Fahren

Fahren

Fahren, 1) die Fortbewegung mit Hülfe eines Fuhrwerks (auf dem Lande) od. eines Fahrzeuges (auf dem Wasser); 2) das Lenken von Zugthieren von dem Wagen aus. Dies geschieht durch Trensen, die mittelst der Zügel bewegt werden. Vorschule aller gut eingefahrenen Pferde muß das Zureiten sein. Junge, zugerittene Pferde spannt man zuerst zu zweien ein, erst wenn diese vollkommen eingefahren sind, kann man mit ihnen zu vieren u. sechsen fahren. Beim F. mit 4 Pferden sitzt der Kutscher gewöhnlich auf dem Sattelpferd des dem Wagen nächsten Paares, beim F. mit sechs hat das vorderste Paar gewöhnlich noch einen Lenker. Der Kutscher muß die Zügel mit Einer Hand halten, obgleich er die andere benutzen kann, u. die Zügel so legen, daß jede Bewegung mit den Fingern, bes. mit dem Zeigefinger, mittelst der Trense, eine Einwirkung auf das Maul des Pferdes hat. Er bedarf dies, um die Pferde jeden Augenblick anhalten (pariren lassen) zu können, um eine gute Kare zu nehmen, d.h. beim Umbiegen um eine Ecke, beim Einfahren in einen Thorweg u. dgl. einen richtigen Bogen zu beschreiben, so wie beim Ausweichen u. Ausfahren etc. Der Kutscher darf die Pferde beim F. nie aus den Augen lassen u. muß bes. die Ohren der Pferde beobachten u. den Zügel so halten, daß er jede Bewegung der Pferde in der Hand fühlt, er muß lässige durch Zunge geben, Nachgeben des Zügels u. endlich durch die Peitsche antreiben, die zu lebhaften aber im Zügel anhalten u. ihnen wieder Luft geben, wenn sie gehorchen. Unarten, wie Prellen, Stutzen, Stolpern aus Nachlässigkeit, müssen mit der Peitsche gestraft, am schärfsten aber alle Versuche zum Durchgehen gerügt werden. In der ältesten Zeit war das F. gewöhnlicher, als das Reiten, selbst im Kriege. Dadurch war das Geschäft des Wagenlenkens ein wichtiges. Einen besonderen Schwung bekam die Kunst zu fahren durch die Wettfahrten in dem Circus zu Rom u. Constan tinopel (s.u. Wettrennen). Im Mittelalter galt das F. wenig, da das Reiten über Alles geschätzt wurde, obgleich das Reichspannier auf einem eigenen Wagen gefahren wurde. Wichtig wurde das F. wieder seit dem 15. Jahrh., wo die Kutschen erfunden wurden. Man überließ das Geschäft des F-s besonderen Kutschern. Nur in England hatte sich bei dem Pferde erziehenden Landadel die Sitte erhalten, selbst zu fahren, u. von hier aus verbreitete sich seit der Französischen Revolution u. noch mehr seit dem allgemeinen Frieden 1815 die Sitte wieder, selbst zu fahren, u. man hält es jetzt noch für eine ritterliche Übung u. für fashionabel seinen Zug selbst zu leiten. Vorzügliche Fahrkünstler sind die Russen, doch hier weniger die Vornehmen, als die Kutscher, welche 3–4 Pferde nicht hinter, sondern neben einander spannen. In Schweden lenken die gewöhnlichen einspännigen Wagen sogar Kinder. Die schlechtesten Kutscher aber sind die Franzosen u. Italiener. 3) (Bergw.), das Fortbewegen der Bergleute in den Gruben, sei es durch Steigen od. Gehen, Klettern od. Kriechen; daher Einfahren od. Anfahren, sich in ein Bergwerk begeben; Ausfahren, dasselbe verlassen. Zum F. auf Strecken ist gewöhnlich keine besondere Vorrichtung nöthig; auf Stollen u. Strecken, welche eine Wasserseige haben, hat man eine Fahrbahn von Bretern (Fahrung, Laufbreter). Zum Befahren der Schächte sind besondere Einrichtungen erforderlich; gewöhnlich dienen hierzu Leitern, entweder einfache od. doppelte, sogenannte Fahrten (Fährten), s.u. Fahrt 8); seltener sind Treppen in das Gestein gehauen od. mit Balken gezimmert, so in Fahlun, wo eine hölzerne Treppe in eine Tiefe von 1200 Fuß geht; in Wieliczka befindet sich eine Wen deltreppe von 470 Stufen. Bei der sogenannten Fahrtauf dem Knebel sitzt der Bergmann auf einem runden Stück Holz, welches an einem starken Seil od. einer eisernen Kette befestigt ist; die Bewegung geht von einem Göpel od. einer Haspel aus. Eine ähnliche Vorrichtung ist in den ungarischen u. böhmischen Bergwerken, wo an den Seilen 2 starke Ledergurte (Knechte) angebracht sind, deren einer als Sitz, der andere als Lehne dient; zuweilen hängen mehrere solcher Knechte über einander in einer[75] Entfernung von 7–4 Fuß, so daß zugleich mehrere Arbeiter befördert werden können. An andern Orten, z.B. bei Lüttich, fährt man in Tonnen od. kleinen Wagen (Hunden); auch in Schweden bedient man sich starker, mit eisernen Reisen beschlagener Tonnen. Auf den österreichischen u. bairischen Salzwerken ist das Rollfahren auf den sogenannten Rutschen gebräuchlich, welche aus zwei glatten, auf dem Liegenden des Schachtes angebrachten Stämmen u. einem darüber fest angespannten Seil bestehen; man setzt sich auf diese Stämme u. rutscht, indem man sich mit der rechten Hand an das Seil anhält, ziemlich rasch hinab. Statt solcher einfacher Mittel zum Befahren der Gruben hat man, bes. in England u. Deutschland, Fahrmaschinen, mittelst deren sowohl ein schnelleres F., als auch die Beförderung mehrer Arbeiter zugleich u. sogar zu derselben Zeit ein Aus- u. Einfahren von Arbeitern möglich ist, construirt. Eine solche in England angewendete Maschine besteht aus einem Gestänge, welches im Schachte auf u. nieder geht u. in gewissen Entfernungen mit Auftritten versehen sind, welche mit entsprechenden Bühnen im Schachte stets dann in eine Ebene zu liegen kommen, wenn sich das Gestänge in der höchsten od. tiefsten Stellung befindet. Beim F. auf einer solchen Maschine tritt man abwechselnd auf einen Tritt des Gestänges u. auf die Bühne des Schachtes, bis man entweder zu Tage od. in die erforderliche Tiefe kommt. An vielen Orten benutzt man die Kunstgestänge zu solchen Fahrten; diese Kunstgestänge sind zwei lange Balken, welche von den Wasserrädern nach den in den Gruben befindlichen Pumpen gehen u. sich abwechselnd auf u. nieder bewegen, so daß, wenn der eine hinausgeht, der andere hinabgeht. An diesen Gestängen sind Tritte u. Handhaben angebracht. Beim Einfahren in die Grube betritt man den Fußtritt der eben abwärts gehenden Stange u. wird dadurch einige Fuß tief gefahren; im tiefsten Punkte angelangt, tritt man auf den Fußtritt der anderen Stange, die bis jetzt aufwärts ging, nun sich aber abwärts bewegt u. den Fahrenden wieder einige Fuß abwärts befördert u. so fort. Beim Ausfahren betritt man immer die eben aufwärts gehende Stange. Auch hat man vorgeschlagen, zwischen zwei endlosen Ketten od. Seilen, die über Trommeln gehen, Fahrsprossen anzubringen, so daß man auf der einen Seite ein-, auf der anderen ausfahren kann; 4) (Seew.), vom Tauwerk, das Gleiten der Taue durch die Blöcke.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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