Schrift [2]

Schrift [2]

Schrift, die Art, wie man die Sprachlaute durch allgemein bekannte, bestimmte Zeichen darstellt. Die S. als das Mittel, Gedanken u. Laute durch solche Zeichen od. durch Bilder zu versinnlichen, zerfällt im Allgemeinen in die Begriffs- u. Tonschrift. A) Die Begriffs- od. ideographische S., durch welche Gegenstände ganz u. durch ein Bild od. gewisse Zeichen dargestellt werden, u. welche unmittelbar[429] auf den Verstand wirkt, ist wohl die älteste unter allen; sie ist: a) eigentliche Bilderschrift (kyriologische S.), in so fern man nur körperliche, in die Sinne fallende u. tastbare Gegenstände darstellt; hier werden die Bilder bald vollständig gezeichnet (Kyriologika), bald abgekürzt u. nur einzelne bezeichnende charakteristische Theile für das Ganze gesetzt (Kyriologumena); od. b) symbolische S., in so fern man abstracte, od. auch sinnliche, aber Begriffe von, nicht tastbaren Gegenständen nach Maßgabe ihrer Ähnlichkeit mit körperlichen durch Bilder sichtbarer Gegenstände bezeichnet. Hierher gehören die Hieroglyphen der Ägyptier u. Azteken (s.u. Hieroglyphen u. Mexicanische Sprache), sowie die alte chinesische S. Auch die Runenschrift der Skandinavier hält man für aus einer Bilderschrift hervorgegangen. In so fern durch diese Schriftarten ganze Gegenstände (Objecte) dargestellt werden, hat man sie auch Objectenschrift genannt. Eine besondere Art der Zeichenschrift ist die Wortschrift, bei welcher alle Arten von Begriffen u. Wörtern durch bestimmte einfache od. zusammengesetzte Zeichen ausgedrückt werden, welche nicht mehr die Gegenstände andeutet, von denen man redet, sondern die Töne bezeichnet, wodurch man sie ausdrückt; eine solche ist die neuere chinesische S. Eine Art Zeichenschrift ist die Faden- u. Knotenschrift der alten Peruaner (s. Quippus). B) Die Ton- od. phonetische S., welche die einzelnen Theile eines Wortes (Laute) durch einzelne Zeichen erkennbar macht, zerfällt in die Sylben- u. Buchstabenschrift. a) Die Sylbenschrift, wo man durch einzelne Zeichen ganze Sylben bezeichnet, ist wieder entweder echt, wenn sie sich nicht in Buchstaben auflösen läßt, wie die japanische S.; od. unecht, wenn man an den Zeichen die Zusammensetzung durch Buchstaben erkennt, z.B. die äthiopische. b) Die Buchstaben- od. Lautschrift, welche für jeden einzelnen, ein Wort bildenden Laut ein besonderes Zeichen setzt; sie ist die vollkommenste. Wann, von wem u. unter welchem Volke die Erfindung der Buchstabenschrift gemacht sei, läßt sich nicht mit Gewißheit angeben. Die Sage nennt bald Isis, bald Hermes, bald Tauth als Erfinder der Buchstabenschrift. Vermuthlich entstand sie unter den Semiten, welchen auch nach Annahme mehrer Gelehrten die Keilschrift (s.d.) angehört u. von welchen auch die Inder die Grundlage zu ihrer Schrift erhielten. Semitisch ist die Zendschrift u. die sogenannte phönikische S., die hebräische, syrische, himjaritische (u. äthiopische), kufische, arabische (welche zugleich die der Perser, Türken, Tataren, mosleminischen Inder, Malaien u. Nordafrikaner ist), mongolische etc. S. Von den Phönikern kam die Buchstabenschrift zu den europäischen Völkern; so durch Kadmos nach Griechenland (s.u. Griechische Sprache) u. auch nach Italien. Nach der griechischen Buchstabenschrift wurde die koptische u. von Kyrillos die slawische, nach der griechischen, runischen (u. römischen) die gothische durch Ulfilas, nach der römischen die andern germanischen u. romanischen S-en gebildet; s.d. Artikel über die einzelnen Nationalsprachen. Gewöhnlich meint man, daß sich aus der Bilderschrift alle andere S. entwickelt habe, so zunächst die Sylbenschrift, dann die Buchstabenschrift, weil sich in jener das noch ziemlich erkennbare, wenn auch etwas vereinfachte u. abgekürzte Bild vorfinde, in dieser wenigstens der Anfangsbuchstabe dem ursprünglichen Bild entspreche, mit welchem dann andere Zeichen noch verbunden wurden, welche, gewissen Lauten dienend, so oft wiederkehrten, als die Laute selbst; wenigstens ist gewiß, daß sich bei den Ägyptiern die hieratische u. demotische S. aus der Hieroglyphenschrift so gebildet hat. Andere finden in den Buchstaben nur willkürlich gewählte, an sich nichts bedeutende Zeichen, wie es allerdings die moderne S. der Tscherokesen u. der Bey (in Guiana) ist; noch Andere erkennen in der Urgestalt der einzelnen Buchstabenzeichen die Abbildung des sie aussprechenden Organs u. statuiren deshalb nur ein Alphabet, welches sie aus den verschieden gebildeten nach ihrer Theorie wieder zusammentrugen, wo sich die ursprüngliche Gestalt erhalten hatte. Vgl. V. Bilderdyk, Über die Buchstabenschrift, deutsch Barmen 1831. Versuche eine andere S. für dir bestehende einzuführen machte z.B. Thomas Morus in der Utopia, dessen neue Erfindung den Zweck hatte Zeichen an die Stelle der bestehenden zu setzen, welche mehr Einfachheit hatten u. regelmäßiger waren im Verhältniß der einfachen zu den zusammengesetzten Zügen; der Franzose des Brosses (in der Méchanique des langues) entwarf eine S., in welcher die Zungen-, Kehl- u. Lippenbuchstaben durch feste Zeichen, welche Nachbildungen der Zunge, Kehle u. Lippen waren, gegeben wurden; die Verschiedenheit der mit demselben Organ ausgesprochenen Buchstaben gab er durch diakritische Punkte an, Fast dasselbe wollte der Holländer Ten Kate, welcher aber Buchstaben od. Zeichen wählte, auch nur eins für die verschiedenen Buchstaben eines u. desselben Organs, u. sie durch Beizeichen unterschied welche die Figur selbst unverändert ließen. Über den Versuch eine allgemein verständliche S. für alle Nationen einzuführen s.u. Pasigraphie.

Rücksichtlich der Stellung u. Aufeinanderfolge der Lautzeichen unterscheidet man: a) Horizontalschrift, wo die Zeichen u. Wörter neben einander gesetzt werden, bald von der Rechten zur Linken (die semitische), bald von der Linken zur Rechten (die europäische u. indische); bald beides vereinigt, Bustrophedon (s.d. 3). od. Furchenschrift; b) Orbicularschrift (Kreisschrift, Zirkelschrift, Sphäredon), Schreiben in einem Kreis, so daß man weder den Anfang, noch das Ende findet. Hierher gehört nicht sowohl die Kreisschrift auf Münzen, welche, als aus zusammengehörenden Wörtern bestehend, leicht Anfang u. Ende erkennen läßt, sondern vielmehr solche, wie z.B. die Alten brauchten, wenn sie die Namen der Götter in einen Kreis schrieben, um keine willkürliche Rangstufe aufzustellen u. dadurch etwa einen derselben zu beleidigen, od. wenn auf Schiffen in Vorstellungen die Seeleute ihre Namen nicht unter od. neben einander, sondern in einen Kreis schreiben, damit der zuerst Geschriebene nicht entdeckt werden kann; c) Säulenschrift (Kionedon), wo die Wörter unter einander geschrieben werden, nur im Chinesischen u. Japanischen. Bloße Spielereien waren im Alterthum die Schreibweisen Plinthedon (Ziegelweise), wo die S. die Gestalt eines Backsteins, also Oblongums, bildete; u. Spyridon (Korbweise), wo sie die Gestalt eines flachen, runden Korbs bildete. Vgl. Ed. Bernard, Tabula alphabetorum, herausgeg. (aus dessen Orbis eruditi literatura, 1689) von C. Morton, Lond. 1759; C. W. Büttners Bergleichungstafeln der Schriftarten verschiedener Völker, Gött u. Gotha 1771, 1779; Edm. Fry, Pantographia, Lond. 1799; Lorenzo Hervas, [430] Paleographia universalis. Cesena 1798; I. L. Hug. Die Erfindung der Buchstabenschrift, Ulm 1804; Steinthal, Die Entwickelung der S., Berl. 1852.

Im Atlerthum schrieb man Alles mit großen Buchstaben (Uncialschrift); die Cursivschrift der europäischen, Sprachen kam erst im 6. Jahrh. n.Chr. durch das schnelle Schreiben auf. Die deutsche Bücher- od. Druckschrift (Fractur), deren sich früher auch die Dänen, Schweden, Finnen, Lithauer, Wenden u. Böhmen bedienten, ist eigentlich eine von Mönchshänden seit dem 13. Jahrh. verderbte, bei den Minuskeln durch Ecken verschärfte, in den Majuskeln durch Schnörkel verunstaltete lateinische S. (Mönchschrift), welche man sonst gewöhnlich ganz falsch als der Ulfilanischen S. nachgebildet annahm Gothische S. nannte. Man schrieb bis dahin mit lateinischer S., u. auch die sogen. Karolingische u. Longobardische S. des 8. u. 9. Jahrh. war nur eine verzerrte u. gedehnte lateinische S. In. vielen deutschen Büchern ist in Deutschland, wie in den genannten Ländern, die runde lateinische S. jetzt wieder zurückgeführt worden. Vgl. Radlos, Ausführliche Schreibungslehre der Deutschen Sprache. Erst die neuere Zeit hat sich eine S. zum Schreiben (Schreibschrift), verschieden von der Bücherschrift, durch Abrundung u. Schweifung der Buchstaben erfunden. Man unterscheidet: die Currentschrift, als die für das gewöhnliche Schreiben, u. zwar nach der Art die Schriftzüge zu machen (Ductus), den starken, die Grundstriche mehr eckig bildenden, u. den gefälligeren, die Grundstriche mehr abrundenden (Dresdner) Ductus; der Englische od. Kaufmännische Ductus (Kaufmannsschrift) zeichnet sich durch Abwechslung sehr starker u. schwacher Striche u. durch Zwanglosigkeit aus. Für die lateinischen Schriftzüge unterscheidet man noch den französischen Ductus, bei welchem die starten Striche fehlen u. noch größere Flüchtigkeit Statt findet, als beim englischen Ductus, s.u. Schreibunterricht. Advocatenschrift zeichnete sich sonst durch große, weit auseinander gehaltene u. gezogene Buchstaben aus, ist jetzt aber gesetzlich, zur Ersparung von Kostenaufwand für Klienten, zusammengezogen worden; wenn man von einer Gelehrtenschrift redet, so mimt man damit eine schlechte, unleserliche S. nachdem Sprüchwort: Docten mali pingunt, d.h. die Gelehrten schreiben schlecht. Im Gegensatz zu der Currentschrift steht die Kanzleischrift, eine größere, regelmäßige, starke, deutsche S., welche eine Nachahmung der Druckschrift (s. oben) ist. Sie wurde sonst in den Kanzleien, wird aber jetzt nur noch bei den ersten Zeilen einer Ausfertigung u. anderer wichtigen S-en gebraucht. Eine besondere Art Kanzleischrift ist die Fracturschrift; die Buchstaben sind höher, die Grundstriche nicht ausgefüllt, sondern hohl u. mit Verzierungen versehen, od. in der Mitte mit einem Absatz, welcher bisweilen durch einen Streifen noch mehr herausgehoben wird. Sie spielt schon in das Gebiet der Schriftmalerei u. kommt jetzt fast nur noch auf gestochenen Büchertiteln, Lehrbriefen u. ähnlichen Ausfertigungen vor. Die Notenschrift ins Gebiet der schönen Kunst zu ziehen u. an ihr Verschönerungen anzubringen, wird nicht gelingen, da die Typen zu einförmig sind u. dicke Köpfe u. dünne Striche besonderer Verschönerungen nicht fähig sind.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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