- Regen [1]
Regen, 1) Niederschlag atmosphärischen Wassers in Form von Tropfen od. Wasserstrahlen. Nach der Form, Menge u. Ausbreitung des fallenden R-s unterscheidet man: Stauregen, dessen Tropfen sehr klein sind u. den Übergang zum Nebel bilden; Strichregen, welcher nur aus einer einzelnen vorüberziehenden Wolke niederfällt, nur einen kleinen Landstrich trifft u. kurz dauert Platzregen, einen starken, ebenfalls nicht lange anhaltenden R. mit großen Tropfen, wie er namentlich oft bei Gewittern als Gewitterregen vorkommt; Landregen, welcher Tage lang anhält u. viele Meilen weit sich ausbreitet; Wol[921] kenbruch, einen in zusammenfließenden Strömen u. ganzen Massen das atmosphärische Wasser ergießenden, leicht Überschwemmungen erzeugenden R. Ursache des R-s sind immer Abkühlungen einer mit Dampf erfüllten Luft u. zwar entweder dadurch, daß dieselbe vom Erdboden in höhere, kältere Regionen aufsteigt, wie in der heißen Zone zwischen den Grenzen der Passatwinde od. an heißen windstillen Tagen auch in unserer Zone; od. dadurch, daß in Folge der Winde Luftarten von verschiedener Temperatur sich mischen. Aus dem Wasser u. den die Erde bedeckenden Pflanzen entwickelt sich nämlich fortwährend Dampf, welcher sich zunächst als völlig luftförmig u. unsichtbar in der Atmosphäre verhält. Nun kann aber die Atmosphäre nicht unbegrenzt viel Wasserdampf aufnehmen, sondern bei einem gewissen Grade der Erfüllung ist sie gesättigt, so daß der noch weiter hinzukommende Dampf sich wieder in Wasser verwandeln müßte. Dieser Sättigungspunkt steigt mit der Temperatur, so daß heiße Luft mehr Dampf auflösen kann, als kalte. Wäre nun nirgends in der Atmosphäre eine Bewegung u. Temperaturveränderung, so würde sie sich überall bis zum Sättigungspunkt mit Dampf erfüllen, dabei aber vollkommen durchsichtig bleiben, u. die Verdampfung vom Boden müßte nun aufhören. Allein die am Boden stark erwärmten Luftschichten steigen vermöge ihrer größeren Leichtigkeit in die Höhe u. können bei der Abkühlung, welche sie hier erfahren, nicht mehr die gleiche Quantität Dampf in sich aufgelöst erhalten, ein Theil desselben schlägt sich als Wasser in Form von Nebelbläschen nieder. Mit wachsender Wärme wird dieser aufsteigende Luftstrom intensiver u. damit der Niederschlag bedeutender. Während anfänglich die erstreuten Nebelbläschen, welche als hohle, lufterfüllte Wasserkügelchen zu denken sind, von eben jenem aufsteigenden Luftstrom getragen u. in der Luft schwebend erhalten, auch bei etwaigem Sinken in größerer Tiefe aufgelöst u. in der Höhe durch neue ersetzt wurden, vereinigen sie sich bei dichterer Anhäufung zu massiven Tropfen, welche durch ihre Schwere als R. niederfallen. Daher erfolgt in der heißen Zone immer nach Mittag die heftigste Wolkenbildung u. R., während des Vormittags u. bei Sonnenuntergang der Himmel heiter ist. Die andere bereits angedeutete u. für die gemäßigte Zone hauptsächlich geltende Bedingung des R-s ist die Vermischung von Luftschichten von verschiedener Temperatur durch horizontale Strömungen od. Winde. Es ist nämlich ein von Hutton entdecktes Gesetz, daß zwei mit Wasserdampf gesättigte Luftmassen von verschiedener Temperatur durch ihre Vermischung jedesmal einen Niederschlag erzeugen, indem der Sättigungsgrad rascher abnimmt, als die Temperatur, also die Luft von der mittleren Temperatur nicht mehr den mittleren Dampfgehalt tragen kann. Wird also z.B. in Deutschland durch West-od. Südwind feuchte u. warme Luft in kältere Gegenden geführt, so erfolgt Niederschlag u. R.; dasselbe gilt vom Ostwind für die östlichen Theile Asiens; erst wenn solcher Wind den größten Theil seiner Feuchtigkeit in das Festland abgegeben hat, wird er ein trockner Wind, daher ist der Ostwind für uns meist ohne R., so wie für Asien der Westwind; in Rußland aber ist die gesammte Regenmenge kleiner, u. der R. erfolgt ebenso oft bei Westwind als bei Ostwind. Daher ommi auch in der Region der Passate, wo zwar beständiger Wind herrscht, aber eine Vermischung verschiedener warmer Luftschichten, überhaupt kein R. zu Stande.
Die anfänglich durchsichtigen u. glänzend weißen Wolken werden bei größerer Anhäufung grau u. heißen dann Regenwolken. Ist auch der niedergeschlagene Dampf zunächst tropfbares Wasser u. bestehen demnach auch die Wolken wahrscheinlich aus Wasserbläschen, welche fortwährend sinken, verdampfen u. sich wieder erneuern, so nimmt doch wahrscheinlich das massenhafte als R. niederfallende Wasser bei der Höhe der Wolken sehr bald u. gewöhnlich die Form des Eises an u. thaut erst bei tieferem Herabfallen wieder auf, wenn die untere Luft eine hohe Temperatur hat, widrigenfalls es in Gestalt von Schneeflocken herabfällt. Das Regenwasser ist daher meist Schneewasser. Daher regnet es am Fuße eines Berges oft, während es aus derselben Wolke auf dem Gipfel schneit; daher schneit es auch in heißen Gegenden gar nicht. Wenn die so gebildeten Regentropfen während ihres Herabfallens auf sehr trockne Luftschichten treffen, so findet auf ihrer Oberfläche eine fortwährende Verdunstung Statt, sie werden immer kleiner, u. es fällt dann in der Tiefe weniger R., als in der Höhe, ja es können dann die Tropfen ganz in der Luft verschwinden. So sieht man bei veränderlichem Wetter oft, wie aus einer entfernten Wolke R. in Menge herabfällt, bemerkt aber auch, daß dieser durch seine graue Farbe auffallende Regenstreifen gar nicht bis zum Boden gelangt. Meistens dagegen werden die Regentropfen während des Fallens größer, wenn sie nämlich die niedrige Temperatur der oberen Luftschichten zu den niederen herabbringen u. durch ihre Erkältung Wasser aus der Luft ausscheiden. Daher sind die Regentropfen in der heißen Zone, wo die Wolken wegen der größeren Luftwärme höher stehen, weit größer, als bei uns, u. wo die ganze Atmosphäre feucht ist, wird es auch in der Tiefe stärker regnen, als in der Höhe. Treibt in den höhern Regionen ein starker Wind eine Wolke gegen eine stark abkühlende Wand, so erfolgt eine bes. rasche gewaltsame Condensirung, wodurch die furchtbaren, in Gebirgsgegenden nicht seltenen Wolkenbrüche entstehen. Häufig findet man im Winter gefrorne Regentropfen, welche aus klarem Eise bestehen, bes. wenn längere Zeit Kälte herrschte u. feuchte Südwinde den obern Schichten eine bedeutende Wärme mittheilen. Dann bilden sich oben Regentropfen, welche in der Nähe des Bodens gefrieren. Zuweilen kommt unter diesen Umständen das Wasser noch flüssig an, gefriert aber sogleich auf dem kalten Boden, welchen es als Glatteis mit einer Eisrinde überzieht. Wenn das Gleichgewicht der obern Schichten der Atmosphäre heftig gestört wird, bes. dann, wenn kalte Nordwinde mit lebhaften Südwinden kämpfen, kann der Fall eintreten, daß R. aus wolkenlosem Himmel herabfällt. Die an sich farblosen u. durchsichtigen Dämpfe werden hier sogleich zu gleichfalls farblosen Tropfen vereinigt, ohne erst die Zwischenstufe der Bläschen zu durchlaufen.
In der Regel beträgt die in einem Jahre gefallene Regenmenge desto mehr, je höher die mittlere Jahrestemperatur, je größer also auch das Maß der Ausdünstung ist; an dem Äquator, welcher seines Klimas wegen der meisten Anfeuchtung bedarf, ist sie daher am größten, an den Polen am kleinsten. Die jährliche Regenmenge[922] hängt ferner vom Zug der Gebirge, von den Winden, welche verschieden erwärmte Luftschichten mit einander mengen, von der Nähe des Meeres u. andern örtlichen Verhältnissen ab. Den Einfluß der Jahreszeiten anlangend, so ist in der heißen Zone der ganze in einem Jahre fallende R. auf die Zeit beschränkt, in welcher die Sonne in derjenigen Halbkugel am Himmel sich befindet, wo der Ort liegt; sie heißt die Regenzeit. Nur Hindostan macht wegen der Moussons von dieser Regel eine Ausnahme. In der Gegend der Passate ist der R. sehr selten. Weiter von den Tropen entfernt vertheilt sich der Regen auf die einzelnen Jahreszeiten gleichförmiger. In Südeuropa fällt jedoch das Maximum des R-s auf den Frühling u. Herbst, in Deutschland auf den Sommer u. Spätherbst. An der Westküste Europas ist die Regenmenge im Winter eben so groß, wie im Sommer; je weiter man aber nach dem Continent vorrückt, desto vorherrschender findet man den R. in den Sommermonaten. Die Menge des gefallenen R-s mißt man mittelst des Regenmessers (s.d.). Hiernach ist die jährliche Regenmenge an bestimmten Orten beobachtet u. an verschiedenen Orten äußerst verschieden gefunden worden; so in der Havaña nach sechsjährigem Durchschnitt 102 Pariser Zoll, im Jahre 1821 sogar 133 Zoll, in Paris nach 17jährigem Durchschnitt 18 Zoll 9 Linien, in London 23 Zoll 4 Linien, in Genf 28 Zoll 8 Linien, in Göttingen 25 Zoll, in Prag 15 Zoll 4 Linien. Die Zahl der Regentage für einen Ort od. Landstrich anzugeben, hat weniger wissenschaftliches als praktisches Interesse, da oft an einem Tage so viel R. auf die Erde kommen kann, als an zehn andern Regentagen zusammengenommen. Man rechnet z.B. auf Petersburg 40, auf Chur 115 Regentage jährlich. In einzelnen Jahren wechselt die Regenmenge bedeutend; so fand zwischen dem trockenen Jahre 1842 u. dem darauf folgenden ein bedeutender Unterschied Statt. Das Regenwasser ist bes. in den Monaten März u. April rein, weil da wegen der geringen Luftwärme noch keine fremdartigen Substanzen mit den Dünsten in die Luft geführt werden; in den warmen Sommermonaten enthält es viele fremdartige Substanzen, z.B. Samenstaub von Kiefern (s. Schwefelregen), beigemischt. Das specifische Gewicht des Regenwassers beträgt bei 14° R. 1,0001 bis 1,0013; es enthält Spuren von Kalk, Talk, Kali, Eisen, Salzsäure, Mangan, Salpetersäure, Kohlensäure u. einem organischen Stoffe. Der R. ist für die Ökonomie der Natur, namentlich für Thier- u. Pflanzenleben, von höchster Wichtigkeit, er ist das Hauptmittel, das auf der Erde überhaupt vorhandene Wasser auf die für die Naturoperationen zweckmäßige Art circuliren u. namentlich an Orte gelangen zu lassen, welche den übrigen Naturgesetzen zu Folge ohne R. völlig wasserarm bleiben würden. Alle Quellen bekommen größtentheils ihre Nahrung durch den R.; das meiste abfließende Wasser in Flüssen u. Strömen gelangt ebenfalls direct durch den R. dahin, daher bei lange dauerndem Regenmangel ein großer Theil der Quellen u. fließenden Gewässer, namentlich die Steppenflüsse u. Hungerquellen, vertrocknen. Die durch Flüsse dem Meere zugeführte Regenmenge beträgt etwa ein Viertel des Ganzen, das Übrige dringt in die Erde ein od. verdunstet, um später wieder als R. niederzufallen. 2) Ein dichtes Niederfallen von Funken nennt man Feuerregen, wie bei Kunstfeuerwerken, auch Regenfeuer, Goldregen.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.