Ziller

Ziller

Ziller (Zillerbach), rechter Nebenfluß des Inn im tyroler Kreise Innsbruck, mündet nach 71/2 Meilen langem Lauf bei Straß, er durchströmt das 131/2 QM. große Zillerthal, welches sich von dem großartigen Gletschergebirge der Krimler u. Pusterer Tauern an der Gerloswand herab erstreckt, bis sich das Zemmthal u. Duxthal mit ihm vereinigen, u. sich dann mit Feld, Wiesen u. Wald abwechselnd bis zu seiner Mündung fortsetzt. Die Bewohner (Zillerthaler), 15–16,000 Seelen, beschäftigen sich mit Ackerbau u. bes. mit Viehzucht, die Bewohner des oberen Thales, bes. in den Orten Brausberg, Finkenberg, Mayerhofen, Zell u. Hippach, sind in neuerer Zeit durch eine, der Salzburgischen Emigration ähnlichen Auswanderung ihres Glaubens halber bekannt geworden. Schon früher mit der Bibel u. einzelnen protestantischen Büchern bekannt, nahmen sie doch noch an dem Gottesdienst der Katholischen Kirche Theil, bis die versuchte Nöthigung durch ihre Geistlichen zur Ohrenbeichte, statt deren sie ein allgemeines Sündenbekenntniß ablegen wollten, sie allmälig ganz von dem katholischen Gottesdienst entfernte. 1826 machten[623] sie Anstalten zur förmlichen Ausscheidung aus der Katholischen u. zum Übertritt zur Protestantischen Kirche, denn nicht nur die Ohrenbeichte, sondern auch Heiligenverehrung, Ablaß, Seelenmessen, Fegefeuer etc. verwarfen sie. Indeß die Geistlichen nahmen die Anmeldung deshalb nicht an, von der Landesstelle in Innsbruck, wohin deshalb berichtet worden war, kam keine Rückantwort u. allerhand Insinuationen von Bornirtheit u. Ungehorsam wurden gegen sie angebracht. Deshalb schieden sie 1830 aus der Katholischen Kirche aus u. bis 1832 war die Zahl der Dissidenten auf 240 gestiegen. Obgleich vom Kaiser Franz I. ihnen bei seiner Anwesenheit in Tyrol 1832 Berücksichtigung ihres Wunsches zugesagt worden war, so wurde doch durch den tyroler Landtag das kaiserliche Versprechen vereitelt, u. 1835 wurden sie dahin beschieden, daß sie entweder zur katholischen Kirche zurückkehren od. das Land verlassen sollten. Als sie sich zu ersterem Schritte nicht verstehen mochten, entschlossen sie sich zur Auswanderung nach Preußen. An ihrer Spitze standen Heim u. Fleidl. Zunächst sendeten die Zillerthaler im Frühjahr 1837 Abgeordnete nach Berlin zum König mit der Bitte um Aufnahme in dessen Staaten u. der Darlegung ihres Bekenntnisses, welches das der Bibellehre u. der Grundsätze der Augsburgischen Confession wäre. Der König versprach ihnen ihrer Bitte zu willfahren u. schickte den Oberconsistorialrath Strauß nach Wien, um dort die nöthigen Schritte in der Sache zu thun. Die kaiserliche Regierung erleichterte die Emigration auf alle Weise, u. die Zillerthaler konnten im August 1837, nachdem sie ihr Eigenthum verkauft hatten, ihre Heimath verlassen. 448 Seelen, Männer, Weiber u. Kinder, zogen in fünf Abtheilungen über Salzburg u. Budweis unter freundlicher Theilnahme ihrer vorigen u. jetzigen Glaubensgenossen nach Schlesien, welches sie nach 23tägiger Wanderung bei Michelsdorf betraten. Am 2. Oct. waren sie alle in Schmiedeberg eingetroffen. Denn hierher wurden sie einstweilen dirigirt, weil die Einrichtungen in dem für sie bestimmten Erdmannsdorf noch nicht vollendet waren. Am 8. Oct. wurde ein Lob- u. Dankfest für sie in Schmiedeberg gehalten, den 30. eine Schule für ihre Jugend errichtet u. am 12. Nov. feierten sie, nach einer vorausgegangenen Prüfung, das Abendmahl. Das Schulhaus in Erdmannsdorf wurde im Dec. 1838, die Kirche daselbst im Oct. 1840 eingeweiht. Die daselbst für sie eingerichtete Colonie erhielt den Namen Zillerthal u. ist in Hoch-, Mittel- u. Nieder-Zillerthal, nach der terrassenförmigen Anlage der Colonie so genannt, eingetheilt. Die Leute sind fleißig, redlich, religiös u. halten fest an dem Glauben der Kirche. Manche, welchen es in Preußen nicht zusagte, gingen nach andern österreichischen Ländern; andere im Herzen evangelisch Gesinnte blieben im tyroler Zillerthal zurück. Vgl. Geschichte der Auswanderung der Zillerthaler Protestanten, Nürnb. 1838; Rheinwald, Die Evangelischgesinnten im Zillerthale, Berl. 1837.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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