- Gustav-Adolfs-Stiftung
Gustav-Adolfs-Stiftung (Evangelischer Verein der G-A-S.), ein Verein aller Glieder der evangelisch-protestantischen Kirche zur Unterstützung der Glaubensgenossen, welche die Mittel des kirchlichen Lebens entbehren u. deshalb in Gefahr sind, der Kirche verloren zu gehen. Bei der zweiten Säcularfeier der Schlacht bei Lützen 1832, in welcher 1632 König Gustav Adolf von Schweden fiel, wurde auf Anregung des Kaufmanns Schild in Leipzig durch eine Sechsersammlung die Ausführung eines Denkmals für Gustav Adolf beabsichtigt, dagegen auf Antrag des Superintendenten Großmann ein Unterstützungsverein für bedrängte protestantische Gemeinden in katholischen Ländern zu gründen beschlossen. Kurz darauf bildeten sich in Dresden unter Käuffer u. in Leipzig zwei Vereine, die sich 1834 vereinigten. Ihre Fonds bildeten sich aus den Einsammlungen im In- u. Auslande u. aus einer vom sächsischen Cultministerium dem Verein überwiesenen Summe von über 2000 Thlrn. an freiwilligen Gaben für ein Denkmal, jedoch durften von allen eingehenden Geldern nur die Zinsen verwendet werden, die Administrirung des Stiftungsfonds verblieb dem Leipziger Verein. In nichtsächsischen Ländern, namentlich in Süddeutschland, fand die Stiftung wenig Theilnahme, doch wirkte sie eine Reihe von Jahren segensreich u. ihr Capital wuchs bes. auch durch die auf 6 Jahre verwilligten Haus- u. Kirchencollecten aus Schweden unter dem König Karl XIV. Johann. Am Reformationsfest 1841 erließ Hofprediger Zimmermann in Darmstadt einen Aufruf an die protestantische Welt zur Gründung eines Vereins für Unterstützung hülfsbedürftiger protestantischer Gemeinden, u. um damit die bereits bestehende Leipzig-Dresdner Stiftung zu verschmelzen, wurde den 16. September 1842. eine Vorversammlung in Leipzig u. den 21. u. 22. Sept. 1843 eine constituirende Versammlung in Frankfurt a.M. gehalten, bei der bereits 20 Vereine vertreten waren. Nach den hier errichteten Statuten ist der Zweck des Vereins die Noth der Glaubensgenossen in u. außer Deutschland, sofern sie im eigenen Vaterlande ausreichende Hülfe nicht erlangen können, nach Kräften zu heben; seine Wirksamkeit umfaßt lutherische, reformirte u. unirte, so wie solche Gemeinden, die ihre Übereinstimmung mit der Evangelischen Kirche sonst glaubhaft nachgewiesen haben; die Mittel dazu werden durch die jährlichen Zinsen vom Capitalfonds des Vereins, so wie durch jährliche Geldbeiträge, Geschenke, Vermächtnisse, Kirchencollecten etc. erlangt, die regelmäßig beisteuernden Mitglieder verbinden sich zu Zweig- u. Hauptvereinen, die an ihren gemeinschaftlichen Mittelpunkt, den Centralvorstand, jährlich Beiträge einzusenden haben; in jedem Staate, in größeren Ländern in jeder Provinz, wird ein Verein als Hauptverein anerkannt, dem sich die anderen dortigen Vereine als Zweigvereine anschließen. Alle Einnahmen der Vereine zerfallen in 3 Theile; über 1/3 steht jedem Vereine die unmittelbare freie Verfügung zu; 1/3 sendet er mit näheren Bestimmungen über dessen Verwendung an den Centralvorstand, od. er versendet es selbst mit einem Schreiben des Centralvorstandes an die betreffende Gemeinde; 1/3 wird dem Centralvorstand zur Capitalisirung od. zur sofortigen Verwendung übergeben. Der Centralvorstand besteht aus 24 Mitgliedern, die durch die Abgeordneten der Hauptvereine auf den Hauptversammlungen gewählt werden, 9 derselben (darunter der Vorsitzende, der Secretär u. der Kassirer) müssen ihren wesentlichen Aufenthalt in Leipzig, die übrigen 15 außerhalb Leipzig haben, alle 3 Jahre scheidet 1/3 der Mitglieder aus. Er vertritt den Gesammtverein in jeder Beziehung, verwaltet die Centralkasse u. wählt zur Prüfung der eingegangenen Unterstützungsgesuche einen Ausschuß aus seiner eigenen Mitte, dessen Gutachten an sämmtliche Hauptvereine übersendet wird. Auf den Hauptversammlungen, die in verschiedenen Gegenden Deutschlands gehalten werden, wird über die Wirksamkeitder Vereinsvorstände u. des Centralvorstandes berichtet, die Rechnung justificirt, über gestellte Anträge berathen etc. Von der Zeit an, wo diese Statuten ins Leben traten (1843), übernahm der in Frankfurt erwählte Centralvorstand die Leitung, 1844 traten sämmtliche preußische Vereine bei u. 1846 waren bereits 39 Hauptvereine, 8 in Preußen (nach den Provinzen), 2 in Sachsen, 3 in Hannover, in den übrigen Ländern je 1 (ausgenommen Baiern, wo der Verein durch Cabinetsordre vom 10. Februar 1844 untersagt wurde, weil sich schon durch den Namen des Vereins eine für den kirchlichen Frieden bedenkliche Parteiverbindung ankündige; erst 1851 ist dies Verbot dort zurückgenommen). Hauptversammlungen, nach der berathenden in Leipzig 1842, wurden gehalten: in Frankfurt a.M. 1843, in Göttingen 1844, in Stuttgart 1845, in Berlin 1846, in Darmstadt 1847, in Breslau 1849, in Eisenach 1850, in Hamburg[792] 1851, in Wiesbaden 1852, in Koburg 1853, in Braunschweig 1854, in Heidelberg 1855, in Bremen 1856, in Kassel 1857, in Leipzig 1858. Gewöhnlich werden hierbei drei Versammlungen gehalten, eine vorbereitende der Abgeordneten zur Legitimation, Wahl des Präsidenten u. Festsetzung der Tagesordnung, eine berathende u. eine beschließende, deren Beschlüsse sofort veröffentlicht werden. Das Organ für die Vereinsangelegenheiten ist der Bote des Evangelischen Vereins der G-A-S., herausgegeben von Zimmermann u. Großmann, Darmstadt seit 1843, u. ähnliche Boten für Thüringen u. Brandenburg; außerdem erscheinen fliegende Blätter u. eine große Zahl anderer Vereinsschriften.
Die G-A-S. als kirchlicher Verein wurde mehrfach in Kämpfe verwickelt, indem ein Theil seiner Mitglieder den kirchlichen Charakter in streng confessionellen Formen suchte, ein anderer aus Humanitätsrücksichten selbst Katholiken u. Juden die Mitgliedschaft gestatten wollte. Der wichtigste Streit war auf der Hauptversammlung in Berlin 1846, wo der als Deputirter von Königsberg dahin gesendete Rupp, wegen seines Austritts aus der Landeskirche, mit 39 gegen 32 Stimmen als Abgeordneter nicht anerkannt wurde. Die Bewegung in der Versammlung wie bald darauf in ganz Deutschland drohte die G-A-S. aufzulösen. Jedoch gelang es 1847 auf der Versammlung zu Darmstadt die Sache durch die Vorschläge von je drei Männern der verschiedenen Richtungen (eines Theils Graf Schwerin, Jonas u. Dittenberger u. anderen Theils König, Elvers u. Grüneisen), dahin zu erledigen, daß künftig der Abgeordnete des Centralvorstandes nur die Vollmacht prüft, dagegen die Hauptversammlung in vorkommenden Fällen über die Unzulässigkeit eines Deputirten wegen fehlender Bedingung der Mitgliedschaft zu beschließen, u. diese Beschlußfassung nach vorgängiger Hörung des betreffenden Hauptvereins auf nächster Hauptversammlung zu erfolgen hat. Die strengen Lutheraner haben sich hauptsächlich wegen der Unterstützung der Reformirten u. Unirten von der G-A-S. fern gehalten. Die anfangs beschränkten Mittel des älteren Vereins haben sich immer mehr erweitert. Bis 1841 betrug die Einnahme 14,727 Thlr., wovon 1876 Thlr. von Zinsen ausgegeben wurden; dagegen stieg dieselbe von Jahr zu Jahr so, daß 1858107,666 Thlr. an 379 Gemeinden (224 in Deutschland u. 155 außer Deutschland) vertheilt werden konnten. Außerdem sind von 1843 bis 1858 dem Centralvorstande, so wie einzelnen Vereinen gegen 50,000 Thlr. an Vermächtnissen zugegangen. Neuerlich sind auch Schweden u. die Niederlande (wo der erste Gustav-Adolfs-Verein Ende 1853 gegründet wurde) beigetreten. Eine große Zahl von Kirchen, Schulen, Pfarrhäusern, Pfarr- u. Schuldotationen hat die G-A-S. ins Leben gerufen. Doch wächst auch von Jahr zu Jahr die Zahl der bedürftigen Gemeinden. Bei den Verwendungen stützt sich der Centralvorstand auf zuverlässige Nachrichten über die Zustände der Gemeinden u. sucht der wirklichen Noth gründlich abzuhelfen. Die Thätigkeit des Vereins ist auf wenig äußere Hindernisse gestoßen, u. die Verordnung der österreichischen Regierung 1846, nach welcher die G-A-S. mit österreichischen Gemeinden nur durch das Wiener evangelische Consistorium in Verbindung treten darf, gewährt den Vortheil, daß sich dadurch die Bedürftigkeit u. Würdigkeit der Gemeinden leicht erkennen läßt. Neben dieser Wirksamkeit nach Außen hat aber auch die G-A-S. nach Innen einen segensreichen Einfluß geäußert, indem sie das Gefühl der Zusammengehörigkeit der evangelischen Kirche geweckt u. für die protestantischen Landeskirchen einen Mittelpunkt geschaffen hat. Vgl. K. Zimmermann, Der Gustav-Adolfs-Verein, Darmst. 1857.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.