- Khorassan
Khorassan 1) nordöstlichste Provinz Persiens, dessen Grenze gegen die freie Tatarei sie bildet, erstreckt sich vom Kaspischen Meere südöstlich bis Afghanistan; ehemals gehörte auch das Fürstenthum Herat noch dazu. Die Provinz hat 3827 QM., meist ein Hochland von 2000–4000 Fuß, u. besteht aus wasserarmen Steppen, die hier u. da von Bergzügen u. fruchtbaren Oasen unterbrochen sind. Wo die Bewässerung den Anbau gestattet, ist der Boden fruchtbar, u. es gedeiht Getreide, Obst, Wein u. Tabak vortrefflich. Die Viehzucht ist nicht bedeutend, am meisten sind Pferde, Esel u. Kameele. Die Industrie erstreckt sich hauptsächlich auf Teppich- u. Shawlwebereien. Gebirgig ist das Land namentlich im Norden durch den Attock, die westliche Fortsetzung des Paropamisus, u. hier findet sich die dichteste Bevölkerung u. die meiste Bodencultur. Die Flüsse sind sämmtlich Steppenflüsse: Murghab, Tedschen, Herirud, Tus, Schure u.a. Die Zahl der Bewohner schätzt man auf 1 3/4 Mill. Obgleich das Land größtentheils Wüste ist, so ist doch die Bevölkerung kräftig (meist Tadschyks) u. das Land politisch wichtig, so daß es Nadir-Schah mit dem Namen Schwert von Persien bezeichnete, während Timur es die Mitte von Asien nannte.
Khorassan, Theile des alten Parthia, Aria u. Margiana, stand schon früh unter den Persern. Zu Alexanders des Großen Zeit war Bessos hier Statthalter; dieser übergab das Land an Alexander, u. nach diesem erhielten es die Seleukiden in Syrien. In der Mitte des 3. Jahrh. n.Chr. kam der östliche Theil von K. unter die Herrschaft der Baktrischen Könige, 139 zum Theil an die Parther, zum Theil an die Skythen. Den Parthern nahmen es die Perser wieder ab, bis es 646 die Khalifen eroberten. Thaher, Statthalter der Khalifen, machte sich 821 unabhängig u. gründete sie Dynastie der Taferiden; 873 wurde diese von den Soffariden gestürzt, diese mußten den Samaniden u. diese den Ghasnaviden weichen. 1037 eroberten die Seldschuken den Westtheil u. hier war bis 1063 Alp Arslan Statthalter. Der Statthalter Sandschar, Bruder des Sultan Barjarok, vereinigte nach dessen Tode 1114 mit K. das ganze Reich der persischen Seldschuken; um 1150 empörten sich die Usbeken, welche sich in K., in der Gegend von Balkh, niedergelassen hatten; Sandschar zog gegen sie, wurde aber geschlagen u. gefangen u. K. von ihnen verwüstet. Sandschar entkam aus der Gefangenschaft, unterwarf die Ghusen wieder u. st. 1157. Unter Dschingis-Khan wanderten viele Usbeken unter Suleiman aus K. nach Armenien; dieser u. nach seinem Tode zwei seiner Söhne führten sie 1224 zurück. Das Land blieb unter Dschingis-Khans Nachfolgern u. wurde von mehren Regentenlinien beherrscht. Im 14. Jahrh. herrschten bes. zwei, im Süden zu Herat ein Zweig der Ghuriden, im Norden zu Sebsewar die Dynastie der Sarbedare, welche nach Abu Said, dem letzten Sprossen von Dschingis-Khans Geschlecht, sich dort erhoben hatten. Als Timur nach K. zog, unterwarf sich Khodscha Ali Muajed, Herrscher zu Sebsewar, u. blieb als Vasall im Besitz seines Reiches; aber Ghajáß Eddin Pir Ali, Herrscher zu Herat, widersetzte sich; die stärkste Festung Fusehendsch wurde genommen, das Land unterwarf sich u. die unterdessen in Sebsewar ausgebrochene Empörung unterdrückte Timur grausam. Als Statthalter setzte er über K. seinen Sohn Schah Rokh, welchem er 1396 K. nebst Seistan u. Masenderan als ein Königreich übergab. 1507 nahm es Schaibek Khan, Häuptling der Usbeken, den Timuriden aus K., aber der Schah von Persien, Ismael, machte ihm das Land streitig, u. nach vielen Kämpfen wurde es unter Beide getheilt, Balkh u. Maru behielten die Usbeken, Persien bekam Herat, Nischabur, Meschhet. 1716 rissen die Afghanen Herat ab; 1735 eroberte dasselbe u. auch den Theil[464] der Usbeken Radir Schah wieder aber nach seinem Tode 1747 kam ganz K. an Kabul, u. nur Nischabur, Meschhed u. die Westtheile blieben bei Persien, aber 1797 eroberte sie Agha Muhammed, Gründer der Dynastie der Kadschars, den Usbeken wieder. Über die neue u. neueste Zeit, wo K. zum Theil Schauplatz des Afghanisch-englischen Krieges war, s.u. Afghanistan (Gesch.).
Pierer's Lexicon. 1857–1865.