- Braunkohlenformation
Braunkohlenformation (Tertiärformation, Molassengebirge, Geogn.), die älteste Bildung der tertiären Periode, welche sich von den früheren Formationen wesentlich durch das vorherrschende Auftreten von Süßwasserbildungen auszeichnet; auch erkennt man deutlich, daß die klimatischen Verhältnisse nicht mehr so gleichmäßig gewesen sein können, wie sie in früheren Bildungen angenommen werden müssen, was jedenfalls damit zusammenhängt, daß schon während der Tertiärzeit die mächtigen Basaltausbrüche erfolgt sind. In Deutschland tritt neben der eigentlichen Braunkohle gewöhnlich bituminöser Schieferthon, reiner weißer Thon (Töpferthon), sogenannter Formsand mit Lettenlagern, ein ziemlich fester u. oft großkörniger Sandstein (Braunkohlensandstein) Sand (Glimmersand zum Theil) u. Kies auf. In der Schweiz wird diese Epoche durch das Auftreten eines Sandsteins, der sogenannten Molasse, charakterisirt. Auch muß das Steinsalz u. die dasselbe begleitenden Gypslager nach den neueren Untersuchungen der darin vorkommenden Insecten zu den tertiären Bildungen gerechnet werden. Daß alle Braunkohlen aus Pflanzen entstanden sind, unterliegt keinem Zweifel, viele von ihnen zeigen noch deutlich organische Structur, u. bei manchen, wo. diese bereits verschwunden ist, läßt sie sich durch künstliche Mittel wieder herstellen; auch sind thierische Überreste in der Braunkohle selbst nicht selten, doch herrscht das vegetabilische Leben bei Weitem vor. Daß aber diese Pflanzen auf demselben Orte gewachsen sind, wo sie sich jetzt in Braunkohle umgewandelt finden, wie man dies von den Steinkohlen mit Sicherheit nachgewiesen hat, ist sehr unwahrscheinlich, vielmehr spricht das Vorkommen der Braunkohlenflötze in Niederungen u. am Fuße von Gebirgen für die Ansicht, daß sie erst dorthin geschwemmt worden. seien. Von den pflanzlichen Überresten in der Tertiärformation gehören die meisten den Dikotyledonen an u. viele derselben lassen die großen Verschiedenheiten der damaligen klimatischen Verhältnisse deutlich erkennen. Von den Infusorien finden sich noch die Kieselpanzer mehrerer Arten als Polierschiefer. Saugschiefer, Halbopale u. Holzopale; ebenso treten Korallen, Mollusken, Würmer u. Crustaceen in großer Menge auf, von welchen letzteren namentlich mehrere Arten von Balanus sehr bezeichnend für die mittleren u. oberen tertiären Schichten sind. Insecten finden sich meist in Bernstein eingeschlossen; die Fische, von denen fast die meisten Arten noch jetzt leben, sind meistens Kreis- u. Kammschuppen. Hier treten zum ersten Male die Schildkröten auf, z.B. Trionyx Parisiensis in den tertiären Schichten von Paris, sowie das Vorkommen von Vogelsceletten in der Molasse erst häufiger wird. Unter den Säugethieren, die in den unteren Regionen nur pflanzenfressende, in den oberen zum Theil fleischfressende sind, sind die wichtigsten: Mastodon, Zeuglodon (Hydrarchos), Anthracotherium, Paläotherium etc. Die Braunkohle (Lignit) steht ihrer Natur nach ziemlich in der Mitte zwischen Steinkohle u. Torf; von ersterer unterscheidet sie sich durch die mehr braune Farbe, durch die meist deutlich vorhandene Holztextur, durch einen scharfen torfähnlichen Geruch beim Brennen u. dadurch, daß sie in einem Probirglase erhitzt, sauer reagirende Dämpfe entwickelt, während Steinkohle ammoniakalische Dämpfe gibt. Durch trockene Destillation gibt sie einen Theer, der oft reich an Paraffin ist, mit Kalilauge digerirt, färbt sie dieselbe braun. Sie zeigt in ihrer Zusammensetzung große Verschiedenheiten u. besteht wesentlich aus Kohlenstoff, verbunden mit Wasserstoff u. Sauerstoff in verschiedenen Verhältnissen; Braunkohlen von der besten Sorte enthalten etwa 70 Proc. Kohlenstoff. Die Aschenmenge schwankt zwischen ziemlich weiten Grenzen, so kommen Braunkohlen mit 1 Proc. u. andererseits solche mit mehr als 60 Proc. Asche vor Lufttrocken hat sie folgende durchschnittliche Zusammensetzung: 48–56 Proc. Kohle, 1–2 Proc. Wasserstoff, 31–32 Proc. chemisch gebundenes Wasser u. 20 Proc. hygroskopisches Wasser. Sie kommt fast immer in Lagern vor, wie z.B. in der Umgegend von Altenburg u. in der großen Ebene von Altenburg bis Leipzig, Weißenfels, Merseburg, Eisleben, Artern, Halle, Magdeburg u. Wittenberg, am Meißner in Kurhessen, bei Burglengenfeld in der Oberpfalz, zu Weenzen in Hannover, bei Köln u. Bonn, auf dem Westerwald, im Elsaß, bei Ludwigshafen am Bodensee, in Podolien, Galizien, Rußland etc. Man kann mehrere Varietäten der Braunkohle unterscheiden: a) Holzartige Braunkohle (Lignit, Bituminöses Holz) zeigt noch deutlich Holzstructur, ist braun bis schwärzlichbraun u. mattglänzend; b) Erdgie Braunkohle (Erdkohle, Bituminöse Holzerde), in leicht zerreiblichen Stücken, gelblich bis schwärzlichbraun, zu ihr gehören die Kölnische Umbra, die Bernerde mit beigemengtem Redenit u. die Knorpelkohle von Halle; c) Muschelige Braunkohle (Gemeine Braunkohle, Pechkohle, Gagat zum Theil), von muscheligem Bruch, schwärzlichbraun, glänzend, kommt namentlich in Böhmen vor; d) Moorkohle, ohne Holztextur, zerklüftet u. in trapezoidische Stücken, zerborsten, Bruch flach, muschelig; e) Alaunerde eine mit Thon u. Eisenkies[234] verunreinigt, im Bruch erdige Braunkohle, die beim Erhitzen schwefelige Säure entwickelt u. an der Luft liegend schwefelsaure Thonerde bildet, daher sie zur Alaunfabrikation Verwendung findet; f) Schwefelkohle, eine an Eisenvitriol reiche, blätterige Braunkohle, die als Düngemittel gebraucht wird; g) Blätterige Braunkohle, dünnblätterig u. aus zarten Pflanzentheilen, wie Blättern u. Nadeln, entstanden; h) Papierkohle, Dysodil od. Stinkkohle, dünne biegsame Blätter von brauner Farbe, enthält zahlreiche Überreste von Fischen u. Amphibien u. eignet sich bes. zur Bereitung von Paraffin, Hauptfundort in der Gegend von Bonn; 1) Wachskohle von Merseburg, welche reich an Paraffin (gegen 13 Proc.) ist. Gebraucht wird die Braunkohle zur Feuerung u. Düngung, selten zur Farbe (Kölnische Umbra). Die Pechkohle (Gagat) dient zur Anfertigung von kleinen Schmucksachen u. Zierrathen. Zur Feuerung wird sie, wenn sie in großen harten Stücken bricht, gleich so verbraucht, wie man sie erhält, sonst aber in Backsteinform (am Rhein in Kegelform) gestrichen. Zur Formung der Braunkohle bedient man sich auch der Braunkohlenpresse: die Braunkohle wird mit Wasser angefeuchtet u. auf das Tuch ebne Ende geworfen, welches die Kohle in ein Walzenpaar bringt. Die Walzen zerkleinern die Kohle u. führen sie in einen Trichter. Ein Presseur preßt die Kohle in die Zellen des Formrades, die vorher durch eine Staubmühle mit trockenem Kohlenstaub überstreut werden; ein Schläger stößt die Braunkohlenziegel hervor u. legt sie auf fortlaufende Breter, welche auf einer Schienenbahn durch kleine eiserne Wagen auf den Trockenplatz gebracht werden, wo sie binnen 3–6 Tagen vollkommen austrocknen. In 1 Minute werden 40 Doppelstiche gefertigt, u. dazu ist eine Kraft von 3–4 Pferden nöthig. Sie brennt weder so hell wie das Holz, noch erwärmt sie so schnell wie dasselbe, hält aber desto mehr u. zwar eine gleichmäßige Wärme nach, s.u. Brennmaterialien d). Man hat den üben Geruch, den sie bei der Verbrennung verbreitet, durch Verkohlung (Abschwefelung), theils, in Meilern, theils in Öfen zu entfernen gesucht. Übrigens müssen die Öfen zur Braunkohlenfeuerung mit engen Rosten versehen sein, durch welche die Asche in einen unter dem Ofen befindlichen Kasten fällt. Auch muß, damit die Stubenluft nicht verdorben werde, ein starker Zug in dem Ofen hergestellt werden. Auch beim Kochen (wo man jedoch den Rauch sorgfältig von den Speisen abhalten muß), beim Backen, Salzsieden, Ziegel-, Kalt- u. Branntweinbrennen u. für Dampfmaschinen ist die Braunkohle anwendbar. Die aus der Grube geförderte Braunkohle ist gewöhnlich feucht, oft naß, in welchem Falle sie erst getrocknet werden muß, was bei der Steinkohle nie erforderlich ist. Zur Gasbereitung kann man die Braunkohle nicht anwenden, weil sie ein sehr wenig leuchtendes Gas liefert. Besondere Vorsicht muß auf die Aufbewahrung der Braunkohlenasche genommen werden, da sie sehr lange glimmt u. leicht Feuersbrünste veranlassen kann. Als Dünger ist Braunkohle nur für nassen, thonigen, auch für Kalk- u. Mergelboden anwendbar.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.