- Lanze
Lanze, 1) Angriffswaffe, aus einem langen, dünnen Stab mit Spitze von Eisen bestehend, bes. vor Erfindung des Schießpulvers gebräuchlich. Die L. war durch das ganze Alterthum eine Hauptwaffe; schon bei den Hebräern führten die Schwerbewaffneten L-n (Romach). Bei den Griechen war die L. im homerischen Zeitalter die edelste Waffe, mit der Fürsten u. Führer kämpften u. mit welcher sie im Frieden auf Wanderzügen bewehrt waren; sie hieß Enchos, bestand aus einem eschenen, bis 11 Ellen langen Schaft (Dory), oben mit einerdoppelschneidigen ehernen Spitze (Aichme, Akoke), unten mit einer eisernen Zwinge (Sauroter). Man brauchte die L. zum Stoß u. Wurf, obgleich man an dem Akon (Akontion) noch eine besondere leichtere Wurfwaffe hatte. Später gab es bei den Griechen auch Lanzenreiter (Kontophoroi). Die römische Waffe war die Hasta; die der Veliten (H. velitaris) bestand aus einem, 1 Zoll dicken, 4 Fuß langen Schaft (Hastile) u. einer eisernen Spitze (Cuspis); die der Legionäre war länger u. stärker, s. Legion. Die Lancea, mit einem Riemen in der Mitte des Schaftes, war eine barbarische Waffe, von den Spaniern od. den Germanen entlehnt u. kam erst seit der Kaiserzeit in Gebrauch; auch hatte man ganz große L-n, die durch Wurfmaschinen geschleudert wurden. Die L-n der alten Deutschen waren lang, stark, mit meist über 6 Zoll langer Erz- od. Eisenspitze, welche mit einem Nagel auf dem, meist eschenen Schaft befestigt war. Im Mittelalter war die L. fast noch mehr Hauptwaffe als im Alterthume. Bei den Reitern war sie, nebst dem großen Schlachtschwert u. dem Streitkolben, die Waffe der Ritter; die Knappen führten keine. Es kam hauptsächlich darauf an, den Gegner aus dem Sattel zu heben u. ihn in den Sand zu strecken (s.u. Turnier). Die Schäfte der Turnierlanzen waren aus biegsamem, leicht zersplitterndem Holze u. hatte hinten einen Einschnitt, wo die L. gefaßt wurde, hinter dem der Kolben begann. Unmittelbar vor der Brust wurden diese L-n wieder stärker, so daß sie 1–11/2 Fuß im Durchmesser hatten. Nach der Spitze zu verjüngte sie sich, so daß sie dort nur 1/2–3/4 Zoll stark war. Als im 16. Jahrh. die Einführung des Feuergewehrs dem Reiter gebot, mehr auf die Geschwindigkeit, als auf die Macht des Chocs zu achten, verloren sich die deutschen Speerreiter u. führten nur theilweise, dann gar keine L-n. Später kamen die Speerreiter bei der Cavallerie in ganz Westeuropa ab, u. nur bei den Türken, Tataren, Kosacken, Albanesen, Polen, Russen u. andern slawischen Volksstämmen blieben leichte L-n üblich. Erst Friedrich d. Gr. führte 1745 nach dem Beispiel der Polen wieder L-n bei seinen Bosniaken u. Towarczys ein u. die Österreicher errichteten ein Ulanenenregiment, u. diesen u. dem Urtypus der Polen sind die Ulanen der andern Armeen u. die Lanciers der Franzosen nachgebildet, die bes. seit dem Russisch-französischen Kriege von 1806–1807 u. noch mehr seit dem Russischen Kriege 1812–15 in Deutschland üblich wurden; s. Ulanen. Noch mehr war aber bei den Kosacken die L. Hauptwaffe u. sie ist bei der Cavallerie auch seitdem sehr üblich geblieben. Die[117] L., mit welcher die Cavallerie jetzt bewaffnet ist, ist ein 8–12, ja 16 Fuß langer Schaft von Eschenod. Buchenholz. Oben ist er mit einer 8–10 Zoll langen stählernen Spitze, die, um das Abhauen derselben zu hindern, mit 11/2–2 Fuß langen Schienen von Eisen befestigt ist, versehen, unter denselben wird zuweilen eine eiserne Kugel angebracht, um das zu tiefe Eindringen der Spitze zu hindern. Unten ist sie von einem eisernen Schuh umschlossen, um das Zersplittern derselben beim Niedersetzen zu hindern. Unter der Spitze ist bei den Ulanen ein buntes, meist zweifarbiges Fähnchen angebracht, um durch das Wehen desselben die Pferde des Gegners scheu zu machen. Die L. wird außerhalb des Gefechts in einem ledernen Schuh am rechten Steigbügel getragen u. hängt an einem ledernen Riemen am rechten Arm. Beim Gefecht nimmt sie der Mann unter den rechten Arm u. fällt sie, immer den Schwerpunkt genau beachtend, nach vorn. Er führt die Stöße durch Ausstoßen, die Paraden seitwärts u. rückwärts aber durch Drehen u. Schwingen derselben über dem Kopfe aus. Beim Fußvolk war die 16–18 Fuß lange L. im Mittelalter ebenfalls Hanptwaffe. Später, als die Feuergewehre aufkamen, bewaffnete man etwa die Hälfte des Fußvolks mit demselben u. behielt die L-n bei den Übrigen bei. Noch später verdrängte sie die Hellebarte der Schweizer, u. Gustav Adolf bewaffnete 1630 einzelne Bataillone nur mit Musketen. Die Erfindung des Bayonnets verdrängte die L-n noch mehr, u. 1675 wurden sie zuerst bei den Österreichern, dann bei den übrigen deutschen Fürsten, dann von den Franzosen u. endlich bei den nordischen Völkern abgeschafft. Von nun an kam die L. nur bei Volksin surreclionen u. allgemeinen Bewaffnungen, wo die Waffen fehlten, wieder in Anwendung; so in der Französischen Revolution; 1813 war die L. die erste Waffe der preußischen Landwehr, wo sie jedoch schon während des Waffenstillstandes durch das Infanteriegewehr ersetzt wurde, dagegen diente sie dem Landsturm alter Art zur Wehr. Auch bei der Polnischen Revolution 1830 u. 1831 kam sie theilwese in Fornen von, am Lanzenschaft befestigten Sensen in Anwendung. Seitdem die L. bei der Infanterie abgeschafft ist, haben Mehre, bes. Seume, Folard, Montecuculi, die Wiedereinführung derselben angerathen. Der Stoß soll mit derselben weit mehr Kraft haben, als der mit dem Bayonnet, u. die Infanterie erst mit der L. ihr wahres Übergewicht über die Reiterei erhalten. 2) Die Heilige L., eine Reliquie, welche zum Theil aus den Nägeln verfertigt sein sollte, welche bei der Kreuzigung Jesu gebraucht waren, dann hielt man sie für diejenige, womit der Römer (Longinus) die Seite des gekreuzigten Jesu geöffnet haben sollte. Der Sage nach war sie vom König Rudolf von Burgund dem Kaiser Heinrich I. von Deutschland geschenkt u. galt als ein werthes Reichskleinod. Auf Wunsch des Kaisers Karl IV. stiftete Papst Innocenz VI. 1354 zu Ehren dieser Reliquie, welche inzwischen nach Prag gekommen war, das Lanzenfest (Festum lanceae et clavorum) auf den Freitag nach Ostern (Speerfreitag). Doch galt das Fest blos in Böhmen u. Deutschland u. steht nicht in den römischen Breviarien. Ein anderes Exemplar jener heiligen L. wurde von der Kaiserin Helene aufgefunden, in der H. Grabskirche in Jerusalem, u. dann in Antiochien aufbewahrt, wo sie 1093 aufgefunden wurde u. den Kreuzfahrern gebracht, denselben zu einem Sieg über die Saracenen verhalf. Sie kam dann nach. Constantinopel, Venedig u. in den Besitz des Königs Ludwig d. Heil. von Frankreich, zuletzt nach Rom, wo das Eisen noch in der Basilica des Vatican aufbewahrt wird; 3) (Glaiven), Reiterabtheilungen des Mittelalters u. später nach der Hauptwaffe der Reiterei benannt; jede L. bestand aus einem Ritter (Gensdarme) mit 4 bis 5 Knappen, deren Anführer jener war. Bei den Franzosen bestand dieses Gefolge im 15. Jahrh. aus 3 Schützen (Archers), 1 Knappen (Coutillier, wegen des kurzen u. breiten Seitengewehrs am Gürtel) u. 1 Pagen (Valet); 4) kleine Spieße mit langen Stielen, die bei Sauhetzen die Reiter führen; 5) Staarlanze), lanzenförmige Staarnadel (s. Staarinstrument) von Beer erfunden.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.