- Reis [2]
Reis, die ausgehülsten Samenkörner von Oryza sativa (s.d.). Seit undenklicher Zeit wird der R. in heißen Ländern, bes. in Indien (wo der ausgehülfte Braß, der mit Hülsen Paddy heißt), auf Feldern gebaut; Äthiopien od. Indien mag sein Vaterland sein. Der R. breitete sich aus dem südlichen Ostindien über Persien, China u. Japan aus. In China soll er schon 2837 v. Chr. eingeführt worden sein; im Abendlande blieb er dagegen lange fremd, obschon die Griechen durch Alexanders d. Gr. Züge sein Dasein erfuhren u. Theophrast, welcher ihn zuerst erwähnt, richtig beschreibt. Die Römer erhielten ihn aus Indien. In Südeuropa wurde der R. durch die Sarazenen eingeführt. Jetzt baut man ihn überall, wo das Klima seine Cultur zuläßt, in Europa bes. in Italien, Spanien u. der Türkei. Der R. verlangt zu seinem Gedeihen einen nicht blos nassen, sondern überschwemmten Boden u. hinlänglich warmes Klima. Die Pflanze ist jährig u. treibt einen 3–4 Fuß hohen, starken, festen, durch Knoten in mehre Gelenke abgetheilten Stängel mit langen, dünnen Blättern u. gleicht so dem gemeinen Rohr; die Blüthen bilden anfangs eine Ähre, welche sich aber, wenn die Samen zu reisen beginnen, in einen lockeren Büschel ausbreitet. Man unterscheidet zwei Spielarten: Berg- u. Sumpfreis; von beiden gibt es wieder Abarten, welche sich bes. durch Farbe der Samenhülsen, als weißer, rother u. schwarzer R., wie auch durch Größe, Gestalt u. sonstige Beschaffenheit des Samens unterscheiden; man hat ferner R. ohne Grannen (Oryza mutica), R. mit kleberigen Grannen (O. glutinosa), welcher bes. auf Java gebaut wird, u.m.a.; den Bergreis cultivirt man in neuester Zeit auch in Nordamerika. Am häufigsten wird der Sumpfreis gebaut. Ein Reisfeld zu Sumpfreis muß durch Dämme in mehre Reviere abgetheilt werden. Auf einem derselben säet man in Europa im April den R. ziemlich dick u. läßt Wasser darüber; sind dann die jungen Pflanzen 5 bis 6 Zoll hoch, so verpflanzt man sie auf die übrigen Reviere reihenweise, 6 Zoll weit auseinander, u. gibt ihnen 1 Fuß hoch Wasser, welches so lange darauf stehen bleibt, bis sich die Ähren zeigen; dann muß es sogleich abgelassen werden. Ohne Verpflanzung reist der R. zwar auch, aber der Ertrag ist weniger ergiebig. Im vierten Monat nach der Aussaat wird der gereifte Samen geerntet. Man schneidet die Halme, von der Dicke einer Federspule, mit scharfen Messern ab u. läßt die Ähren vollends austrocknen; dann werden sie auf Matten über der Erde ausgebreitet u. durch Ochsen od. durch Menschen ausgetreten. In Ägypten geschieht das Ausdreschen durch eiserne cylindrische Stampfen, die durch ein Rad, welches von Ochsen getrieben wird, bewegt werden. Der ausgebrachte R. ist noch in seinen Hülsen, von welchen er auf Mühlen befreit wird, in denen der untere Stein mit Kork belegt ist. Von der Mühle kommt der R. in der Gestalt u. Farbe, wie wir ihn kennen. Aus ihm kann dann durch Zerreiben Reismehl erhalten werden. Wird er im Lande u. innerhalb Jahresfrist verbraucht, so braucht er nicht gedörrt zu werden, außerdem aber u. wenn er, zumal über Wasser, ausgeführt werden soll, muß man ihn in Sonnenhitze od. über gelindem Feuer dörren, weil er sonst leicht verdirbt u. von Insecten gefressen wird. Die Reisfelder sind für die nächsten Gegenden durch ihre Ausdünstungen eine ergiebige Quelle von Volkskrankheiten. Der Bergreis wird auf hoch liegende, trockene, mit Asche gedüngte Felder gesäet u. dem Regen die weitere Befruchtung des Erdreichs überlassen. Die Körner sind weit härter, weißer, auch wohlschmeckender, aber er ist nicht so ergiebig wie der Sumpfreis; auch kommt wenig von ihm in den Handel. Der R. ist in den wärmeren Ländern für den Nahrungsbedarf von höchster Wichtigkeit. In Ost- u. Westindien u. in den meisten Gegenden Afrika's essen Vornehme wie Geringe täglich gekochten R., welcher bei Reichen auf die verschiedenste Art zubereitet wird. Er ist ein gesundes Nahrungsmittel u. besteht größtentheils aus Stärkemehl. Bei uns genießt man den R. in Suppen, als Gemüse in Bouillon od. mit Milch gekocht, als Pudding, als Backwerk u. Zuthat zu Kuchen, Torten, Cremen etc. Um ihn zu einem Teig zusammenzuhalten u. Reisbrod zu gewinnen, muß man ihn so lange kochen, daß er wie zu einer Gallerte wird, dann diesem noch Reismehl, zugleich aber etwas Salz u. Sauerteig zusetzen; hat er nach gehörigem Durchkneten genug gegohren, so thut man ihn in eine kupferne wohl verzinnte Pfanne, in welche vorher etwas Wasser gegossen wird, bedeckt ihn mit Papier, schiebt ihn in den Ofen u. wendet die erhitzte Pfanne so schnell als möglich um. Der Teig kommt nun auf den erhitzten Herd, behält durch die schnelle Einwirkung der Hitze die Form der Pfanne u. bäckt zu einem hochgelben, weichen, angenehm schmeckenden Brode, welches man aber nicht zu alt werden lassen darf, weil es sonst ausdörrt. Auch macht man eine gute Seife aus R., bereitet ein schnell berauschendes Bier u. den Arak daraus; eine Abkochung von R. in Wasser (Reiswasser) dient als schleimiges, einhüllendes, reizminderndes Mittel bei entzündlichen Fiebern, Diarrhöen etc.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.