Posamentirer

Posamentirer

Posamentirer, zünftige, geschenkte Handwerker, welche alle Arten Band, Borten, Treffen, Schnuren, Schärpen, Quasten, Cordons, Chenille u. dgl. (Posamentirarbeit) verfertigen (jetzt größtentheils aus Fabriken beziehen). Auch haben sie noch den Handel mit offener Näh- u. Strickseide, mit Spitzen, Blonden u.a. ähnlichen kurzen Waaren. Die Lehrlinge lernen fünf Jahre, die Gesellen müssen drei Jahre wandern u. das Meisterstück besteht in einer Bandtresse u. einer Polnischen Eichel, einem breiten hohlen Bande, welches zu Degengehängen gebraucht wird. Das Weben der Bänder, Borten u. Treffen geschieht auf einem besonderen Webstuhle, dem Posamentir- od. Wellenstuhle welcher sich von dem gewöhnlichen einfachen Webstuhle durch die abgeänderte Gestalt einzelner Theile, bes. aber durch seine geringe Breite (21/2 Fuß) unterscheidet. Zum Weben gemusterter Bänder ist der Stuhl mit einer Mustermaschine versehen, wozu man neuerdings vielfach eine Trommel- od. Jacquard- Maschine verwendet; doch haben diese die ursprüngliche eigenthümliche Einrichtung des Stuhls noch keineswegs verdrängt. Bei dem gewöhnlichen Posamentirstuhle sind die Kettenfäden nicht auf einen Baum aufgewickelt, sondern statt dessen dient die Leiter, ein Rahmen, in welchem kleine Rollen, Kettenrollen od. Zettelspulen, über horizontale Eisendrähte gesteckt u. befestigt werden; auf diese Zettelspulen sind je 2–6 Kettenfäden aufgewickelt; die Rollen können durch eine Schnur u. ein daran befindliches Gewicht in Spannung gehalten werden. Vor der Leiter ist ein aus Horn gemachter Kamm od. das Hinterried, durch welchen die Kettenfäden geleitet sind u. in Gestalt einer Fläche ausgebreitetwerden. Am Vordertheile des Posamentirstuhls befindet sich die Lade mit dem stählernen Blatte od. dem Vorderried, ferner ein senkrechtes Bretchen, woran der Arbeiter beim Weben die Brust stützt (Brustholz), u. eine Rolle (Brustrolle) u. schräg darunter der Wellbaum, auf welchen, mittelsteines Sperrades, die fertige Waare gewickelt wird, u. die Kettenfäden laufen vom Hinterried durch die Litzen des Harnisches u. durch das Vorderried; zwischen diesem u. der Brustrolle wird gewebt. Jede Litze ist nach unten mit einem Eisen beschwert u. angespannt, nach oben mit dem Aufheber (vgl. Musterweberei A) u. Kegelstuhl) durch ein Löcherbret gezogen u. oberhalb desselben sind alle Aufheber en Korden befestigt, welche sich über die in dem Glasbrete befindlichen runden Glasstangen (Rollen) in horizontale Richtung wenden u. nun parallel mit der Kette nach dem Hintertheile des Stuhles laufen. Die Stückkorden laufen von dem Glasbrete gerade angespannt etwa 4 Fuß fort u. sind über der Leiter an einem wagrechten Eisenstabe befestigt; die Wellenkorden sind schlaff, durch Gewichte bogenförmig in die Höhe gehalten, u. gehen unter dem Eisenstabe weiter fort zu 2–16 schwachen Holzstückchen (den Wellen) von: 21/2– 23/4 Fuß Länge, welche hinten, oben im Stuhle im Wellenkasten liegen u. sich als einarmige Hebel um das eine ihrer Enden drehen. Die Korden jeder Welle sind an deren mittlern Theile angebunden. Gewöhnlich liegen die Wellen schräg abwärts; doch kann jede durch Anziehen ihrer Wellenschnur aufgehoben u. in horizontale Lage gebracht werden, wodurch ihre Korden sich anspannen u. in die Ebene der Stückkorden treten; das Ziehen der Wellen bewirkt der Weber durch den Wellenknopf od. Kegel, in welchen jede Wellenschnur vorn am Stuhle endigt. In der gehobenen od. gezogenen Stellung wird jede Welle durch die senkrechte Klappe od. das Wellenbret erhalten, bis eine neue Welle gezogen wird. Die Korden sind das Mittel zum Heben der Harnischlitzen u. der etwa neben dem Harnisch angebrachten Schäfte (Litzenkämme); auf die Korden selbst aber wirken 8–36 wirkliche Schäfte (Hochkämme); die Litzen der Hochkämme bestehen blos aus zwei langen in einander hängenden Bindfadenschleifen (Stelzen); die Korden sind nach dem Muster in diese Hochkammlitzen eingelesen; beim Heben eines Hochkamms werden die in seine Litzen eingezogenen Stückkorden u. durch sie die daran geknüpften Kettenfäden stets gehoben, die in den Litzen eingezogenen Wellenkorden aber nur dann, wenn deren Welle gezogen ist. Das Heben der Hochkämme erfolgt durch 8–36 Fußtritte (große Tritte). Diese Fußtritte stehen durch Schnuren in Verbindung mit Quertritten, dünnen Latten, welche zu beiden Seiten einer langen Latte quer durch den Stuhl gehen, so daß sich[405] auf jeder Seite 4–18 Quertritte befinden. Von jedem Quertritte ist ein Bindfaden über zwei Rollen zu den Hochkämmen geleitet, welcher dadurch in die Höhe gezogen werden kann. Ein Stück Blei, welches am Hochkamm befestigt ist, zieht ihn nach dem Treten wieder herab. Durch abwechselndes Treten der Tritte u. Ziehen der Wellen werden die Kettenfäden od. Kettentheile dem Muster gemäß gehoben. Dabei besitzt jeder Kettentheil entweder eine Stückkorde od. so viel Wellenkorden, als Wellen im Gebrauch sind.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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