Englische Krankheit

Englische Krankheit

Englische Krankheit (Rachitis), eine von Skrophelsucht od. skrophulöser Anlage ausgehende, meist schon im 2. od. 3. Lebensjahre sich entwickelnde Krankheit des ganzen Knochensystems, von dem englischen Arzte Francis Glisson zuerst ausführlich beschrieben, jedenfalls aber schon im Alterthum vorhanden. Die E. K besteht in Erweichung u. daher rührender Verkrümmung namentlich der langen Knochen, Anschwellung der Gelenkknorpel, verzögerter Verknöcherung u. Entwickelung namentlich der platten Knochen u. bisweilen in Tuberkelbildung mit Austreibung (Scrophulöser Winddorn, Spina ventosa scrophulosa) od. Verschwärung der schwammigen Knochen (Scrophulöser Knochenfraß, Caries scrophulosa, Paedarthrocace). Das Herannahen der E. K. verkündet sich durch die Erscheinungen der sogenannten Skrophelsucht (s.d.), insbesondere durch beschwerliches Zahnen, Verdauungsstörungen mancherlei Art, Schlaffheit der Muskeln, Neigung zum Stillsitzen, Verlernen des Gehens od. wackelnden, breitspurigen Gang, vorschnelle od. zurückbleibende Geistesentwickelung, Stumpfsinnigkeit mit Verdacht auf Wasserkopf. Bei der ausgebildeten E. K. schwellen zuerst die unteren Enden der Vorderarm knochen an, so daß das Handgelenk wie abgesetzt od. doppelt erscheint, daher der Name Zweiwuchs, Doppelglieder u., weil solche Kinder zu gleicher Zeit sehr beschwerlich zahnen, Zahnen durch die Glieder genannt. Nach u. nach befällt eine ähnliche Anschwellung die Enden aller langen Knochen, selbst der Rippen u. der Schlüsselbeine. Die Mittelstücke dieser Knochen biegen sich, die Muskeln sind schwach, Gehen u. Stehen ist erschwert od. geradezu unmöglich. Die Wirbelsäule sinkt zusammen, krümmt sich in verschiedenen Richtungen (s. Rückgratsverkrümmung), Brustkorb sowie Becken nehmen an der Verkrümmung Theil. Das Brustbein ragt kielförmig nach vorn (Hühner- od. Gänsebrust, Pectus carinatum), der Kopf ist groß, gleichsam zackig (Kreuzkopf, Caput quadratum), sitzt tief zwischen den Schultern u. wird nach hinten gezogen; Fontanelle u. Nähte schließen sich schwer, die Augen sind groß, ausdrucksvoll, der Mund lang u. quergezogen, das ganze Antlitz hat etwas Altkluges, Greisenhaftes; die Zähne sind übelgeformt, mißfarbig, unregelmäßig, leicht verderbend. Die E. K. verläuft sehr langsam, nur selten gelangt sie zu ihren höheren Graden, wo allgemeine Verbildung des Knochensystems, Knochenfraß, Geschwüre, Fisteln, Eiterheerde, Wasserkopf, Abzehrung den tödtlichen Ausgang bedingen. Zumeist wird die E. K. durch die herannahende Geschlechtsreife gehemmt, nicht aber ohne mannichfache Beschwerden durch mechanische Behinderung der Kreislaufs-, Athmungs- u. Verdauungsorgane zu hinterlassen u. wegen Verkrümmung der Wirbelsäule u. Verengung des Beckens schwere Geburten zu bedingen. Die Behandlung der E. K. kommt im Allgemeinen mit der Skrophelsucht (s.d.) überein, am meisten ist von der Diät, die aber in nahrhafter Kost bestehen muß (sonst war Leberthran sehr beliebt) von Beseitigung der Verdauungsstörungen u. von Bädern (mit Seesalz, Waldmeister etc.), zu erwarten. Vgl.: Whistler, De morbo puerorum anglorum, Lond. 1645; Francis Glisson, Tract. de rhachitide s. morbo puerili, qui vulgo the rickets dicitur, Lond. 1660; Haag 1682; I. P. Büchner, De rhachitide, Strasb. 1754; W. Farrer, A pract. account of the ricket in children audits analogy to the kings evil, Lond. 1773; Wene Truka de Krzowitz, Historia rhachitidis, Wien 1787 (deutsch, Lpz. 1789); I. Fr. Ludw. Cappel, Abhandlung über die sogenannte E. K., Berl. 1787; I. Veivac's.[749] Die Rhachitis od. E. K., aus dem Holländischen von Keup, Stendal 1794; Sartorius, Rhachitidis congenitae observatt., Lpz. 1826; Seibold, Die E. K., Würz. 1827; W. Hume, Weather head treatise on rickets, 2. Aufl., Lond. 1835; Fr. Carvelà, Beobachtungen über die Heilung der Rhachitis, aus dem Italienischen von Melicher, Bonn 1835; H. L. Göpel, De osteomalacia adultorum, Lpz. 1843; Guerin, Die Rhachitis, aus dem Franz. von Fr. v. Weber, Nordh. 1847; Weber, Mutationes ossin in osteomalacia, Bonn 1851.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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