Artesische Brunnen

Artesische Brunnen

Artesische Brunnen (fr. Puits artèsiens), nach der französischen Grafschaft Artois genannte natürliche Springbrunnen, die man durch Bohren in die Erde erhält. Die Wahrscheinlichkeit der Auffindung eines A-n B-s hängt von gewissen Bedingungen des inneren Gebirgsbaues ab, z.B. wenn in einem höher als der Bohrpunkt gelegenen Theil der Erdoberfläche Wasser in die Erde eindringt; wenn diese Wasser in unterirdischer Verbindung bis unter dem Bohrpunkt stehen u. wenn jene Wasser weder in noch unter dem Bohrpunkt einen natürlichen od. künstlichen Ausweg finden, durch welchen so viel abfließen kann, als der Zufluß od. das Eindringen von oben beträgt. Am gewöhnlichsten findet man A. B. im Flötzgebirge u. bes. da, wo in diesem wasserdurchlassende, sandige Schichten in etwas geneigter Stellung zwischen 2 wasserdichten, thonigen Schichten liegen. In Granit-Porphyr-Gebirgen, wo weder regelmäßige Schichtungen, noch Thonablagerungen vorhanden sind, ist jede Bohrung auf Springwasser ohne Erfolg, weil alle Wasser, welche sich in den Klüften dieser Felsarten infiltriren, die tieferen Stellen einzunehmen suchen u. an verschiedenen Orten als Quell- od. Seihe-Wasser wieder zu Tage austreten. Zum Bohren der A-n B, bedient man sich eines Erd-, Stein- od. Berg. bohrers, welcher an massivem Gestänge befestigt ist u. entweder mittelst eines Drehschlüssels eine rotirende od. mittelst einer Rammvorrichtung eine stoßende Bewegung ausführt. Die Bohrspähne müssen dann herausgeschafft werden, was man Löffeln nennt. Wenn zu viele Nachfälle erfolgen, so treibt man in das Bohrloch eine 4–6 Zoll weite eiserne Röhre u. setzt auf dieselbe beim tieferen Bohren wieder andere. Andere Arten des Bohrens sind: die Kindsche Methode, 1840 beim Bohren zu Mondorf angewendet, wonach man den Bohrer mit einer Zange an dem Gestänge befestigt; wenn man das Letztere hebt, so fällt der Bohrer frei hinunter u. wird durch die Zange wieder herausgehoben; dabei wird das Anschleifen des Bohrers an den Wänden des Bohrloches vermieden, dem Bohrer geht keine Kraft[777] verloren u. das Bohrloch behält immer seine Weite. Nach der Fouvelschen, zuerst 1847 versuchten Methode wird ein hohler Erdbohrer angewendet, welcher mittelst Schrauben aus Röhren zusammengesetzt u. größer ist als die Röhre für das Bohrloch, so daß um dieselbe ein hohler Raum entsteht. Durch Wasser, welches durch eine mit dem Bohrer in Verbindung stehende Druckpumpe in die Röhre geleitet wird, entsteht zwischen dem Bohrer u. den Wänden des Bohrloches ein aufsteigender Strom, welcher die Bohrspähne aufwärts führt. Gewöhnlich ist jetzt in Europa das Chinesische Seilbohren geworden: dabei ist ein liegender Baum mit dem einen Ende an der Erde befestigt, an dem andern ist der Bohrcylinder, ein hohler Rammblock, mit einm Seil befestigt; indem sich nun zwei Männer auf den Cylinder setzen, biegen sie denselben, wie eine Feder, nieder u. lassen den Cylinder auf dem Grunde des Bohrloches tanzen u. je tiefer der Cylinder eindringt, desto mehr wird das Seil nachgelassen; zur Entleerung des Cylinders von Erde od. Gesteintrümmern wird derselbe aufgezogen. Dieses ist die einfachste u. leichteste, aber auch langweiligste Methode. Mit dem Bohren wird fortgefahren, bis sich das gesuchte Wasser über die Erdoberfläche erhebt. Dieses Erheben des Wassers kommt daher, daß die im Erdkörper eingespannten Wassermassen nach ihrer Lösung mit dem Erdbohrer durch den Druck höher als das Bohrloch liegender Quellen in Verbindung innerer eingeschlossener Luft, od. im Erdkörper entwickelter Dämpfe aufgetrieben werden. Das Wasser der A-n B. ist beim ersten Aufsteigen gewöhnlich trüb u. schlammig, wird aber, nach Verlauf von einigen Tagen, hell u. enthält eine Wärme, deren Grad sich nach der Tiefe des Brunnens richtet; das Wasser des 2278 F. tiefen Brunnens zu Mondorf beträgt 27° R. Überhaupt hat man gefunden, daß die Wärme des Wassers auf je 86 F. Tiefe um 1° steigt. Der Nutzen der A-n B. besteht theils darin, daß man in dürren Ländern u. Wüsten Wasser erhält u. dadurch solche Stellen cultiviren kann; theils darin, daß des Wasser in denselben nie versiegt, daß es sehr reichlich fließt u. in allen Jahreszeiten eine bestimmte mittlere Temperatur hat, weshalb man die A-n B. zur Bewässerung von Anlagen, Erwärmung von Fischteichen, Heizung von Treibhäusern (z.B. in den königl. Gärten zu Cannstadt), Treiben von Maschinen etc. anwenden kann. Auch werden Salzquellen auf diese Weise geöffnet u. die Soole zu Tage gefördert. Solche Brunnen sind schon früh in China u. in Ägypten gebohrt worden; die Europäer lernten sie zur Zeit der Kreuzzüge in Asien kennen, u. schon im 12. Jahrh. soll einer in der franz. Grafschaft Artois gebohrt worden sein; im 17. Jahrh. gab es deren schon in Österreich u. Ober-Italien, wo der zu Modena von Ramazzine (De admiranda fontium scaturigine. Mod. 1691) beschrieben wurde, u. seit dem 18. Jahrh. wurden sie häufig in der französischen Grafschaft Artois gebohrt, weshalb sie Belidor Puits artésiens nannte. Jetzt hat man sie auch in Deutschland, bes. in Sachsen Baiern u. Württemberg, in welchem letzten Lande, es 1837 schon 120 gab. Zu den vorzüglichsten A-n B. gehören die von Grenelle bei Paris (1738 P. F.), in Mondorf bei Luxemburg (2278 F.), in Dresden (in Antonstadt), in Nürnberg, bei Würzburg, in Heilbronn, mehrere in u. bei Berg nächst Stuttgart, drei zu Ober-Deischlugen im Württembergischen, einer auf dem Bahnhof der Wien-Gloggnitzer Eisenbahn (der großartigste u. merkwürdigste in Österreich, in Bezug auf Tiefe u. Ergiebigkeit) in Venedig, Calais, Tours, Lille, mehr als 1001 in Reuß bei Tarragona u. über 60 zu Villascoa in Spanien, in Aberdeen in Schottland, in der Wüste von Suez, in Algier u. a. O. Bonner, Über die Anlage der Bohrbrunnen, 2. A., Münst. 1831; Spetzier, Die Anlage A-r B., Lüb. 1832; Gambihler, Das Bohren von A-n B., Nürnb. 1832; Bruckmann, Anl, zu Anlage sogenannter A-r B., Heilbr. 1832f.; Paulucci, Das techn. Verfahren bei Bohrung A-r B., Wien 1838; Jacquin, Über die A-n B. um Wien, Wien 1831; Frommann, Über die Bohrmethode der Chinesen, Kobl. 1835.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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