Schützengesellschaften

Schützengesellschaften

Schützengesellschaften, Genossenschaften, welche ursprünglich nur in den Städten, in neuerer Zeit auch auf dem Platten Lande sich vereinigt haben, um sich im Gebrauche der Schießwaffen zu üben u. nöthigenfalls als ein militärisches Corps zum Schutze ihrer Ortschaft zu dienen. Die Entstehung der S. reicht zum Theil in eine sehr frühe Zeit zurück, sie kommen in manchen Städten schon im 13. u. 14. Jahrh. vor u. entstanden zu dieser Zeit aus der Nothwendigkeit für die Bewachung u. den Schutz der Städte eigene Corps zu bilden, da die früherhin allgemeine Wehrpflicht der Stadtbewohner bei der wachsenden Blüthe der einzelnen Handwerke nicht mehr ausreichte. Das Streben, welches das Mittelalter überhaupt beherrscht, daß sich die in gleicher Beschäftigung Lebenden zu regelmäßigen, engeren Verbindungen zusammenschlossen, führte dann dazu, daß auch die Schützen ganz, wie andere Gewerbsgenossen, sich zu abgesonderten Gilden u. Verbrüderungen verbanden, eigene Schützenordnungen errichteten u. sich ebenso mancherlei Privilegien, z.B. in Betreff des städtischen Branrechtes, zu erwerben suchten, wie dergleichen bei anderen Innungen vorkommen. Größere Städte hatten für jede Zunft eine eigene Waffengilde od. Banner u. veranstalteten absonderliche Feste, neben denen aber als Erinnerung an die frühere allgemeine Waffenpflicht meist noch ein Hauptwaffenfest blieb, welches in der Regel vor der Stadt auf einem freien Plane (Schützenanger, Schützenfeld) gehalten wurde. Auch nahmen benachbarte Städte, bes. in Süddeutschland, gegenseitig Theil an ihren Schützenfesten, u. dies wurde Veranlassung zur Schließung u. Befestigung von Bündnissen. Die Kosten des Festes wurden Anfangs aus den allgemeinen Mitteln der Stadt od. der anderen Zünfte bestritten, bis die Schützengilden durch Schenkungen u. Beiträge der Mitglieder auch selbst ein zuweilen nicht unansehnliches eigenes Vermögen erlangten. Öfters besaßen die S. auch eigene Innungshäuser in der Stadt, wie sich deren noch in manchen alten Städten, z.B. in Brüssel, finden. Der beste Schütze bei der jährlichen Hauptübung wurde schon in sehr alter Zeit als Schützenkönig mit mancherlei Zierrath geschmückt, in feierlicher Procession herumgeführt u. ihm in dem Innungshause bis zum künftigen Feste ein Ehrenplatz eingeräumt. Zur Befestigung des Schützenwesens trug nicht unwesentlich bei, daß mit der Genossenschaft vielfach sich eine kirchliche Bedeutung verband, indem sie zugleich eine Brüderschaft (s.d.) bildete. Der heilige Sebastian (s.d.), welcher einst heidnischen Schützen zum Ziel ihrer Pfeile gedient hatte, galt als der Schützenheilige u. als Schirmer der Gilde, welche sich von ihm auch wohl die Brüderschaft St. Sebastians nannte, während die Schützen selbst St. Sebastiansbrüder hießen. Als kirchliche Brüderschaft besaß die S. oft dann eine eigene Kapelle od. einen eigenen Altar, von welchem man zu dem jährlichen Schießen auszog, eigene Leichenordnungen, nach denen jeder Sebastiansbruder von allen Mitgliedern der Gilde zu Grade geleitet werden mußte, u. dgl. Als später sich die Waffen vermehrten u. bes. durch die Erfindung des Feuergewehres vielfach veränderten, wurden an demselben Orte wohl auch mehre S. errichtet, welche sich nach den von ihnen gebrauchten Waffen als Gesellschaft der Bogenschützen, Armbrustschützen, Büchsenschützen etc. unterschieden. Das Ansehen der S. sank, als die stehenden Heere aufkamen u. die Macht der Städte sowohl dadurch, als durch manche andere Umstände, bes. auch durch die verderblichen Religionsspaltungen, welche zugleich die kirchliche Seite der S. meist vernichteten, sich mehr u. mehr minderten. In Folge des nach dem Dreißigjährigen Kriege bes. hervortretenden Kastengeistes zogen sich die angeseheneren Bürger von der Theilnahme an den S. mehr u. mehr zurück, u. nur der kleinere Handwerksmann hielt an denselben noch fest, die S. wurden immer mehr zu bloßen Vergnügungsgesellschaften für die Mittelklasse u. ihre jährlichen Übungen zu Volkslustbarkeiten herabgedrückt, bei denen Schwelgerei die Hauptsache, das Abschießen eines Vogels, Sternes etc. von einer aufgerichteten Stange aber nur noch die Nebensache war. Nur in dieser Bedeutung haben sich die S.[486] dann seit dem 16. Jahrh. auch auf das Platte Land ausgedehnt; allein diese Ausdehnung hat vielfach nach mehr zum Nachtheil des Institutes beigetragen, indem die große Menge der Schützenfeste u. der dabei getriebene Pomp endlich die Anordnung polizeilicher Einschränkungen hervorrief. Nur in wenig Gegenden haben die S. ihren früheren Zusammenhang mit dem Zwecke der Landesvertheidigung zu wahren vermocht, u. es ist dort in neuerer Zeit sogar möglich gewesen durch Aussetzung von Prämien etc. dem Institute einen neuen Aufschwung zu verschaffen. Auch die innere Organisation der S. hat sich neuerdings im Anschluß an die gänzliche Veränderung der Bedeutung derselben wesentlich geändert. Während in früheren Zeiten in denselben der Charakter der mittelalterlichen Innungen vorherrschte, so daß an der Spitze ein od. mehre Schützenmeister standen u. die übrigen Mitglieder wohl als Gesellen bezeichnet, auch als solche behandelt wurden, ist die Organisation der neueren S. eine ganz freie, wie sie bei sonstigen Vergnügungsgesellschaften besteht, u. nur zum Zwecke des öffentlichen Aufzuges ist eine militärische Ordnung mit Eintheilung in Bataillons u. Compagnien u. mit einem meist reichlich ausgestatteten Offiziercorps an der Spitze eingeführt. Je nachdem die S. zum Zwecke dieses öffentlichen Aufzuges eine gleichmäßige Kleidung angenommen haben od. nicht, werden sie in uniformirte u. nicht uniformirte S. eingetheilt. Nach dem Vorbilde der Schützenfeste in der Schweiz (s.u. Freischießen) fand, vom 8.–11 Juli 1861 ein allgemeines Deutsches Schützen- u. Turnerfest in Gotha statt, welches von einem großen Theil der deutschen Schützengesellschaften besucht u. Veranlassung zur Bildung eines allgemeinen Deutschen Schützenbundes wurde. Das zweite allgemeine Deutsche Schützenfest fand 13.–22. Juli 1862 in Frankfurt a. M. statt. Vgl. S. von Förster, Die Schützengilden, ihre Sitten, Gebräuche, Waffen etc., Berl. 1856.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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