- Ausdünstung
Ausdünstung (Exhalation, Evaporation), der Übergang tropfbar flüssiger, od. theilweise fester Stoffe in Gasform u. die Vermischung dieser mit der atmosphärischen Luft, sobald dieselbe damit in Berührung kommt, alles dies ohne Hinzutritt einer höheren Temperatur, unter der auch eine höhere Steigerung derselben, mit völliger Aufhebung des Zusammenhanges jener Stoffe als Verdampfung, Verbrennung Statt findet. Die A. beruht auf dem Streben der Naturstoffe nach Expansion od. auf Äußerung der zurückstoßenden Kraft ihrer kleinsten Theilchen. Da dies nur auf Kosten des Wärmestoffes, der sie umgiebt, geschehen kann, so ist jede A. mit Kälte verbunden. Zunächst ist ihr das Wasser ausgesetzt (hier Verdünstung), noch mehr aber Alkohol u. Äther. Feste aufgelöste Körper werden durch Verdünstung der Feuchtigkeit zu trockenen. Die Verdünstung wird durch Verminderung des Luftdruckes begünstigt u. erfolgt selbst im luftleeren Raume. Bei mittlerem Luftdruck verlieren stillstehende Wasser in Jahresfrist 21/2 Fuß durch die A., bewegtes Wasser aber, wie das Meer, leicht das Zweifache. Im Sommer, überhaupt bei Luftwärme, auch in trockener u. strömender Luft, ist die A. stärker. Auch das Eis dünstet, zumal während der Eisbildung, beträchtlich aus, so auch der Schnee. In der Luft erhält sich nur ein Theil des Ausdünstungsstoffes gasförmig u. setzt sich bei Überfüllung, od. auch zu Folge innerer Vorgänge in der Atmosphäre, als Dunst wieder in tropfbar flüssigen Zustand übergehend, an andere Körper, zumal kältere, an. Daß auch feste Körper ausdünsten, beweisen die Wirkungen des Quecksilbers auf ihm nahe Körper, welche die Fähigkeit besitzen, davon auf eigene Weise afficirt zu werden. Eine Menge Naturstoffe, auch fester Art, haben aber Neigung. dunstartig völlig in die Atmosphäre überzugehen; sie heißen daher flüchtige u. werden als solche bes. durch das Geruchsorgan wahrgenommen. Der Erdkörper dunstet unaufhörlich aus, u. es findet ein beständiger Stoffwechsel zwischen ihm u. der Atmosphäre, durch Abgabe von Stoffen der mannigfaltigsten Art, Statt. In Bergwerken u. tiefen Erdhöhlen sieht man nicht nur tropfbare Flüssigkeit (Wasser) in Dunstform aus den Erdräumen hervorbrechen, sondern auch nach localen Bedingungen kohlensaures u. entzündbares Gas, auch andere Stoffe in Gasform. Der nächtliche Thau beruht größtentheils auf diesem Übergang von Dunst aus der Erde in die Atmosphäre, wobei die Pflanzen nur Vermittler sind. Eben so dünsten alle Pflanzenkörper blos Wasser, volatile (riechbare) Stoffe u. Gasarten, nach Verschiedenheit der Lichteinwirkung, aus. Bes. wichtig ist die Ausdünstung für das Thierleben. Sie erfolgt bei Menschen u. den ihnen näher gestellten Thieren, bes. durch die Schleimhaut der Lungen unter dem Ausathmen (auf welche sie bei fleischfressenden Thieren, wie bei Hunden, fast allein beschränkt ist), u. durch die ganze äußere Hautfläche; sie ist gewöhnlich kaum merklich; zeigt sich aber, durch Hitze, Bewegung od. sonst ungewöhnlich vermehrt, als Schweiß, der jedoch bei den hundeähnlichen Thieren durch Schleim, der ans dem Munde abfließt, ersetzt wird. Überhaupt ist sie stärker in heißen Jahreszeiten u. Ländern, bei jungen Personen, unter warmer Bekleidung u. Körperbedeckung, nach dem Genuß warmer Getränke, bei Anstrengungen des Körpers, überhaupt bei regem Leben u. allgemeinem Wohlbefinden. Andere Absonderungen, vorzüglich die des Urins, stehen mit ihr in Wechselbeziehung u. sie ersetzen einander; auch ist sie geringer während der 1. Periode der [42] Verdauung. Nach einer ungefähren Schätzung beträgt sie in 24 Stunden 41/2 Pfund, wovon 1 Pfund 8 Unzen auf die Haut-A. kommen. Die Ausdünstungsfeuchtigkeit selbst besteht aus Wasser mit etwas kohlensaurem Gas, Milchsäure, einer eigenthümlich thierischen, oft fettigen Materie, welche, von den Talgdrüsen der Haut abgesondert, den einzelnen Theilen u. auch verschiedenen Individuen einen eigenthümlichen Geruch ertheilt. Thiere mit weichem Körper dunsten vorzüglich stark aus; so Frösche an der Luft bei heißem Wetter in 12 Stunden wohl 1/4 ihres Gewichts. Die A. ist mit dem Gesundheitszustande des Körpers in sehr nahem Bezug, nicht nur durch trockene Haut, Frostgefühl, bei Übelbefinden sich andeutend, sondern auch als Ursache von mancherlei Krankheitserscheinungen, katarrhalischen, rheumatischen Krankheiten, Verdauungsfehlern, Kopf-, Augen-, Zahnweh etc. Fast in allen Krankheiten ist Unterhaltung u. Beförderung der A. ein Hauptaugenmerk der ärztlichen Behandlung, doch immer mit Berücksichtigung, daß sie nicht zu stark werde, s. Schweiß. Gestörte A. ist eine Hauptveranlassung von Körperaffection. Unterdrückte A. wird am leichtesten durch mäßig warmes, etwas aufregendes Getränk, gleichmäßige, nicht anstrengende Bewegung in warmer trockener Luft, od. auch durch Ruhe bei sorgfältiger Körperbedeckung, durch Fußbäder, allgemeine laue Bäder, Dampfbäder wieder hergestellt.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.