Schachspiel

Schachspiel

Schachspiel (Schach, v. pers. Schah, so v.w. König), ein Bretspiel mit Figuren, nach mehrerlei Regeln. Die gewöhnlichen Figuren sind: die acht Offiziere: der König (Schah); die Königin (Dame, Jungfrau, bei den Orientalen Pharz, Pherzan, Fers, d.i. Feldherr, Wesir [aus Pherzan ist dann im mittleren Latein Fercia, im Altfranzösischen Fierce, Fierge u. daraus Vierge, Dame, Königin, entstanden]); zwei Läufer (oriental. Pil od. Fil, Elephant, fr. Fou, engl. Bishop), durch einen Federbusch auf dem Kopf ausgezeichnet; zwei Springer (im Orient Reiter, daher italien. u. franz. Cavall, Cavalier, altdeutsch Rössel, engl. Knight), meist oben mit Pferdehals u. Kopf; zwei Thürme od. Rochen (nach der orientalischen Sage vom Vogel Rok, als welcher sie auch im Orient gebildet erscheinen; nach And. von dem altoriental. roch. d.i. Wagenlenker, also der Kriegswagenlenker des Königs; ital. Roc, da die Europäer die Figur für eine Felsenburg hielten; franz. Tour, engl. Castle, von diesen allen als Thurm, von den Altdeutschen u. auch jetzt noch im Orient als Elephant, von den Russen als Nachen, von den Engländern als Krähe [Rook] gebildet), gewöhnlich in Gestalt eines runden Thurmes od. auch eines Elephanten; u. acht Bauern (Fänt, franz. Pions, engl. Pawns, im Orient gemeine Soldaten). Das gewöhnliche Schachbret ist ein, wie das Damenbret, in 64 abwechselnd schwarze u. weiße Felder getheiltes Bret. Die gewöhnlichste Art des S-s ist A) das Kleine (Italienische, Welsche) S., von zwei Spielern auf dem gewöhnlichen 64felderigen Schachbret gespielt. Aufgestellt wird das Schachbret so, daß jeder Spieler ein schwarzes Eckfeld zur Linken hat. Die Spieler sitzen einander gegenüber u. jeder derselben hat 16, der eine dunkle, der andere helle Schachsteine, von denen die 8 Offiziere auf der dem Spieler zunächst liegende Felderreihe, 8 Bauern auf die Reihe davor gesetzt werden. Von den Offizieren nehmen die beiden Thürme die Eckplätze ein, neben diese kommen die beiden Springer, neben diese die beiden Läufer u. auf die beiden Mittelfelder König u. Königin zu stehen, wobei der Grundsatz gilt, daß die weiße Königin auf ein weißes, die schwarze auf ein schwarzes Feld (Regina servat colorem) gestellt wird. Mit diesen Figuren geschehen von den Spielern die Züge abwechselnd, bis ein König mat ist (vom persischen mat = besiegt). Für den Gang der Figuren sind als allgemeine Gesetze gültig, daß die zu bewegende Figur sich nur auf ein leeres Feld stellen darf od. auf demselben eine Figur des Gegners schlagen muß, in deren Stelle sie dann einrückt, u. daß endlich bis zu dem Felde, welches sie einnehmen soll, keine andere, eigene od. feindliche Figur im Wege stehen darf. Nur der Springer macht eine Ausnahme, indem er über andere Figuren wegspringen darf. Was den Gang der Figuren insbesondere u. deren Eigenthümlichkeiten anlangt, so gelten als Regeln: der König (Schah) zieht u. schlägt nach jeder Richtung, aber immer nur einen Schritt auf das nächste Feld; obwohl sein Wirkungskreis als Offizier der beschränkteste, so ist er doch die Hauptfigur, die Achse, um welche sich das ganze Spiel dreht; den König so anzugreifen, daß ihm kein Ausweg mehr bleibt, ist der Endzweck des Spieles; der König darf nie geschlagen werden, daher auch nie so ziehen od. schlagen, daß er ein vom Feinde bedrohtes Feld einnimmt; wird der König vom Feinde angegriffen (Schach geboten), so muß derselbe, sofern die angreifende Figur des Feindes nicht genommen od. der Angriff durch das Dazwischenziehen eines eigenen Steines aufgehoben werden kann, seinen Platz verlassen; kann sich aber der König auf keine dieser Arten dem Schach mehr entziehen, so ist er mat u. die Partie für ihn verloren. Unentschieden (Remis) bleibt die Partie, wenn keiner der Spieler den anderen mat zu machen vermag. Steht ein Spieler dagegen so, daß er keinen seiner etwa noch vorhandenen Steine ziehen kann u. seinen König, ohne daß ihm Schach geboten wäre, nicht anders zu ziehen vermag als auf ein vom Feinde angegriffenes Feld, so nennt man das Spiel pat; von Manchen wird pat für eine Partie remise (so in Frankreich) gehalten; Andere wollen, daß der, welcher pat setzt, nur halb gewonnen habe; noch Andere erklären den, welcher pat gegeben hat, für verloren. Eine Ausnahme von. der oben angegebenen Bewegung darf der König nur beim Rochiren machen, wie man eine besondere Bewegung von König u. Thurm zugleich, welche für einen Zug gerechnet wird, nennt; allgemein üblich ist gegenwärtig die sogenannte beschränkte od. Calabrische Rochade, bei welcher der Thurm an den König herangezogen u. dieser auf die andere Seite unmittelbar neben den Thurm gestellt wird. (Die sogenannte alt deutsche Rochade ist außer Brauch; sie bestand in zwei besonderen Zügen, in denen der König beim ersten bis an den Thurm rückte u. darauf in einem zweiten Zuge der Thurm auf die andere Seite des Königs gesetzt[45] wurde). In Italien ist die unbeschränkte Rochade üblich, d.h. es steht dem Spieler frei König u. Thurm auf irgend eins der zwischen beiden liegenden Felder umzusetzen od. beide selbst mit ihren Stellungen zu vertauschen. Nicht gestattet ist die Rochade, wenn der König Schach hat od. ein vom Feinde beherrschtes Feld (also ein Schach) passiren müßte, auch nicht, wenn König od. Thurm schon gezogen sind. Jeder Angriff auf den feindlichen König muß mit Schach dem König angekündigt werden. Die Königin kann gerade u. schräg vorwarts, rückwärts u. zur Seite sich bewegen u. schlagen, jedoch so, daß, wenn sie eben auf einem schwarzen od. weißen Felde steht, sie beim Schrägschlagen die schwarzen od. weißen Felder halten muß; sie ist die mächtigste Figur im Spiele, ist stärker als ein Thurm u. ein Läufer zusammengenommen u. vereinigt die Beweglichkeit dieser beiden Offiziere in sich. Es ist meist üblich einen Angriff auf die Königin mit Gardez anzukündigen. Die beiden Läufer können nur schräg gehen od. schlagen, im Übrigen vor- u. rückwärts u. beliebig weit; wie sie ursprünglich der eine auf weißem, der andere auf schwarzem Felde aufgestellt sind, so halten sie auch später die Farbe der Felder. Die Springer gehen nach allen Seiten zwei Felder weit, wovon um Verhältniß zu dem Felde, worauf der Springer stand, das eine schräg, das andere gerade, od. umgekehrt, das eine gerade, das andere schräg abwärts geht; es kann also das Feld, auf welches der Springer wieder gestellt wird, nie unmittelbar neben dem Felde liegen, auf welchem er stand. Stets kommt der Springer auf ein Feld von anderer Farbe, als das anfängliche, zu stehen, steht er daher auf einem weißen, auf ein schwarzes, od. umgekehrt. Die Thürme od. Rochen gehen gerade aus vorwärts, rückwärts u. rechtwinkelig nach jeder Seite. Die acht Bauern gehen ein Feld gerade vorwärts u. schlagen zu beiden Seiten schräg vorwärts, nur beim ersten Zuge darf der Bauer auch zwei Felder vorgehen, käme dadurch aber ein feindlicher Bauer neben ihn zu stehen, so kann dieser den vorbeigezogenen Bauer schlagen u. zwar so, daß er sich auf den Platz stellt, welchen jener eingenommen haben würde, wenn er Anfangs nicht zwei, sondern nur einen Schritt gethan hätte. Gelangt ein Bauer auf die Felderreihe, welche Anfangs die feindlichen Offiziere inne hatten, so wird er sofort Offizier nach beliebiger Wahl des Besitzers des Bauers (mit Ausnahme des Königs u. des Läufers, welcher nicht auf die Farbe des Feldes paßt); in neuerer Zeit hat man sich dahin entschieden, daß für einen solchen Bauer auch ein Offizier gefordert werden kann, welcher noch nicht geschlagen ist, so daß z.B. der Spieler zu seiner Königin noch eine Königin zu erhalten vermöchte, od. selbst mehr als zwei Königinnen. Für das Spiel selbst bestehen folgende (fast) allgemein gültige Gesetze: auf einen Zug darf auch nur eine Figur gezogen werden; die Rochade allein bildet eine Ausnahme. In früherer Zeit ist es Brauch gewesen auf den ersten Zug (Anzug) zwei Figuren zu ziehen, doch ist dies von allen Schachautoritäten verworfen worden. Über den ersten Zug entscheidet das Loos; bei den folgenden Partien hat der Matgewordene den Auzug od. abwechselnd der eine u. der andere von den Spielern. Wer eine Figur vorgibt, hat den Anzug. Sobald die Hand von der gezogenen Figur zurückgezogen ist, darf der Zug nicht mehr zurückgenommen werden, es sei denn, daß der Spielende sich damit in Schach setzte; noch Andere spielen pièce touchée, d.h. eine berührte Figur muß gezogen werden. Eine Partie, in welcher der eine Spieler dem anderen fortwährend Schach bieten kann, ohne daß er ihn aber mat zu setzen vermöchte, wird als unentschieden aufgehoben. Wenn bei verhältnißmäßig schwachen Kräften das Mat des Gegners sehr schwierig u. langwierig ist, werden gewöhnlich eine Anzahl Züge (40–50) bestimmt; sind diese gethan, ohne daß das Mat erfolgt ist, so wird die Partie als unentschieden aufgehoben. Roi depouillé (d.h. der aller seiner Figuren beraubte König) galt früher meist nur für halb gewonnen od. gar unentschieden, während es jetzt als ganz gewonnen angesehen wird. Je nach der Manier, in welcher die Eröffnung des Spieles stattfindet, unterscheidet man gewöhnliche u. Gambitspiele; in einer Partie ersterer Art ist Alles der willkürlichen Combination des Spieles überlassen, in dem Gambit (vom ital. dare il gambetto, ein Bein stellen, eine Falle legen) findet ein auf bestimmten Zügen u. Regeln beruhendes, systematisch geregeltes Spiel statt, gegen welches auch eine gewisse ordnungsmäßige Vertheidigung nothwendig wird; über die verschiedenen Arten des Gambits (Cochrane-, Cuningham-, Damiano-, Evans-, Greco-, Lopez-, Muzio-, Salvio-, Allgaier-, Schottisches-, Königs-, Königin-, Läufer-, Springergambit etc.) sind von den besten Schachspielern sogenannte Musterspiele aufgestellt worden, welche die dabei zu beobachtenden Regeln lehren. Im Allgemeinen besteht das Wesen des Gambits darin, daß der Anziehende einen Bauer opfert, dafür aber seine Offiziere zu rascherer Wirksamkeit als der Gegner bringt. Das Gambit kann zwar auch von dem Gegenspieler, indem er den angebotenen Bauer nicht schlägt, abgelehnt werden (die Partie wird dann eine gewöhnliche), doch ist das, wenn es Erfolg haben soll, sehr schwierig, weil der Gambitgeber gewöhnlich den Vortheil des Angriffes behält. Während mit Aufstellung der Gambitmusterspiele hauptsächlich die Regeln an die Hand gegeben sind, nach welchen die Spielanfänge sich in correcter Weise gestalten lassen, hat sich die Theorie sodann auch den Spielendungen zugewandt u. diejenigen Fälle ermittelt, in denen bei ungleichen Kräften der Gegner eine Partie sich noch beendigen läßt od. unentschieden bleibt. Für die Mitte der Spiele hat die Theorie dagegen Regeln aufzustellen nicht vermocht, schon um deswillen nicht, weil in diesem Theile einer Partie die Combinationen so vielfältig sein können, daß sie sich der Vorausberechnung entziehen. Ein Mat ist zu erzwingen: mit dem König u. der Königin, od. dem Thurm, od. zwei Läufern, od. Läufer u. Springer gegen den König allein; mit dem König u. einem Bauer gegen den König allein, sofern der feindliche König nicht vor dem Bauer steht; mit dem König u. der Königin gegen König u. Bauer, doch nicht immer; mit König u. Königin gegen König u. Thurm (od. Läufer od. Springer); mit König, Springer u. Bauer gegen König u. Bauer; wenn statt des Springers ein Läufer vorhanden ist, so wird der Gegner nur unter Umständen mat; mit König u. zwei Bauern gegen König u. einen Bauer; mit König, Thurm u. Läufer gegen König u. Thurm. Unentschieden bleibt die Partie, wenn sich entgegenstehen: König u. Bauer gegen König u. der Letztere sich vor dem Bauer befindet; König u. zwei Springer gegen den König;[46] König u. Thurm gegen König u. Läufer (od. Springer od. auch Springer u. zwei Bauern); König mit Thurm u. Springer gegen König u. Thurm; König mit Königin gegen König u. zwei Läufer (od. Thurm u. Läufer, od. Thurm u. Springer, od. Thurm u. zwei Bauern, od. zwei Thürme, od. Läufer u. zwei Bauern).

B) Das Kriegsspiel ist mit Herbeiziehung militärischer Verhältnisse dem S. nachgebildet. Das Bret, auf welchem es gespielt wird, hat 121 Felder; jeder der beiden Spielenden hat 27 Figuren, u. zwar: 1 König, 2 Krongarden, 2 Garden, 2 Kürassiere, 2 weiße u. 2 schwarze Husaren, 5 Kanonen u. 11 Soldaten. Aufgestellt werden diese Figuren so, daß das Mittelfeld der dem Spieler nächsten Reihe der König einnimmt, zu jeder Seite 1 Krongarde, auf den Eckfeldern der Reihe stehen 2 Kanonen; auf der zweiten Reihe haben wieder 2 Kanonen die Eckfelder, neben diese kommen die schwarzen, dann die weißen Husaren, dann die Kürassiere, dann die Garden, u. auf das Mittelfeld 1 Kanone; auf der dritten Reihe stehen die 11 Soldaten. Zweck des Spieles u. Gang des Königs sind ganz wie beim S. Die Krongarden sind die wichtigsten Figuren u. können, wie die Königin im Kleinen S., nach allen Richtungen hin wirken, zugleich aber auch wie ein Springer sich bewegen. Die Garden sind ganz den Königinnen, die Kürassiere den Springern des S-s gleich; die weißen u. schwarzen Husaren bewegen sich wie die Läufer des S-s, beherrschen zugleich aber in gerader Richtung (wie ein Thurm) die weißen, resp. schwarzen Felder; die Kanonen vertreten ganz die Thürme des Kleinen S-s. Die Soldaten gehen gerade aus od. rechts u. links (wie ein Thurm) einen Schritt, nicht aber zurück, u. schlagen seitwärts; dringt ein Soldat in die Königsreihe des Gegners ein, so tritt er in die Rechte eines bereits verlorenen Offiziers, od. wird als ein Krongarde markirt. C) Das Große S. (Courierspiel, Alte Spiel) war im 12. u. 13. Jahrh. gewöhnlich u. wird noch bes. im halberstädtischen Dorfe Ströbeck gespielt. Das Schachbret ist länglich viereckig u. hat 96 Felder, 12 auf der langen, 8 auf der kurzen Seite. Jeder Spieler hat 24 Steine, nämlich außer den 16 gewöhnlich 2 Couriere, 1 Rath für den König (der Alte od. des Königs Mann), 1 Narren für die Königin (Schleich) u. noch 4 Bauern. D) Das S. unter vier Personen (S. en quatre), wird nach den Regeln des kleinen Schachs unter vier Personen auf einem Schachbret gespielt, welches entweder die Gestalt von zwei neben einander geschobenen gewöhnlichen Schachbretern hat (u. dann spielen die zwei Personen der einen Seite gegen die beiden der anderen Seite), od. welches an jeder Seite eines gewöhnlichen Schachbretes noch zwei bis drei Reihen Felder besitzt (dann spielen diejenigen zusammen, welche sich gegenübersitzen). Jeder der vier Spieler hat die 16 gewöhnlichen Schachfiguren. Die Figuren jedes Spieles sind durch Farben od. Gestalt unterscheidbar gemacht. In der Reihenfolge der Züge wechseln sich die Parteien ab; beim langen Bret folgen sich die Züge übers Kreuz, beim quadratischen Bret rechts herum. Beim langen Bret ist die Aufstellung der Figuren so, daß die weiße Seite ihre beiden Königinnen auf weiß, die schwarze Seite auf schwarz stellt, bei dem anderen Bret werden die Königinnen sämmtlich auf weiße Felder gestellt. Während die Bewegung der Figuren ganz wie bei dem gewöhnlichen Zweischach ist, auch die allgemeinen Gesetze von dort hier Geltung haben, so treten doch dadurch, daß jedem Zuge eines Spielers zwei gegnerische Züge folgen, ganz besondere Verhältnisse noch hinzu. Diese Eigenthümlichkeiten sind in Kurzem folgende: die Figuren der beiden Spieler einer Partei unterstützen sich gegenseitig; mat ist erst der, welcher dann, wenn er in seiner Reihe am Zuge ist, das ihm gegebene Schach nicht mehr decken oder verlassen kann; die Figuren des Matgesetzten haben keine Wirksamkeit mehr, dürfen aber auch nicht geschlagen werden; der Matgesetzte darf sich mit seinem Genossen berathen, bis zu diesem Moment darf aber kein Meinungsaustausch stattfinden; wird ein Matgesetzter durch das Spiel seines Genossen wieder befreit, so treten auch alle seine Figuren sofort wieder in Wirksamkeit u. dürfen geschlagen werden; es ist erlaubt den eigenen Genossen durch Wegziehen einer deckenden Figur in Schach zu setzen, auch wenn der Gegner, dessen Figur dieses Schach gibt, unmittelbar darauf am Zuge ist, denn es gilt auch hier das Gesetz: der König darf nicht geschlagen werden; der, welcher Schach erhält, muß dieses unmittelbar decken, auch wenn es vortheilhafter wäre diese Deckung dem nächsten Zuge des Genossen zu überlassen. Bei dem Spiel auf quadratischem Brete tritt noch als Eigenthümlichkeit hinzu, daß die Bauern, wenn sie einem Bauer des Genossen begegnen, schräg vorbeiziehen, dann aber in ihre frühere Richtung zurückkehren. In das feindliche Lager kann hierbei ein Bauer nur durch Schlagen gelangen, darf aber dann in die zweite, resp. dritte Felderreihe ziehen (also rechtwinkelig gegen seine ursprüngliche Richtung). E) Das Orientalische S.; das älteste ist a) das der Hindus, welches aus vier Parteien besteht, wovon jede 1 König, 3 Offiziere u. 4 Bauern besitzt. Der eine Theil wird als Hauptarmee, der andere als Hülfsarmee behandelt. Sonst hat das Spiel viele von dem europäischen abweichende Regeln. b) Ein kleines S., in Persien u. Hindostan sehr gewöhnliches, dem europäischen in Zahl u. Aufstellung der Steine ähnlich, nur daß der Elephant u. Läufer nur zwei, die Königin nur einen Schritt nach der Diagonale machen darf. c) Das Große S., wo von jedem Theil, außer unseren Figuren, noch 1 Großvezier, 2 Hirsche, 2 Rhinozeros u. 5 Bauern (zusammen also 23) auf dem Brete sind. Der Großvezier geht wie die Rochen, Läufer u. Springer, die Hirsche wie die Springer, aber ein Feld weiter, die Rhinozeros wie Rochen u. Springer. d) Das Chinesische S. wird auf einem Brete gespielt, welches in 64 kleine Quadrate u. wiederum durch einen Fluß, welcher das Bret horizontal schneidet, in zwei gleiche Hälften getheilt ist u. in jeder Ecke der kleinen Quadrate einen kleinen Kreis hat. Die vier Felder, auf welche im gewöhnlichen Schach der König u. die Königin mit ihren Bauern aufgestellt werden, bilden ein besonderes Lager, welches der König mit seinen beiden Adjutanten nicht verlassen darf. Zwei gegenübersitzende Personen spielen, jede hat 16 Figuren: 1 König, 2 Adjutanten (Alfieri), 2 Elephanten, 2 Reiter, 2 Wagen, 2 Kanonen u. 5 Soldaten, von denen die neun ersteren auf den neun untersten Kreisen, die zwei Kanonen in der dritten u. die fünf Soldaten in der vierten Reihe stehen. Die Wirksamkeit der Offiziere ist viel beschränkter als im gewöhnlichen Schach, daher müssen auch die Hauptoffiziere (Wagen u. Kanonen) gleich Anfangs ins Spiel eingreifen,[47] im Übrigen ist die Basis des Spieles der Theorie des Schachs ähnlich, auch hier darf der König nicht geschlagen werden u. das Endziel ist das Mat.

Manche schreiben die Erfindung des S-s dem Palamedes vor Troja zu, Andere einem hindostanischen König, welcher es dem Kyros mitgetheilt habe, so daß es also von Indien nach Persien gekommen sei, während Perser selbst behaupten, daß das große Schach in Persien selbst erfunden, dann nach Indien verbreitet u. von da zum kleinen S. verkürzt nach Persien zurückgebracht worden sei, wogegen es wahrscheinlich ist, daß das große Spiel erst eine spätere Erweiterung des kleinen ist. Zur Zeit des Kyros soll das S. aus Indien nach China gekommen sei. Nach den Arabern wurde es erst um 226 n.Chr. aus Eifersucht auf den König Artaxerxes, welcher das Bretspiel erdacht hatte, in Indien erfunden; nach noch Anderen erfand es dort der Bramine Sissa (400 v. Chr.), um dem König Schechram, welcher das Volk zu wenig achtete, durch dies Spiel die Lehre zu geben, daß ohne die Anstrengung des Volkes ein Monarch nichts sei. Schechram war so über die Erfindung entzückt, daß er dem Sissa erlaubte sich eine Gnade auszubitten; Sissa verlangte, daß man ihm auf das erste Feld des Schachbretes ein Korn u. auf jedes folgende immer doppelt so viel als auf dem vorhergehenden lege u. den Betrag des Ganzen ihm schenke. Der König hielt das Geschenk für zu gering, war aber sehr verwundert, als er vernahm, daß alles Getreide, welches auf der Erde je erbaut worden, die verlangte Masse Getreide (18,000,000,000,000,000,000 Körner, in fast 15 Billionen Cubikfuß od. 141/2 Billionen englische Scheffel, welche einen Raum von 24 Cubikmeilen od. von 2200 QM., in denen das Korn 30 Fuß hoch läge, füllen würden) noch nicht hergeben würde. Wahrscheinlich wurde das S. also in Indien erfunden. Die Römer lernten das S. bei ihren Kriegen in Asien kennen u. ihr Ludus latronum od. latruncolorum scheint dem S. ähnlich gewesen zu sein. Zu diesem Spiele gehörten 32 Steine (Calculi, Latrones, Latrunculi, gr. Kynes [Hunde] genannt). Die Hälfte war weiß, die andere schwarz od. roth. Sie wurden auf dem in Felder getheilten Spielbret in zwei Abtheilungen aufgestellt u. dann so gezogen, daß sie der Gegner nicht schlagen konnte. Waren zwei Steine ungesetzlich zugleich gezogen, so blieben sie das ganze Spiel über auf ihrer Stelle stehen (Calculi inciti), od. waren fest gemacht. Die Steine (für jede Partei 2 Offiziere, 2 Elephanten, 2 Reiter, 2 Trabanten, 8 Fußgänger [daher die Steine auch zusammen Milites]) waren entweder C. ordinarii, welche gerade aus u. zur Seite gezogen wurden, od. C. vagi, welche mehr Freiheit hatten. Gewonnen hatte das Spiel, wer des Anderen Steine alle gewonnen (capere) od. fest gemacht (alligare) hatte, er hieß Imperator; bes. Militärs spielten das Spiel. Im Mittelalter war es ein Unterhaltungsspiel der Vornehmen u. wurde auch von Karl dem Großen gern gespielt, bes. kam es durch die Sarazenen zu Ende des 11. Jahrh. in Constantinopel u. Spanien in Aufnahme. Den französischen Clerikern war das S. (Ludus scaccorum) verboten, wenigstens sollten sie kein Schachbret (Scaccarium) u. keine Schachsteine (Scacci) in ihren Häusern haben. Es war auch ein Lieblingsspiel Tamerlans, u. zwar soll derselbe das große Spiel (mit 56 Figuren auf 112 Feldern) dem kleinen vorgezogen, ja nach Einigen sogar erfunden haben. Die ersten gedruckten Werke über das S. sind die von Lucena u. Damiano, welche um 1500 erschienen; als eigentlicher Begründer der Theorie des S-s ist aber ein Geistlicher aus Safra, Ruy Lopez, anzusehen. Wesentliche Vervollkommnungen erreichten dann die Italiener Gianutio, mehr noch Salvio (1604) u. Greco. Dann ruhte die Theorie des S-s lange Zeit, u. erst um die Mitte des 18. Jahrh. wendete man sich ihr wieder zu u. zwar mit gesteigerter Gründlichkeit, so Bertin u. Stamma (1745), noch viel mehr der Italiener Rio u. der Franzos Philidor, von denen der Erstere in Bolli u. Ponziani (1782) ausgezeichnete Commentatoren fand, während Philidor gewissermaßen für den Norden maßgebend wurde u. dem Spiel mit vorgeschobenen geschlossenen Bauern u. mit den Läufern eine fast allgemeine Geltung verschaffte. Allgaier (1795) folgte hauptsächlich Philidor, ohne die Italiener zu Rathe zu ziehen. Erst zu Anfang des 19. Jahrh. wurden die in Italien erlangten Fortschritte durch die deutschen Übersetzungen (von Heinse, Koch, Mosler) der italienischen Werke bekannter u. führten allmälig eine Verschmelzung der verschiedenen Ansichten herbei. Zur weiteren Entwickelung trugen sodann die Engländer Sarratt, Cochrane u. Lewis bei, welchem Letzteren sich sodann Walker u. Staunton anschlossen, während zwei in London lebende Deutsche, Kling u. Horwitz, sich bes. über die Spielendungen verbreiteten. In Frankreich war es de la Bourdonnais u. noch mehr Alexandre, welche die Theorie vervollkommneten. In neuester Zeit aber sind es bes. die Werke von Bilguer, von der Lasa, Lange u. Jänisch, welche den Standpunkt der neuesten Forschungen u. Fortschritte in der Theorie des Schachs darstellen. Einen besonderen Aufschwung hat die Betheiligung am S. aber durch die Gründung von Schachclubs, sowie durch die Veranstaltung großer Schachturniere (das größte 1851 in London) u. das Erscheinen von Schachzeitungen in französischer, englischer, deutscher u. holländischer Sprache erhalten. Oft werden auch zwischen Personen od. Vereinen Partien mittelst Correspondenz gespielt. Von den bedeutenden Schachspielern neuerer Zeit sind die bekanntesten in England: Staunton, Kennedy, Wyvill, Bird, Williams, Lowe etc., in Deutschland: Horwitz, Anderssen, Mayet etc., in Frankreich: Kieseritzky etc., in Amerika: Murphy, der sogenannte Schachriese, welcher gleichzeitig acht Partien blind spielte. Die Literatur des S-s ist überaus reich; eine Zusammenstellung der älteren Werke gibt: Öttinger, Bibliothek des S-s, Verzeichniß aller Werke über das S., Leipz. 1844. Von den neueren Werken sind die bedeutendsten: Jänisch, Analyse nouvelle des ouvertures du jeu des échecs, Petersb. 1843; Alexandre, Tableaux synoptiques des ouvrages tant anciens que modérnes etc., Par. 1837; Silberschmidt, Lehrbuch des S-s, Wolfenb. 1845; v.d. Lasa, Leitfaden für Schachspieler, Berl. 1857; Bilguer, Handbuch des S-s, 3. Aufl. Berl. 1858; M. Lange, Lehrbuch des S-s, Halle 1856; Derselbe, Theorie der Anfangsspiele, 1862; Bland, On the Persian game of chess, im 13. Bd. des Journal of the Royal Asiatic Soc. of Great-Britain and Ireland.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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