- Wehr [1]
Wehr, 1) (Wasserwehr), ein quer durch einen Fluß geführter künstlicher Damm, welcher zum Aufstauen u. Zurückhalten des Wassers dient. Der Zweck des Aufstauens ist oft die Benutzung des Wassers zur Bewässerung, meist aber die Erzeugung eines Gefälles für eine Wasserkraftmaschine irgend einer Technischen Anlage. Indem man nämlich dem Wasser eines Baches od. Flusses in seinem Bett durch einen Einbau ein Hinderniß entgegensetzt, dadurch seine Geschwindigkeit vermindert u. es aufstaut, verhindert man, daß das oberhalb des Einbaues vorhandene Gefäll vom Wasser beim Fließen verbraucht wird, u. bewirkt somit gewissermaßen eine Ansammlung des auf einer längeren Strecke vorhandenen Gefälles an einem Punkte, so daß man das Wasser in einen künstlich angelegten Graben, Kanal od. Gerinne leiten u. bei dem gewonnenen größeren Gefälle zum Betriebe von Mühlen u. dgl. mittelst Wasserrädern od. Turbinen, od. zur Wasserversorgung od. Schiffbarmachung benutzen kann. Man unterscheidet dichte u. lichte W-e, je nachdem sie die ganze od. nur einen Theil der Flußbreite einnehmen; ferner feste u. bewegliche W-e. I. Zu den dichten u. festen W-en gehört: A) das Überfall- (Streich-) wehr. Es ist so eingerichtet,[9] daß es das Wasser nur bis zu einer gewissen Höhe staut, dann aber, wenn es diese Höhe erreicht hat, über sich wegströmen läßt. Man beabsichtigt bei ihrer Anlage bes. das Mittel- u. Kleinwasser zu stauen u. trägt dafür Sorge, daß das Großwasser, ohne Überschwemmung zu verursachen, abgeführt werden kann. Die Höhe u. Lage der Überfallschwelle od. des Sattel-, Wehr- od. Fachbaums, über welche das Wasser fließt u. von der die Stauung abhängt, wird bes. auch aus Rücksicht auf die Interessen u. Rechte der Anwohner u. der benachbarten Werke durch einen eingeschlagenen Aichpfahl (Mahlbaum, Mahlpfahl) od. neben dem W-e angebrachten Pegel bestimmt. Bei Erbauung eines neuen W-es wird der Fachbaum um einen Zoll (Zehrzoll, Erbzoll) höher gelegt, als der alte lag, indem man annimmt, daß das W. nach u. nach um so viel niedriger werde. Bei einem vollkommenen Überfall liegt. die Überfallschwelle über der Oberfläche des Unterwassers, u. es findet ein freierer Ausfluß statt, während bei den unvollkommenen Überfällen od. Grundwehren (vgl. C) die Überfallsschwelle unter dem Spiegel des abfließenden Wassers liegt u. der Ausfluß zum Theil durch das Unterwasser beeinflußt wird. Da durch ein Überfallwehr das natürliche Abflußprofil verkleinert werden soll, so hat man, um eine größere Breite des Querschnittes für das Abflußquantum über der Überfallschwelle zu erhalten, das W. zu verlängern, gleichzeitig aber auch dafür Sorge zu tragen, daß die Ufer des Flusses nicht unterwaschen od. abgebrochen werden. Man führt daher das W. schräg gegen den Strom, od. läßt es ein mit der Spitze gegen den Strom gerichtetes Dreieck bilden (bei hölzernen W-en), od. gibt ihm die Form eines Kreisbogenstückes, mit der Krümmung gegen den Strom gekehrt (steinerne W-e). Das überstürzende Wasser wird außerdem bei allen diesen Formen von den Ufern ab nach der Mitte zu geleitet, indem man daselbst der Wehrkappe od. Krone eine Einbiegung nach unten gibt. a) Bei den hölzernen Überfallwehren legt man die Wehrschwelle entweder auf eine starke Spund- od. auf eine zwischen Pfählen liegende Balkenwand; im ersteren Falle werden zwei sechs Fuß von einander entfernte Reihen von Spitzpfählen, welche fünf Fuß aus einander stehen, eingerammt u. diese mit Schwellen in gleicher Höhe mit dem unteren Flußbette überdeckt. Hierauf werden unmittelbar vor jeder Pfahlreihe Spundpfähle eingeschlagen u. diese in gleicher Höhe mit den Schwellen abgeschnitten; nun werden dicht vor der flußaufwärts u. dicht hinter der flußabwärts stehenden Spundwand Pfähle 4–6 Fuß von Mitte zu Mitte eingerammt, u. diese erhalten eine dem Zwecke des W-es entsprechende Höhe. Die vordere, dem Strome entgegenstehende Reihe wird einige Zoll höher als die hintere wagrecht abgeschnitten u. auf jede Reihe sodann eine Schwelle gezapft, die unter sich durch Querzangen fest verbunden werden. Nachdem beide Pfahlreihen dann von unten herauf mit 3–4 Zoll starken eichenen Bohlen verkleidet worden sind, wird der Zwischenraum derselben mit Thon, Lehm od. fetter Erde ausgefüllt. Die flußabwärts geneigte Oberfläche dieser Spundwand wird mit einer Bohlenbettung od. Decke (Abschußdecke) versehen, u. dann flußabwärts am Fuße des W-es gegen das Unterwaschen ein Sturzbette von Steinen od. Bohlung unter dem niedrigsten Wasserstand angebracht. Bei einer andern Bauweise der hölzernen Überfallwehre werden zuerst auf den Boden des Flusses starke Bäume (Wehrbäume) u. auf diese dann mit glatt gehobelten Seiten andere Bäume gelegt bis zur Höhe des W-es. Die Balken dieser so gebildeten dichten Wand werden noch bes. durch hölzerne Bolzen od. Dübel unter sich verbunden. Mehre solcher Wände kommen in Zwischenräumen hinter einander, die wiederum mit fettem Lehm od. Rasensoden ausgerammt werden. Vor der ersten Reihe der Wehrbäume wird, damit das Wasser das W. nicht unterwühlen kann, eine Doppelreihe von Dammplanken eingeschlagen, welche mit Falzen u. überdeckten Fugen angeordnet sind. Die zunächst dem W. liegenden Uferseiten werden gegen das Unterwühlen des Wassers ebenfalls durch eine doppelte Reihe eingeschlagener Planken geschützt. Die Oberfläche des W-es wird wieder so eingerichtet, daß sie nach dem Laufe des Wassers etwas abschüssig ist; die Wehrbäume werden daselbst mit starken Bohlen beschlagen, deren Fugen mit Moos ausgestopft u. mit Decklatten versehen werden. Der obere Theil eines Überfallwehres, hinter welchem der Fachbaum ruht, heißt der Herd; er ist mit den Herdpfählen im Grunde befestigt, auf denen die Schwellen zwischen der Grundschwelle u. dem Fachbaume (Herdschwellen liegen); diese letzteren sind mit eichenen Bohlen belegt. Bei einem hölzernen Überfallwehre in einem großen Flusse muß der Grund des W-es einen Rost bekommen. Auch gibt man nicht blos stromabwärts, sondern auf beiden Seiten Böschungen, welche an der Stelle, wo sie zusammenstoßen, den Fachbaum tragen u. wovon die stromaufwärts gerichtete die Vordecke, die stromabwärts gerichtete die Abschußdecke heißt; die verticale Wand am Ende der Vordecke heißt Brust, die am Ende der Abschußdecke heißt Rücken des W-es. Bei einem solchen W. liegt in der Mitte unter dem Fachbaume auf einer Grundmauer eine Wand von Wehrbäumen; vor u. hinter dieser Wand werden wieder Rostpfähle u. Spundwände eingeschlagen. W-e, beidenen blos zwei Reihen Pfähle eingeschlagen sind, welche mit eingesalzten Bohlen versehen sind u. wo der Raum zwischen den Pfählen mit Erde, Schutt u. Steinen fest ausgestampft ist, heißen Krippenwehre. b) Die steinernen Überfallwehre werden entweder über einem Pfahlrost mit Spundwänden, od. über einer eingesenkten Betonmasse in hydraulischem Kalk gemauert aufgeführt u. mittelst Gewölbmauerung bedeckt od. abgepflastert. Sie werden entweder massiv von Quadersteinen gebaut, welche auf der Oberfläche des Verdecks u. bes. auf dem obersten Theil der Krone mit eisernen Klammern od. einer eingelegten Eisenschiene befestigt werden; od. man läßt im Innern in der Mitte zwischen den geböschten Wänden (Brust u. Rücken) einen Raum (Rasenhaupt), welcher mit einer Reihe Dammplanken umgeben u. mit fettem Thon ausgeschlagen wird, um das Durchlassen des Wassers zu hindern; od. man dichtet das Mauerwerk durch Anwendung hydraulischen Mörtels od. Cements. Die durch eingerammte Pfahlreihen geschützten Betten vor der Vordecke u. hinter der Abschußdecke (Vorbettung u. Nachbettung) werden mit Bohlen belegt od. mit Steinen gepflastert; auch die Ufer vor u. hinter dem Wasser werden durch entsprechende Befestigungen gegen Unterwaschung u. Abbruch geschützt. Wenn das Sturzbett nicht felsig ist, so läßt man den Abschußboden in einer concaven [10] Fläche auslaufen u. setzt daher, da die Krone od. Kappe convex ist, den ganzen vom Wasser bespülten Theil der Oberfläche des W-es aus einem convexen u. concaven Bogen zusammen. Wenn auf einem Flusse Flößen od. Flußschiffe gehen, so muß an der Seite des W-es eine kleine Schleuse angebracht sein (vgl. Schleuse 4), od. man muß am W. einen Durchlaß (Gußscharte), eine Art Ausschnitt anbringen, welcher für gewöhnlich durch einen Schützen od. ein Vorsetzbret geschlossen, aber dann geöffnet wird, wenn die Flößen od. Schiffe durchgelassen werden sollen. B) Die Schleusenwehre (Freiarchen, Aufziehwehre, Grundablässe) erhalten mehre Öffnungen, welche nach Bedürfniß durch Schütze geschlossen werden können, aber sonst sind sie ganz wie die Überfallwehre angelegt u. zu gleichem Zwecke. Die Schütze reichen weit unter den Wasserspiegel, sind 6–15 Fuß breit, aus 24–4 Zoll dicken Bohlen zusammengesetzt u. bewegen sich in den 31/2–4 Zoll tiefen Falzen der aufrechtstehenden Griessäulen, welche auf einem auf Piloten ruhenden Schweller eingezapft, nach Bedarf verstrebt, u. oben querüber durch den Griesholm od. Kappholz verbunden sind. Von dem Schweller od. Fachbaum erstrecken sich stromauf- u. stromabwärts die ebenfalls auf Pfahlrost ruhenden, mit Spundwänden abgeschlossenen u. gedielten Vorfluther (Aufschußboden, Herd, Vorherd, Fluthherd) u. Hinterfluther (Abschußboden). Zum Aufziehen u. Niederlassen dieser Schützen dient gewöhnlich eine in den Griessäulen od. Griesdocken (vgl. Grundwerk) gelagerte Holzwelle, an welche die Schützen durch Ketten od. gezahnte Stangen angeschlossen sind, u. deren Umdrehung durch Hebel, Winden od. Kurbel mit Zahnradvorgelege erfolgt, meist von einer vor dem Grieswerke querüber gelegten Pfoste (Laufbrücke, Fahrbrücke) aus. Die Archen sind weniger breit als die W-e, u. heißen, wenn sie nur zum Fortschaffen von Wasserüberfluß u. Eis dienen, insbesondere Freiarchen; außerdem hat man noch Mühlarchen, Mühlgerinne, welche den Zufluß des Wassers nach einem Mühlrade reguliren. Oft werden Mühl- u. Freiarchen mit einander vereinigt, so daß durch ein abgetheiltes Gerinne das Wasser auf die Mühlräder geführt werden kann. C) Grundwehre (Grunddämme, unvollkommene Überfälle), sind niedrige Dämme, welche selbst bei dem niedrigsten Wasserstande den Wasserspiegel nicht erreichen; sie dienen zur Schiffbarmachung eines Flusses, indem das Gefälle u. die Geschwindigkeit desselben vermindert wird, od. nur dazu, durch Anspannen des Wassers dasselbe nach einem Mühlwerk leiten od. zur Wiesenbewässerung benutzen zu können. Bei geringerer Höhe bestehen sie gewöhnlich aus einer, bei größerer Höhe aus zwei Reihen von Spitzpfählen, welche in Abständen von einem Fuß in gleicher Höhe eingerammt werden. Auf den Köpfen der Pfähle werden Schwellen od. Holme aufgezapft u. die Holme der beiden Reihen durch, auf den Schwalbenschwanz aufgekämmte Zangen mit einander verbunden. Durch, vor den Pfählen eingeschlagene Spundwände wird der Boden vor dem Unterwühlen gesichert; bei zwei Pfahlreihen der Zwischenraum mit Thon od. fetter Erde ausgerammt u. überpflastert. Unterhalb des Grundwehrs wird das Flußbett vor dem Ausspülen durch ein 8–10 Fuß breites mit großen Steinen beschwertes Senkwerk von Faschinen od. durch einen zwischen einem Fuß weit abstehend eingerammten Pfählen angebrachten Steinwurf gesichert. II Zu den beweglichen W-en, bei welchen man die Höhe des W-es nach Bedarf vergrößern od. verkleinern kann, gehört das Balkenwehr, aus lose über einander gelegten Balken gebildet; ferner das Nadelwehr, aus aufrechtstehenden Pfosten (Nadeln) bestehend, welche sich gegen zwei Balken stützen, von denen der obere in einem Falz beweglich ist. Eine andere Art beweglicher W-e sind die aus Thüren od. Klappen mit horizontaler Umdrehungsachse bestehenden, welche sich je nach der Höhe des Wasserstandes durch den Druck des Wassers von selbst öffnen u. schließen; 2) (Fortif.), so v.w. Bär 1); 3) (Bergb.), s.u. Gewähr 2); 4) so v.w. Fischwehr, s.u. Fischerei I. B) c); 5) so v.w. Brustwehr, Brüstung; 6) früher auf den Gängen u. Strecken ein Stück belehntes Feld von 14 Lachtern Länge u. 7 Lachtern Breite; vgl. Maße 4).
Pierer's Lexicon. 1857–1865.