Storchschnabel

Storchschnabel

Storchschnabel, 1) (Pantograph, Affe, Parallelogrammum delineatorium). Wenn man aus einem festen Punkte nach allen Punkten des Umfangs einer Figur gerade Linien zieht u. jede derselben nach demselben Verhältnisse (m: n) in zwei Stücke theilt, so bilden diese Theilpunkte den Umfang einer der ursprünglichen ähnlichen Figur. Hätte man daher eine Vorrichtung, welche eine von dem festen Punkte ausgehende u. sich um denselben drehende Gerade von veränderlicher Länge, deren zweiter Endpunkt auf dem Umfange der gegebenen Figur fortschreitet, in jedem Augenblicke in dem Verhältnisse von m: n theilte, so würde dieser Theilpunkt eine der gegebenen ähnliche Figur beschreiben. Dieser Forderung nun genügt ein Parallelogramm mit unveränderlichen Seiten, aber veränderlichem Winkel. Zieht man nämlich zwischen zwei gegenüberliegenden Seiten eines solchen eine beliebige Gerade parallel mit einer der beiden andern u. bemerkt auf derselben den Punkt, in welchem sie von einer der beiden Diagonalen, falls man diese zöge, geschnitten würde, so wird, wie man auch die Winkel dieser Linienverbindung ändert, dieser Punkt stets in der sich zugleich mit verändernden Diagonale liegen u. letztere immer in einem u. demselben Verhältnisse theilen, nämlich in ebendemselben, in welchem die Seiten des Parallelogramms durch die Parallele durch den erwähnten Punkt getheilt sind. Wählt man daher den einen Endpunkt dieser veränderlichen Tiagonale zum festen Punkte, so bildet die (nicht wirklich gezogene) Diagonale selbst die oben erwähnte veränderliche Linie u. erstillt die obige Bedingung vollständig, wenn der Abstand keines Punktes der Figur vom festen Punkte größer ist, als der halbe Umfang des Parallelogramms. Ersetzt man die genannten fünf Geraden durch hölzerne od. metallene Stäbe, welche sich in ihren sechs Schnittpunkten um Charniere mit Leichtigkeit bewegen lassen; befestigt man ferner das ganze Parallelogramm an dem einen Endpunkte der oben genannten (blos gedachten) Diagonale drehbar auf einem Tische od. Reißbrete, bringt man endlich in[876] dem andern Endpunkte der Diagonale eine Spitze u. in dem Theilpunkte der Parallelen einen Zeichenstift an, so hat man einen S., mit welchem man eine Figur in kleinerem Maßstabe nachzeichnen kann; vertauscht man die Spitze u. den Stift, so zeichnet der S. die Figur in größerem Maßstabe, allein mit geringerer Genauigkeit. Um ein u. dasselbe Instrument für verschiedene Verkleinerungs- od. Vergrößerungsgrade benutzen zu können, theilt man die Parallele, so wie die beiden Seiten des Parallelogramms, von denen sie begrenzt wird, in gleichviel unter sich gleiche Theile u. durchbohrt die Theilungspunkte. Dann kann man der parallelen Schiene verschiedene Lagen geben, muß aber natürlich auch in dieser Schiene den Stift im ebensovielten Theilungspunkte anbringen. Der Erfinder des S-s ist Christoph Schreiner, welcher ihn in Pantographice, Rom 1631, beschreibt. 1846 wurde die Einrichtung eines Parallelogramm-Pantographen von Pawlowicz veröffentlicht. Alle Lineale liegen in einer Ebene u. die Abgliederungen sind durch Gabeln, durch welche Stellschrauben mit Spitzen gehen, hergestellt. Das Instrument liegt mittels Rollen auf dem Tisch auf, so daß es augenblicklich der Hand folgt. Der Zeichenstift, welcher gewöhnlich durch ein veränderliches Gewicht beschwert wird, wird hier durch eine nach Belieben zu spannende Feder angedrückt. Eine andere Art von S. bildet das Pantographenlineal von Portant, bes. für, nach bestimmtem Verhältniß veränderte Copieen von topographischen Plänen. Es ist nämlich ein Lineal mit zwei hintereinander liegenden, im Verhältniß der Verjüngung der Copie verschiedenen Eintheilungen versehen, von denen die eine auf das Original, die andere auf die Copie zu liegen kommt. Dreht man nun das Lineal um dessen entweder am Ende, od. zwischen den beiden Skalen gelegenen u. im Tisch befestigten Zapfen, so kann man durch Anlegen des Lineals an alle Eckpunkte des Originals unter Benutzung der beiden Maßstäbe leicht die Eckpunkte der verjüngten Copie durch Nadelstiche etc. markiren, welche. man nur zur Figur zu vereinigen braucht. Durch umgekehrte Benutzung lassen sich vergrößerte Copieen erhalten. 2) (Schere), eine Verbindung von zweiarmigen Hebeln in der Weise, daß sie paarweise nach Art einer Schere unter einander verbunden, je zwei Paare aber durch ein Gelenk an ihren Enden zu einem Parallelogramm vereinigt sind. Faßt man den S. an dem einen Paar der freien Enden u. bewegt diese gegen od. von einander, so entfernt od. nähert sich das andere Paar freier Enden dem ersteren sehr rasch u. merklich. Man suchte diese Bewegung früher, namentlich bei Pumpen, nutzbar zu machen u. findet den S. schon in dem 1784 in Leipzig erschienenen Theatrum machinarum generale von I. Leupold erwähnt. Später wurde der S. als Rettungsmittel bei Feuersgefahr in Vorschlag gebracht. Häufig findet er sich noch als Kinderspielzeug, wo dann die Hebel mit Soldaten, Reitern etc. besetzt sind. 3) Schmiedezange mit gebogenen Kneipen; 4) so v.w. Krahn; 5) (Watt'sches Parallelogramm), ein aus Hebeln bestehender Maschinentheil in Form eines Parallelogramms, welcher bes. bei Dampfmaschinen als Geradführung angewendet wird; vgl. Dampfmaschine III. S. 678; 6) die Pflanzengattung Geranium.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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