Ameisen

Ameisen

Ameisen 1) (Formicariae, Formicidae), Familie aus der Abtheilung der Raubwespen, mit mäßigen, keulenförmigen, gebrochenen Fühlern, gestieltem Hinterleib, der Stiel knotig od. mit einer Schuppe, Oberkiefer groß, zangenförmig gezähnelt, Augen klein, Hinterleib oval, Vorderflügel flach, ungefaltet. Die Geschlechtslosen (Arbeiter) haben wie, die Weibchen einen Stachel od. Blase, woraus sie Ameisensäure (s.d.) absondern, die auf der Haut des Menschen einen brennenden Schmerz erregt. Die Männchen sind viel kleiner, haben kleineren Kopf u. größere Augen als die Weibchen, u. auch der Brustkasten ist nicht nur viel kleiner, sondern auch meist deutlich dreiknotig, der mittelste Knoten am dicksten. Männchen u. Weibchen sind geflügelt, verlieren aber die Flügel nach der Begattung. Die Geschlechtslosen sind immer ungeflügelt, haben keine Nebenaugen u. einen größeren Kopf. Die A. leben gesellig in hohlen Bäumen, unter Steinen od. in besonderen Bauen, welche die Geschlechtslosen allein bauen, wie sie überhaupt alle Arbeit verrichten. Die Wohnungen befinden sich gewöhnlich in der Erde, aber die Materialien, die Bauart u. äußere Form der Ameisenhäuser sind nach den Arten der A., welche sie bauen, verschieden: die einen bauen mit Erdstückchen, u. die Wohnungen liegen fast ganz verborgen; andere schleppen kleine Stückchen Holz u. dergl. zusammen u. erheben damit kegel- od. säulenförmige Hügel; noch andere wohnen in Bäumen, deren Inneres sie nach allen Seiten in vielen Gängen aushöhlen. Die Geschlechtslosen gehen regelmäßig aus, um Materialien zum Neste oder Beute zu suchen, wobei sie oft nach allen Seiten von ihrer Wohnung aus weite Straßen anlegen. Die A. scheinen fast eine Art Zeichensprache zu haben, od. vielmehr durch einen sehr seinen Geruch fremdartige Dinge leicht unterscheiden zu können. Sie melden sich den glücklichen Fund einer neuen Beute, helfen u. vertheidigen einander, schleppen gemeinschaftlich Früchte, Insecten u. andere Dinge herbei. Sie füttern die Larven, tragen sie an sonnigen Tagen auf die Oberfläche der Wohnungen, um sie der Sonnenwärme theilhaftig zu machen, jedoch so, daß sie den Strahlen nicht unmittelbar ausgesetzt sind; bei beginnender Nacht od. schlechtem Wetter, tragen sie dieselben wieder zurück ins Innere des Baues, vertheidigen sie gegen die Angriffe ihrer Feinde u. wachen überhaupt über ihre Erhaltung, besonders wenn man ihre Nester zerstört. Dieselbe Sorgfalt haben sie auch für die Puppen, die theils in einem Gespinnste, theils ohne dasselbe sind. Da die A. sehr begierig nach dem Honigsafte sind, welchen die Blattläuse von sich geben, so tragen sie oft diese in ihre Nester. Im Frühling u. Sommer erscheinen die geflügelten Männchen u. Weibchen, um sich zu paaren, was in der freien Luft geschieht, oft in ungeheuren Schaaren. Nach der Begattung fallen die Männchen zur Erde, verlieren die Flügel u. sterben, die Weibchen bleiben aber zurück, stoßen ihre Flügel ab, legen neue Colonien an od. brechen gewaltsam in irgend einen A-hügel ein. Ihre Eier legen sie gewöhnlich erst vom Frühlinge an bis in den August, u. zwar oft an 7000 in einem Jahre. Sie sind so groß wie ein Hirsekorn, milchweiß, werden von den Geschlechtslosen gesammelt u. feucht erhalten, bis nach 14 Tagen die Larven auskommen, die wieder nach 14 Tagen sich in die Puppen verwandeln, welche unter dem Namen Ameiseneier, als gutes Nachtigallenfutter in Riga, Nürnberg, Leipzig etc. einen bedeutenden Handelsartikel bilden. Wenn die Zahl der A. in dem Haufen zu groß geworden ist, so verläßt ein Theil denselben u. legt eine neue Colonie nicht weit von der alten Wohnung entfernt an. Im Juli halten sie die ersten Auszüge u. zwar in ganzen Heeren, voran einige Weibchen. Ist ihr Ziel erreicht, so beginnen sie sogleich mit Ausgrabung der Höhlen u. Gänge, indeß andere unaufhörlich Erde heraustragen. Ist der Boden fest, so bauen sie die Kammern u. Gänge so nahe an einander, daß die Wände ganz dünn sind. Ist dagegen der Boden locker u. sandig, so werden die Wände sehr dick gebaut. Die so in der Erde künstlich ausgeführte Wohnung wird von oben mit Erdklümpchen od. Aststückchen, Knospen, Fichtennadeln etc. belegt. Einzelne Arten führen auch bei ihren Wanderungen Kriege mit einander u. nehmen fremde A-hausen, wenn sie im Kampfe siegen, in Besitz. Außer den Blattläusen findet man in den Wohnungen auch die Larve des Goldkäfers (Cetonia aurata), die man Ameisenkönig nennt, welche die A. wie die Blattläuse durch Krabbeln mit den Vorderklauen dazu reizen, ihren Milchsaft fahren zu lassen, den sie dann lecken. Auch viele Käferarten, Wanzen, Fliegen, Spinnen etc. findet man darin, die theils immer daselbst wohnen, theils in der Nachbarschaft ihren eigentlichen Aufenthalt haben, theils erst dann einziehen, wenn die A. sich tiefer hinab begeben haben u. allmälig erstarren, wie dies im October u. November der Fall ist. Die A. nützen dadurch, daß sie Kornwürmer, Raupen u. schädliche Insecten überhaupt vertilgen, vielen Thieren zur Nahrung dienen, daß sie todte Wirbelthiere so benagen, daß man dadurch die reinsten Scelette erhält; ihre Puppen dienen als Vogelfutter, die A-säure als hautreizendes Heilmittel. Sie schaden dagegen dadurch, daß sie fast alles Thierische u. Vegetabilische anfressen u. vertilgen, besonders aber Süßigkeiten, auch Bienenpuppen etc. Mittel dagegen: Tödten des Hauptstocks, den man zu entdecken sucht, indem man ihrem Zuge nachgeht, durch siedendes od. über Tabaks- u. Nußblätter u. dergl. abgebrühtes u. allmälig darüber geschüttetes Wasser, od. durch Feueranmachen über demselben, od. durch Anzünden von Schießpulver, od. durch Einstreuen von ungelöschtem Kalk in den Haufen, od. einer Mischung von Zuckerwasser u. [400] Arsenik od. Pottasche, ferner Einfangen mittelst gelegter Lockspeise. Auch vertreibt man sie od. hält sie ab mittelst stark riechender Sachen, Theer, Kampfer, Thran, Fischschuppen u. Fischeingeweide, Spicköl u. dergl., welche man an Orte legt, wohin sie nicht kommen sollen. Ebenso überstreut man solche Stellen mit Asche. Schon den Alten, von denen die Griechen die A. Myrmex, die Römer Eormica nannten, war die Klugheit u. der Kunstsinn der A. bekannt, u. schon in der Bibel u. bei Hesiod gilt die A., wie noch jetzt, als Symbol der Arbeitsamkeit u. des Fleißes. Die goldgrabenden A. (s.d.) in Indien gehören nicht hierher. In der griechischen Sagengeschichte sind die A. noch dadurch berühmt, daß aus ihnen das Volk der Myrmidones (s.d.) geworden sein sollte. Die A. sind alle unter dem Linnéischen Geschlecht Formica begriffen, aber neuerer Zeit getheilt worden in: a) A. mit nur einer Schuppe (Knoten) am Bauchstiel u. dann aa) mit Stacheln, bei Weibchen u. Geschlechtslosen; Gattung: Ponera Latr., Myrmecia Fabr., Odontomachus, mit der Art: Pon. coarctata, schmale Stacheln, klein, schwarz, Fühler u. Beine braungelb, unter Steinen, Pon. chelifera u. a.; bb) ohne Stachel, nur mit Giftdrüse, s. Ameise; b) A. mit 2 Schuppen (Knoten) u. einem Stachel; Gattung: Atta u. diese dann unterschieden als aa) Cryptocerus Latr. (Marica Jurin.), das erste Fühlerglied verbirgt sich in eine Rinne am Kopf, Art: Cr. atratus, SAmerika; bb) Myrmica Latr., die Kiefertasten sehr lang, Arten: Feldameise (rothe Feld-A., M. rubra), Stiel mit 4 Knoten, Farbe ziegelroth, Augen u. ein Punkt unter dem Bauche schwarz, unter Steinen, im Holze, stechen schmerzend; Rasenameise (braune A., M. caespitum), Bauchstiel zweiknotig, unter Moos, auf trockenen Wiesen; cc) verwüstende A. (M. pusilla, M. omnivora), wie ein Gerstenkorn, fahl, Bauch schwarz, in O.- u. WIndien, bauen sich, bei der Arbeit sich ablösend, der Sonne wegen, bedeckte Gänge unter der Rinde der Bäume, an den Mauern hinauf mit befeuchteter Erde etc., u. verwüsten Alles, schonen sogar Menschen nicht; dd) Großkopfameise (Atta Fabr.), die Geschlechtslosen mit sehr großem Kopf, dazu die Art: Wanderameise (s.d.). 2) Weiße A., so v.w. Termiten. Von einigen Arten der A. kommen Versteinerungen vor (Formiciten).


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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