Destillation

Destillation

Destillation (v. lat.), die unter Anwendung des Feuers bewirkte Zersetzung chemisch zusammengesetzter Substanzen, um einen ihrer Bestandtheile auszuscheiden u. in einem besonderen Behälter aufzufangen. A) Nasse D., chemische Operation, welche den Zweck hat, die in einem Gemisch enthaltenen flüchtigen Materien in Dampf zu verwandeln u. diesen durch Abkühlung wieder zu Flüssigkeit zu condensiren. Die durch die D. erhaltene Flüssigkeit nennt man Destillat, was zurückbleibt, Rückstand (Residuum), u. wenn dasselbe von geistigen Flüssigkeiten herrührt, Phlegma; Todtenkopf (Caput mortuum) nannte man sonst den Rückstand, wenn er trocken u. von keinem besonderen Werth mehr war. Die älteren Chemiker unterschieden in Bezug auf die praktische Ausführung: a) die gerade od. aufsteigende D. (D. recta, D. per ascensum), wobei man sich einer Blase mit aufgesetztem Helm (Hut) bediente; b) die schräge od. seitwärs gehende D. (D. oblīqua, D. per latus, D. per inclinationem), welche in gewöhnlichen Retorten vorgenommen wurde; u. c) die unterwärts gehende, absteigende od. senkrechte D. (D. per descensum), wo die Einwirkung der Hitze von oben geschah u. die Dämpfe durch ein im Boden des Gefäßes befindliches Rohr nach unten zu abgeleitet wurden. Der Destillationsapparat, welcher je nach der zu destillirenden Flüssigkeit von Glas, Metall, Thon etc. verfertigt ist, besteht aus einem Gefäß, in welchem die Flüssigkeit in Dampfform verwandelt wird (Kolben, Retorte); einem anderen, in welchem sich die Dämpfe condensiren (Condensator, Kühlapparat, Refrigerator), u. einem dritten, in welchem sich die condensirte Flüssigkeit ansammelt (Vorlage). Bei leicht condensirbaren Flüssigkeiten kann die Kühlvorrichtung wegfallen, man kühlt alsdann die Vorlage ab, indem man sie mit Eis od. kaltem Wasser umgibt. Zur D. sehr flüchtiger Flüssigkeiten wendete man sonst einen eigenthümlichen Apparat, die Alembik, an, bei welchem auf dem Kolben ein Helm aufgesetzt war, der zugleich das Überspritzen der siedenden Flüssigkeit in die Vorlage verhinderte. Jetzt bedient man sich fast allgemein des von Liebig construirten Kühlapparates, welcher so construirt ist, daß das Verbindungsrohr zwischen Retorte u. Vorlage in ein anderes eingelegt ist, welchem fortwährend frisches Wasser zufließt, während das erwärmte am anderen Ende abläuft. Was die übrige Einrichtung des D-apparates anlangt, so richtete sich diese nach dem Siedepunkt der Flüssigkeit, nach ihrer Flüssigkeit u. anderen Verhältnissen. In größerem Maßstabe wird die D. bei der Branntweinbrennerei (s.d.) ausgeführt, wo man bei der Construction der Apparate hauptsächlich darauf zu achten hat, daß ein Branntwein von bestimmtem procentischem Gehalt u. möglichst wasserfrei erhalten wird. In chemischen Laboratorien wendet man zur Trennung zweier od. mehrerer Substanzen von verschiedener Flüchtigkeit die sogenannte fractionirte D. an, welche darauf beruht, daß ein solches Gemisch bei einer gewissen Temperatur siedet u. aus demselben zuerst die flüchtigere Flüssigkeit fast allein überdestillirt, dann die Temperatur steigt u. die weniger flüchtige übergeht, so daß man an einem in die Retorte gebrachten Thermometer genau beobachten kann, wenn die eine Substanz vollkommen verdampft ist u. die nächst flüchtigere zu destilliren ananfängt; man wechselt, wenn die Temperatur der Flüssigkeit plötzlich steigt, die Vorlage u. erhält so die verschiedenen Flüssigkeiten getrennt u., wenn man mit Vorsicht destillirt hat, ziemlich rein. B) Trockene D., Zersetzung organischer Körper in der Hitze, welche in geschlossenen Apparaten, wie bei der nassen D. vorgenommen wird. Die Producte dieser D. werden je nach ihrer Natur in entsprechenden Gefäßen aufgefangen; die festen u. flüssigen in abgekühlten Vorlagen, die gasförmigen in Glocken. Alle organischen Körper zersetzen sich in höheren Hitzegraden, indem sich ihre Elemente zu einfacheren Verbindungen gruppiren, die bei steigender Temperatur endlich rein unorganischer Natur werden. Diese Endproducte der Zersetzung sind Kohle, Kohlenoxydgas, Kohlensäure, Kohlenwasserstoffe, Wasser u., bei stickstoffhaltigen Körpern, Ammoniak u. Cyan. In der Praxis findet die trockene D. hauptsächlich bei der Herstellung von Leuchtgas, Paraffin u. Photogen aus Steinkohlen, Holz, Torf, Braunkohlen etc. Anwendung. Werden solche Stoffe der trockenen D. unterworfen, so destillirt zuerst eine dunkel gefärbte wässerige Flüssigkeit über u. dann eine ölartige schwarze Masse, der Theer; nebenbei entwickeln sich permanente Gase. Die wässerige Flüssigkeit enthält viel Essigsäure, so daß man dieselbe fabrikmäßig daraus herstellt (s. u. Essigsäure), ferner Ammoniak u. Cyan, wenn die Substanz stickstoffhaltig war, flüchtige Schwefelverbindungen etc. Der Theer (s.d.) hat eine höchst complicirte, u. der von verschiedenen Substanzen auch eine sehr veränderliche Zusammensetzung, viele in ihm enthaltenen Körper sind noch nicht od. nur wenig bekannt; seine Hauptbestandtheile sind Kohlenwasserstoffe (Paraffin, Eupion, Naphthalin etc.), Kreosot, Karbolsäure, einige organische Basen etc. Die gasförmigen nicht condensirbaren Zersetzungsproducte bestehen im Wesentlichen aus Kohlenoxydgas, Kohlensäure, Sumpfluft, ölbilden dem Gase, Wasserstoff u. Schwefelwasserstoff u. ändern sich wesentlich in den verschiedenen Stadien der Zersetzung, daher in den Fällen, wo es sich um die Darstellung solcher Gase handelt, wie bei der Leuchtgasfabrikation, eine bestimmte Temperatur beibehalten werden muß, mit deren Erhöhung od. Erniedrigung jederzeit ein entsprechender Verlust an dem erzielten Producte verbunden ist.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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