- Ätolia
Ätolia (Gesch.). Das südliche Flachland von Ä. bewohnten ursprünglich die barbarischen Kureten, das östliche u. nördliche Gebirgsland aber Leleger; später wanderten Hellenen ein. Lange vor dem Trojanischen Kriege kam Ätolos, Sohn des Endymion, welcher den Apis, Jasons Sohn, getödtet u. deshalb sein Vaterland Elis verlassen hatte, hierher u. nach ihm ward das Land Ä. genannt. Seine Söhne Kalydon u. Pleuron gründeten die gleichnamigen Hauptstädte Ä. u. legten den Grund zu zwei Reichen. Zu ihnen kamen nachher auch Äoler u. Böoter, welche die Kureten vollends vertrieben. Oxylos, der beim Einzug der Dorer im Peloponnes Elis eroberte, war der letzte ätolische König. Später bildeten die einzelnen Städte mit den Nachbarvölkern einen Bund (Ätolischer Bund), zu welchem die ätolischen Städte Pleuron, Pylene, Kalydon, Makynia, Molykria, Chalkis, Naupaktos, Halikyrna, Thermon gehörten, die Bundesversammlung (Panätolion) fand zu Thermon jährlich zu Anfang des Herbstes statt, u. hier wurden Gesetze, Bündnisse, Krieg u. Frieden berathen u. Gesandte empfangen. Diese Versammlung wählte den Feldherrn (Strategos) auf 1 Jahr, welchem ein Vorsitzender, Befehlshaber der Reiterei (Hipparchos), Schreiber (Grammateus) u. mehrere Ephoren beigegeben waren. Einen engern Rath bildeten die Apokleti.[902] In die westlichen Theile des Landes wanderte Alkmäon mit Argivern ein u. setzte sich mit Hülfe des ätolischen Fürsten Diomedes daselbst fest. Zu Alkmäon kam nach dem Trojanischen Kriege sein Bruder Amphilochos. Einen gemeinschaftlichen Namen bekam dieser Strich des Landes nicht, auch hört man nichts von seinen Herrschern. Lange blieben die Ätoler unbekannt. Erst zur Zeit des Peloponnesischen Krieges traten sie hervor, wo sie sich für die Spartaner erklärten, jedoch ohne denselben bedeutende Unterstützung zu leisten. Die Athener unter Demosthenes versuchten einen Einfall in Ä. zu machen, wurden aber mit Verlust zurückgeschlagen. Nachher wurde A. macedonisch; aber schon während Alexander d. Gr. in Persien war, erhoben sich die Ätoler gegen dessen Statthalter u. traten nach Alexanders Tode mit Athen im Bündniß offen gegen Macedonien auf, s. Lamischer Krieg. Aber sie wurden besiegt u. von Krateros in ihren Gebirgen belagert, indeß durch die Genossen des Ätolischen Bundes, welcher you jetzt besonders wirksam wurde, wieder befreit; Ä. blieb frei, wurde auch immer mächtiger. Ihre Feinde von jeher waren die Akarnanier, ihre westlichen Nachbarn, gewesen, u. gegen diese richteten sie ihre Züge jetzt um so mehr, da diese es mit den Macedoniern hielten; doch konnten sie hier keine Eroberungen machen. Glücklicher waren sie gegen Norden, wo sie das Gebiet des Sperchiosflusses eroberten. Nachdem sie die Celten besiegt u. zum Rückzug gezwungen hatten, griffen sie, verbündet mit Pyrrhos von Epiros, Akarnanien wieder an; der größte Theil dieses Landes kam an Ä., das übrige erhielt Pyrrhos. Sie behaupteten sich in ihren Eroberungen auch, als König Demetrios von Macedonien den Akarnanern zu Hülfe kam, da sie selbst Unterstützung von dem Achäischen Bunde erhielten; als aber der Achäische Bund sich auf macedonische Seite schlug, mußten die Ätoler Akarnanien wieder räumen. Nun verbanden sich die Ätoler auf den Rath des Skopas mit den, inzwischen mit Macedonien in feindliches Verhältniß getretenen Römern; Akarnanien sollte wieder an Ä. kommen, aber die Akarnaner wehrten sich tapfer, Philippos III. von Macedonien kam ihnen zu Hülfe, u. der römische Consul Lävinus zog bald mit seiner Flotte davon. Da mußten die Ätoler einen Vergleich mit den Feinden schließen. Nachdem sie den Römern die Macedonier bei Kynoskephalä (197 v. Chr.) hatten schlagen helfen u. die Römer dennoch ihre Hoffnung auf den Besitz Akarnaniens nicht erfüllten, verließen sie die römische Sache u. verbanden sich nun gegen die Römer mit Antiochos von Syrien u. dann mit Perseus v. Macedonien (s. über diese Kriege unter Bundesgenossenkriege b). Aber dessen Besiegung stürzte auch die Ätoler in das Unglück, sie mußten, nach vergeblichem Versuche der Gegenwehr, sich dem Consul M. Fulvius unter den demüthigendsten Bedingungen unterwerfen (189 v. Chr.). Nach der Eroberung des übrigen Griechenlands durch die Römer ward A. (146) zu der Provinz Achaia geschlagen. Unter den Römern verfielen alle Städte, u. der Name Ä. verschwand allmählig aus der Geschichte. Nachher nahmen es die Türken in Besitz, aber die Räuberhorden, die durch das Land zogen, ließen den neuen Herren nicht weitern Eintritt. Man nennt jetzt die Bewohner des sonstigen Ä-s unter den Albanesen, u. erst nach der Wiederherstellung des Königreichs Griechenland ist der Name A. einer griechischen Provinz wiedergegeben worden. Vgl. Brandstäter, Geschichte des Ätolischen Landes, Volkes u. Bundes, Berl. 1844.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.