P. Pescara, P. Bodoni, P. d'armi (Exercierplatz) mit Alleen um ihn u. prachtvoller Aussicht auf die Alpen. Außer den erwähnten Denkmälern wurden 1858 dem Prinz Eugen von Savoyen (st. 1736) u. dem Prinzen Ferdinand (st. 1855) Marmorstandbilder errichtet u. 20. Juli 1861 ein Denkmal des Königs Karl Albert eingeweiht. Paläste. Das königliche Schloß (Palazzo reale) am Piazza Castello, unter Karl Emanuel II. in der Mitte des 17. Jahrh. erbaut, ist drei Stockwerke hoch, von Backsteinen errichtet; am Eingange stehen die bronzenen Reiterstatuen des [944] Castor u. Pollux, am Treppenaufgange das Reiterstandbild Victor Amadeus I., in ihm befindet sich die königliche Bibliothek mit Sammlung von Handzeichnungen, die königliche Rüstkammer, Sammlungen von Elfenbeinschnitzereien, Münzen, Bronzen, die königlichen Bureaux, Staats- u. Hausarchive, Militärakademie, königliches Theater u. Schloßgarten. Unter den übrigen Palästen ist der merkwürdigste der Palazzo Madama auf Piazza Castello, welcher das frühere herzogliche Residenzschloß war, 1416 von Amadeus VIII. erbaut, 1718 erweitert wurde u. seinen jetzigen Namen von der Mutter des Königs Victor Amadeus II. der Herzogin von Savoyen Nemours hat, deren Wittwensitz er war; er ist jetzt Sitz des Senats u. der Polizei u. enthält außerdem das astronomische Observatorium u. die königliche Geäldesammlung; Palazzo delle Torri, angeblich aus der Zeit der römischen Kaiser, ist jetzt Gefängniß; Palazzo Carignano, Sitz der Deputirtenkammer, des Staatsraths u. der Post, P. della citta Rathhaus, außerdem P. Birago de' Borgara, P. del Duca d'Aosta, P. Manatti. Von den 44 Kirchen u. zahlreichen Kapellen ist die Kathedrale S. Giovanni 1498 begonnen, hat Gemälde u. in der Capella del S. Sudario die Marmorstandbilder des Herzogs Amadeus VIII., Emanuel Philiberts (1849 errichtet), Karl Emanuels II. (1849 errichtet) u. der Königin Maria Adelheid (1856 errichtet), sowie das angebliche Grabtuch Christi auch Exemplare in Rom, Besançon, Cadouin u. Perigord als echt aufbewahrt werden), die Kirche S. Massimo in Form eines römischen Tempels mit einer Kuppel mit Frescogemälden, die Kirche Corpus Domini, 1607 errichtet, in welcher 1728 Rousseau den katholischen Glauben annahm, Gran Madri di Dio, nach dem römischen Pantheon 1818 erbaut, die protestantische Kirche an der Strada del Re, aus Beiträgen der Protestanten in der Schweiz, Holland, England, Preußen u. Amerika erbaut u. 1854 vollendet, u.a. Wissenschaftliche u. Kunstanstalten, Sammlungen, Schulen etc. Die königliche Akademie der Wissenschaften (s. Akademie I. F) a) mit dem der Universität gehörigen Museum ägyptischer Denkmäler, griechischer u. römischer Alterthümer, einer der reichsten Münzsammlungen Europas, naturhistorisches, bes. mineralogisches Museum, königliche Akademie der schönen Künste (Accad. R. delle belle arti) mit Gemäldesammlung, Kunstverein mit öffentlichen Ausstellungen, Gemäldesammlungen des Conte Castellani, des Marquis Faletti di Barolo, des Sgn. de Angelis, des March. Cambiano u.a., Medaillensammlung des Abate Incisa, Gemmensammlung des Abate Pullini u. des Grafen della Turbia. Außer der erwähnten königlichen Bibliothek gibt es eine Universitätsbibliothek (s. unten), Bibliothek der Jesuiten mit Manuscripten, des Grafen Vidua u. Cav. Saluzzo; verschiedene Archive, darunter das reiche Staatsarchiv. Die Universität, um 1405 gestiftet u. 1632 erneuert, hat gegen 65 Professoren u. 2000 Studenten, Bibliothek, eine Antikensammlung (Museo lapidario) u. Botanischem Garten beim Schloß Valentino; außerdem gibt es eine königliche Polytechnische Schule mit Ausstellungen, eine Militärakademie im königlichen Schloß, eine Artillerieschule, unter den übrigen verschiedenen Lehranstalten eine solche für Handwerkslehrlinge (Albergo reale di virtù, 1580 von Karl Emanuel II. gegründet), ein Erziehungsinstitut armer Mädchen (Ritiro delle Rosine), eine protestantische Schule, einen Turnplatz am Piazza d'armi. Es gibt 10 Theater, unter ihnen zwei Marionettentheater, das königliche u. ein großes Volkstheater, ferner ein Hippodrom u. zwei Circus. T. hat gut eingerichtete Wohlthätigkeitsanstalten, darunter das Ospedale grande di S. Giovanni, wo jährlich gegen 6000 Kranke verpflegt werden, das Hospital des Lazarus- u. Mauritiusordens, des Osp. di S. Luigi Gonzaga (1794 gegründet) für Unheilbare, das Krankenhaus beim Kapuzinerkloster, ein Irrenhaus, ein protestantisches Spital, Armenunterstützungsvereine. Industrie: In dem großen Zeughaus befinden sich die Artilleriewerkstätten, Waffenfabriken, Geschützgießereien, Laboratorien etc. Außerdem erstreckt sich die Industrie bes. auf Fabrikation seidener Stoffe u. Strümpfe, ferner Tuch, Tapeten, Papier, Fayence, Chocolade, Tabak, Handschuhe, Leder etc.; die Stadt ist mit Gas erleuchtet; der Handel ist sehr lebhaft. T. hatte im Jahre 1813 nur 66,000 Ew., jetzt (1863) 210,000 Ew., darunter 1200 Protestanten u. 2000 Juden; es wird sehr viel Französisch gesprochen, auch gleicht der gesellschaftliche Ton sehr dem französischen, nur in den Theatern ist er italienisch. Der Corso wird in der Via del Po, im Sommer am Piazza d'armi abgehalten; Spaziergänge bieten die öffentlichen Gärten, der Schloßgarten, die Allee von der neuen Pobrücke bis zur Porta nuova, die von der Porta del Po bis zum Platze Phil. Emanuels; außerdem gibt es zahlreiche Kaffeehäuser, Balllocale, Casinos, Schießstätten, Wintergärten, geschlossene Gesellschaften, Bäder etc. Auch die Umgegend bietet viele Reize dar, so der Weinberg der Königin (Vigna della Regina) mit prachtvoller Aussicht über die Stadt, die Umgegend u. auf die Kette der Alpen, das Schloß Valentino mit schönen Anlagen, zu welchem eine Hauptpromenade führt, die königlichen Luftschlösser Castello di Aglie u. la Veneria, das Jagdschloß Stupinigi u. die Superga (s.d.). Das Klima T-s ist im Ganzen gesund, der Frühling u. Herbst sehr angenehm, der Winter rauh. Vgl. Paroletti, T. et ses curiosités, 1819; Descrizione di Torino, Tur. 1840; Torino e suoi dintorni, ebd. 1853.

T. war die stark befestigte Hauptstadt der Taurini im Cisalpinischen Gallien u. hieß Taurini od. Taurasia es lag am Padus, welcher hier schiffbar wurde, u. an der von Mediolanum über Segusio nach Gallien führenden Heerstraße. Hannibal eroberte u. zerstörte es 218 v. Chr.; Augustus, welcher eine Colonie hierher sendete, nannte es Augusta Taurinorum; im Bürgerkriege zwischen Otho u. Vitellius wurde es theilweise verbrannt. Nach dem Verfall des Römischen Reichs gehörte T. nach einander den Gothen, Herulern, Burgundern u. endlich den Longobarden, unter denen hier Herzöge ihren Sitz hatten, von denen einige Könige von Italien wurden, unter andern Agilulf, Gemahl der Theodelinde, welcher 602 die Kathedrale erbaute. Als Karl der Große das Longobardenreich zertrümmerte, wurde T. die Residenz der Herzöge von Susa; als der letzte, Ulrico Manfred, 1032 starb, kam T. durch Heirath seiner Erbtochter Adelheid an den Grafen Otto von Savoyen. 1147 schenkte Kaiser Friedrich II. T. sammt Gebiet dem Bischof von T., weil er mit dem Grafen Amadeus III. unzufrieden war, u. es gab hierüber lange Fehden zwischen dem Bischof u. den[945] Grafen von Savoyen, worin die Stadt u. der Graf von Montserrat den Bischof unterstützten. Thomas III. von Savoyen nahm jedoch den Grafen von Montserrat auf einer Reise gefangen u. unterwarf T. seinem Hause, bei welchem es auch blieb. 8. Aug. 1381 hier Friede zwischen Padua u. Venedig. 1506 eroberten die Franzosen T. u. behielten es bis 1562, wo Herzog Philibert von Savoyen die Stadt wieder erhielt u. sie zur Residenz wählte, aber um die sehr französisch gesinnten Einwohner im Zaum zu halten, ließ er 1567 die Citadelle erbauen. 1640 nahm der französische General Harcourt T. nach siebzehntägiger Belagerung ein. Hier wurde am 29. Aug. 1696 der Separatfriede zwischen Savoyen u. Frankreich geschlossen. 1705 belagerte es der Herzog von Feuillade vergebens u. erschien 1706 wieder, aber am 7. Sept. rückte die kaiserliche Armee unter dem Prinz Eugen zum Entsatz heran u. stürmte die Vertheidigungslinien der Franzosen (s.u. Spanischer Erbfolgekrieg S. 438). Hier am 1. Febr. 1742 Provisionalvertrag zwischen Maria Theresia u. Sardinien zur Vertheidigung der Lombardei gegen Spanien u. Neapel. 1798 ergab sich Stadt u. Citadelle durch Convention des Königs von Sardinien, Karl Emanuel IV., an dse Franzosen, welche sie bis 1799 behielten, wo die Österreicher am 27. Mai erst die Stadt, dann am 20. Juni die Citadelle wieder bekamen, sie jedoch 1800 nach der Schlacht von Marengo den Franzosen wieder einräumen mußten. T. wurde nun, wie ganz Piemont, französisch u. Hauptstadt des Departements Po, die Festungswerke aber 1801 geschleift; 1814 fiel es durch den Pariser Frieden an Sardinien zurück u. wurde wieder Residenz u. Hauptstadt. Hier am 2. März 1848 Demonstration gegen die Jesuiten, worauf diese T. verließen. Den. 26. April 1852 flogen die nahe an der Stadt in dem Borgo Dora gelegenen zwei Pulvermühlen in die Luft. Vgl. Pingonius, Augusta Taurinorum, 1755; Paroletti, T. et ses curiosités, Tur. 1819; Cibrario, Storia di T., Tur. 1846.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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