Dar-Fur

Dar-Fur

Dar-Fur (Dar-For, d. i. das Land Fur od. das Land der Fur od. Fori), 1) einer der bedeutendsten Staaten des östlichen Sudan, erstreckt sich von 5°30' bis 15°30' n. Br. u. besteht im Wesentlichen aus dem von mehreren Querthälern durchschnittenen, von N. nach S. streichenden Gebirgszuge[743] Marrah u. den östlich u. westlich desselben anliegenden Ebenen. Gegen N. geht D. unmerklich in die Sahara über; im O. ist es von Kordofan (Kordifal) durch eine 10 bis 18 Tagemärsche breite wasserlose Steppe getrennt, die bis ins Land D. selbst hineinreicht; ähnlich ist es im W. durch einen schmalen Strich Landes mit Haide u. Waldung von Wadai geschieden, während es in SW. durch das breite Thal des oberen Zum von Dar Runga, dann im S. von den sumpfigen Niederungen der Landschaft Dar Kulla am unteren Zum, endlich in SO. durch das Sumpfland Bardschaab begrenzt wird. Im Gebirge Marrah entspringen mehrere ansehnliche Flüsse, so im nördlichen Theil der Bare od. Bari, welcher den Barkua od. Bergo aufnimmt u. nach längerem Laufe im W. des Marrah sich mit dem Zum vereinigt. Letzterer nimmt noch den vom südlichen Marrah kommenden Golol od. Kolol auf u. fällt unter dem Namen Iles od. Kailak (wohl identisch mit dem Bahr-el-Ghazal [Gazellenfluß]) in den Weißen Nil. Quellen finden sich nur in den Berglandschaften häufig, doch trifft man im nördlichen Theile D-s bereits einige Fuß unter der Erde auf Wasser; im südlichen Marrah soll es heiße Quellen sowie Schwefellager geben; sonst findet man im Gebirge von Mineralien bes. Eisen (Raseneisenstein) u. Steinsalz. Weizen gedeiht bes. auf den Bergrücken; in den Thälern in Überfluß Datteln, Bananen, Citronen, Zwiebeln, Lauch, rother Pfeffer, Kumin, Koriander, Gurken; auch wird viel trefflicher Honig gewonnen. Das Klima ist nicht überall gleich gesund; am gesundesten im östlichen Sandlande (Gaur), am ungesundesten im Said, den sumpfreichen Landschaften im W. u. SW. des südlichen Marrah. Sommer ist von März bis Juni, Herbst von Juli bis September, Winter im October u. November, Frühjahr im December bis Februar. Der Herbst ist die Regenzeit, die etwa 75 Tage währt. Producte: im Gebirge Weizen, in den Ebenen Hirse u. Mais, sonst außer den oben genannten Früchten noch der sehr nützliche Thilleg (Tholukh), Baumwolle, Sesam etc.; die Waldungen liefern mehrere Arten von Bauholz; die Pferde sind von vorzüglicher Güte u. Ausdauer; gejagt werden Kaninchen, Hasen, Gazellen, wilde Ochsen, Füchse u. der Tetal, sowie von schädlichen Thieren Löwen, Hyänen, Elephanten, Rhinoceros etc. Die eigentlichen Bewohner des Landes, dessen Gesammtbevölkerung sehr verschieden angegeben wird, aber wahrscheinlich gegen 4 Mill. beträgt, bilden die Fori od. Gandscharen, zwar schwarz, aber nicht vom Negertypus. Sie reden eine ganz eigene Sprache in verschiedenen Mundarten u. haben ihre Heimathhsitze auf dem Marrah, wo sie noch stammweise untermischt wohnen. Die Fori auf dem Gebirge sind zwar noch sehr roh, aber wohlhabend durch Schaf- u. Rindviehzucht, Garten- u. Ackerbau. Obgleich sie fast durchgängig zum Islam bekehrt sind, steht ihr altes Heiligthum auf dem hohen Kegelberge Marrah doch noch in höchstem Ansehen. In den Ebenen sind die Fori mit anderen Völkern gemischt, so im O. mit den Shghanah u. Berti, weiter südlich mit den Birguid u. Tundshur, endlich noch weiter südlich mit den Dadscho u. Bidscho. Im W. des Marrah bis nach Wadai hinein wohnen die ziemlich wohlhabenden u. zahlreichen Massalit, durch ihre schönen Frauen bekannt; Araberstänmme nomadisiren bes. in den östlichen Ebenen. Von Gewerben wir die Spinnerei, Weberei, Färberei, Gerberei u. Eisenarbeit zum Theil nicht ohne Geschick betrieben. Die Ausfuhr besteht in Sklaven, Gummi, Elfenbein, Tamarinden, Medicamenten, Ochsenhäuten, Straußfedern u. Kupfer (aus Dar-Nahaß im S. von D.); eingeführt werden Glasperlen u. Glaswaaren, Korallen, rothe Mützen, Baumwollenzeuge, gerade Schwerter, Rasirmesser etc. Der Tellari od. svanische Douro wird mit Vortheil umgesetzt. Die eigentliche nationalökonomische Basis D-s wie des ganzen Sudan, der Sklavenhandel, ist vollkommen organisirt; mit Erlaubniß des Sultans kann Jeder eine Sklavenjagd auf sein Risiko unternehmen. Der Sultan von D. ist völliger Despot; er wird mit tiefster Unterwürfigkeit verehrt. Die Verfassung des Landes ist eine Art Feudalsystem; der höchste der Würdenträger des Staates, die nach den Gliedmaßen des Sultans betitelt werden, ist der Ab-Sheikh. Die Residenz od. Fascher des Sultans ist seit 1791 die Stadt Tendelty, zerstreut in einer sandigen Ebene des nördlichen D. gelegen. Ein wichtiger Handelsplatz ist Kobbeh (Kobeyh), eine Tagereise nördlicher, mit 6000 Ew., meist fremden Handelsleuten; die einzige Stadt D-s, die bisher von einem Europäer (Browne) besucht ward. Hauptort für den Handel mit Kordofan ist Dschemaan, 7 Tagereisen im SO. von Tendelty, sowie für den äußerst belebten Verkehr mit Wadai die sehr bevölkerte Stadt Kabkabych im NW. des Landes. Hauptsammelplatz für die nach Ägypten ziehende Karavane ist Sweini. 2) (Gesch.). Die Sultane sind ursprünglich arabischen Stammes; um die Mitte des 18. Jahrh. herrschte der Sultan Ahmed Baker (Bochar), welcher sieben Söhne hinterließ. Zunächst folgte der älteste derselben, Omar, welcher nach 7jähriger Regierung in einer Schlacht gegen den Sultan von Wadai fiel, worauf dessen nächster Bruder, Abul-Kasim, auf den Thron kam. Als dieser nach 7 Jahren auf dieselbe Weise sein Leben verloren hatte, folgte ihm sein jüngerer Bruder Tirab, der 33 Jahr regierte u. in Kordofan verstarb, welches er kurz vorher von Senaar erobert hatte. Ihm folgte 1787 Abd-er-Rahman, der jüngste Sohn Ahmed-Baker's, der sich jedoch nach seiner Wahl zum Sultan von Kordofan aus erst D. erobern mußte, wo sich unterdessen Ishak, der Sohn Tirab's, zum Sultan aufgeworfen hatte; Abd-er-Rahman trat 1799 in Verbindung mit Napoleon, die jedoch in Folge der Verhältnisse wieder abgebrochen wurde. Er starb nach langer Regierung, worauf es dem fähigen u. kräftigen Ab-Sheikh, Namens Mohammed-Kaurra, gelang, den minderjährigen Sohn Abd-er-Rahman's, Mohammed-Fad hel, auf den Thron zu setzen; in der That war jedoch Kaurra der Regent. Das Land gedieh unter ihm zu Blüthe u. Wohlstand; ebenso auch Kordofan, bis dieses 1821 durch Mehemed-Ali El-Defterdar im Auftrage des Vicekönigs Mehemed-Ali nach einer mörderischen Schlacht unweit Bara, in der Musalem, der Anführer des Foriheeres, selbst fiel, erobert ward u. unter dem türkischen Regiment bald verfiel. Es entstand jetzt für D. selbst Gefahr. Mehemed-Ali nahm sich der Sache des Fori-Prätendenten Abu-Madjan an u. versprach diesem 1833, ihn mit Waffengewalt auf den Thron zu setzen. Das Heer war bereits in Kordofan zusammengezogen, als das ganze Unternehmen an der Meuterei eines rumeliotischen Hülfscorps scheiterte.[744] Seitdem hat sich D. gegen Kordofan abgesperrt u. der frühere großartige Handelszug von D. nach Ägypten nach Westen über Wadai u. Bornu nach Fezzan u. Tripolis gewendet. Dem Sultan Abu-Fadhel folgte 1842 sein Sohn Hussein auf dem Throne. Vgl Palme, Beschreibung von Kordofan u. einigen angrenzenden Ländern, Stuttg. 1843; Ismard, Voyage de Darfour, par le Cheikh Mohammed-Ebn-Omar el Tounsy, Par. 1845.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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