Blaufarbenwerk

Blaufarbenwerk

Blaufarbenwerk, Schmelzhütte, in welcher Smalte als blaue Farbe bereitet wird. Da das Blaufarbenerz (Kobalt), als der Grundstoff der Smalte, meist, außer mit Eisen, Nickel u. Wismuth, auch mit Arsenik, Schwefel u. Antimon vermischt ist so[866] müssen die letzteren Stoffe ausgeschieden werden, indem man vor Allem das Wismuth von den Kobalterzen durch Ablagern trennt, die Erze dann pocht u. in besonderen Öfen (Flammöfen), welche mit einem Giftfange od. mit Giftkammern versehen sind, um auch Arsenik zu gewinnen, röstet u. Pochen u. Rösten nochmals wiederholt. Durch das Ausscheiden des Arseniks oxydirt das porös gewordene Kobalt leichter, u. je mehr es Sauerstoff anzieht, desto mehr färbt es; doch darf es nicht bis zum völligen Entweichen des Arseniks resp. Schwefels geglüht werden, weil das Nickel- u. Eisenoxyd bei der Bereitung der Smalte gleichfalls in diese übergehen u. die Farbe verderben würde, während anderenfalls beide Oxyde sich, mit Arsenik u. Schwefel zusammentretend, von der Glasmasse absondern u. auf dem Boden der Schmelzhäfen die Kobaltsyeise bilden. Das auf diese Art zubereitete Kobaltoxyd (Saflor), erscheint in Gestalt eines graubraunen Pulvers u. wird, mit Quarzmehl od. Sand zusammengemahlen, unter dem Namen Zaffer in den Handel gebracht; dieser dient zur blauen Glasur der Töpferwaaren, zur blauen Farbe auf Porzellan u. zum Färben des Glases u. Emails. Je nach der Reinheit des Zaffers unterscheidet man ordinäre (OS), mittlere (MS) u. seine (FS u. FFS). Um die blaue Farbe zu bereiten, wird der Zaffer mit Pottasche gemengt u. in thönernen Glashäfen (Blaufarbenhäfen), großen irdenen Tiegeln, welche vor dem Gebrauche in dem Abwärmeofen, einer Art Backofen, durchgeglüht werden, zum Schmelzen gebracht. Die zu schmelzende Masse nennt man Fritte. Die Schmelzöfen sind wie gewöhnliche Glasöfen eingerichtet, ebenso die Häfen, nur mit dem Unterschiede, daß diese nahe über dem Boden ein während der Arbeit mit Thon verstrichenes Loch haben, welches zum Ablassen der Kobaltspeise dient. Nachdem man die Masse 8–10 Stunden unter bisweiligem Umrühren (das erste Aufstechen) hat schmelzen lassen, ist sie flüssig genug, welches man daran erkennt, daß sie sich an einem hineingesteckten Thonpfeifenstiele ansetzt u. zu Faden ziehen läßt; dann wird die Glasmasse mitgroßen eisernen Löffeln in die Speisehütte, eine große Kufe, geschöpft, durch welche beständig kaltes Wasser fließt. Hierdurch behält das Glas, Blaufarbenglas, nicht nur eine hochblaue Farbe, sondern wird auch spröde, um dann leichter geklopft u. gemahlen werden zu können. Beim Schmelzen sammelt sich unten im Tiegel die Kobaltspeise (Speise, König), eine Legirung von Nickel, Arsenik, Wismuth, welche außer geringen Mengen von Kobalt u. Eisen auch noch Schwefelmetalle enthält; sie wird zur Nickelgewinnung angewendet. Die leeren Tiegel werden sogleich wieder mit Fritte gefüllt, u. es kann in denselben 4–5 Monate ununterbrochen geschmolzen werden. Diese Arbeit verrichtet der Blaufarbenglasschmelzer. Hierauf wird das Glas gepocht, gesiebt u. gemahlen, welches auf der Blaufarbenmühle u. dem Blaufarbenpochwerk geschieht. Beide Maschinen sind in Einem Gebäuden. werden von derselben 30–40 Fuß langen Welle in Bewegung gesetzt. An dem einen Ende der Welle wird ein gewöhnliches Pochwerk getrieben; an dem anderen Ende der Welle treiben 2 Stirnräder 2 Läufer der Mühle; beide Mahlsteine müssen sehr hart sein, weßhalb man dazu gewöhnlich Granit wählt. Um den Bodenstein befindet sich eine Einfassung von Faßdauben; in der Einfassung ist horizontal mit der Oberfläche des Bodensteins ein Zapfenloch, durch welches man das 6 Stunden unter Zugießung von Wasser gemahlene Glas kann abfließen (ausräumen) lassen. Hierauf muß das Glas gewaschen (geschlämmt) werden; dabei schüttet man es in ein Faß, gießt Wasser darauf u. rührt es gehörig um; sobald sich die gröbsten metallreichsten Theile gesetzt haben, gießt man das Wasser in ein anderes Faß, damit sich in demselben die weniger groben Theile setzen, u. wiederholt dies in derselben Absicht noch mit einigen Fässern, bis sich in dem letzten Fasse die zartesten u. blassesten Theile setzen, woraus der Eschel besteht. Die in den ersten Fässern zurückbleibende Farbe wird wieder mit Wasser überschüttet, umgerührt, durch ein Haarsieb gegossen u. auf gleiche Weise behandelt; aus dem letzten Wasser gewinnt man dann in den Sümpfen den schlechteren, Sumpfeschel. Die gröbste Sorte, das Streublau, kommt unter dem Namen Blausand in den Handel; die zweite Sorte, Couleur, besteht aus nicht ganz seinen, aber rein farbigen Glastheilchen; die dritte, Eschel, besteht aus seinen, aber mit Steinmehl verunreinigten Glastheilchen; die feinste u. kobaltreichste Sorte der Couleur wird Königsblau genannt. Durch das vielfache Waschen der Smalte, d.h. der durch Schmelzen von Kobalterzen mit einem Glasflusse erhaltenen blauen Farbe, werden die unreinen salzigen Theile, Glasgalle etc., weggeschafft u. die verschiedenen Blaufarbensortimente, deren die Holländer wohl 50 haben, gemacht. Farbe u. Eschel, welche sich in den Fässern gesetzt haben, werden auf Reibebretern durch Walzen zerrieben, in geheizten Zimmern, od. auf einem Trockenofen getrocknet, gesiebt u. zum besseren Einpacken in Fässern etwas angefeuchtet. Da die verschiedenen Kobalterze einen ganz verschiedenen Kobaltgehalt haben, so muß man vorher im Kleinen probiren, ob sie zum Schmelzen taugen, wobei man auf 1/3 Kobalt 2/3 Borax nimmt. Welche Quantität Kobalt man zur Mischung nehmen müsse, muß auch erst im Kleinen probirt werden; dies geschieht auf dem Auflegebretchen, einem Bretchen, in welchem Vertiefungen angebracht sind, welche Muster von blauer Farbe (Blaufarbenmuster) enthalten, mit denen man auf Schiebern Proben des Kobaltglases vergleicht (auflegt), um die Güte desselben zu taxiren. Je mehr Kobalt, desto schwärzer wird das Glas, je weniger, desto hellblauer; doch ist dabei zu berücksichtigen, daß die Smalte immer heller ausfällt, als das Glas. Gewöhnlich wird 1/5 Kobalt, 2/5 Sand od. Kiesel u. 2/5 Pottasche genommen. Die Aufsicht über das B. u. den Oberbefehl über die Arbeiter hat der Blaufarbenwerksfactor; der Blaufarbenmeister hat den technischen Betrieb, das Rechnungswesen u. den Verkauf der Blauen Farbe zu besorgen, ihm ist zuweilen ein Blaufarbeninspector als Unterbeamter, Controleur u. dgl. zugeordnet; der Blaufarbenbereiter besorgt das Rösten des Kobalts. Das Versenden der Blauen Farbe geschieht in Fäßchen (Blaufarbenfäßchen), welche je 1/4, 11/3 bis 31/2 Ctnr. halten. Die denselben eingebrannten Zeichen (Blaufarbenfässer-brandzeichen) stehen in Sachsen über den Sortimentsbuchstaben u. es ist das königliche Wappen darunter; bei der böhmischen Blauen Farbe stehen sie unter den Sortimentsbuchstaben; bei ersteren bedeutet F fein, M mittel, O ordinär, C Couleur, E Eschel, B böhmisch, S Stück (d.h. nach dem [867] Trocknen nicht weiter bearbeiteter Eschel), G gesiebt (d.h. nach dem Trocknen wiederum zerkleinerter u. gesiebter Eschel), MBS Mittelblausand. Die Smalte ist von Christoph Schürer, einem böhmischen Glasmacher zu Neudeck, zwischen 1540–1560 erfunden. Er brauchte seine Erfindung, um den Töpfern eine blaue Glasur zu liefern, u. verkaufte sein Geheimniß an die Holländer, welche nun den Kobalt aus Sachsen bezogen, Farbemühlen anlegten u. ein schönes Product lieferten. Erst zu Anfang des 17. Jahrh. legte Sachsen Farbenwerke bei Schneeberg an, zu denen später noch 2 kamen, so daß Sachsen jetzt 4 B-e, 1 königliches u. 3 gewerkschaftliche, hat, die etwa 5000 Centrer produciren. Die beste Blaue Farbe wird jetzt in Sachsen, bes. zu Schlema, Pfannenstiel, Zschopenthal, doch auch auf dem Harz (zu Hasserode), in Böhmen, zu Schwarzenfels in Kurhessen, an der Ruhr, Schlesien, Frankreich u. Norwegen (zu Modum) bereitet u. geht als Handelsartikel in alle Welt. Seit 1840 existiren auch in England B-e; den Kobalt bekommt man hier aus Chile (peruanischen Kobalt). Die schlechtere Sorte wird zum Bläuen der Wäsche, des Lein- u. Baumwollenzeuges, des Bleiweißes u. früher auch des Meliszucker verwendet; zu letzterem Zweck, auch zum Bläuen des Papieres, ist indessen wohl überall die Smalte durch das Ultramarin verdrängt worden. Die bessere u. feinere Smalte wird zum Malen, zu Glasuren u. dgl. verbraucht. Eine Nebenproduction in den B-en ist die Darstellung des Nickels (s.d.), welcher zur Argentanfabrikation gebraucht wird.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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