Weiße Frau

Weiße Frau

Weiße Frau, 1) ein gespenstisches Wesen, welches nach einer alten Sage in mehren Schlössern Deutschlands, in Berlin, Neuhaus in Böhmen, Ansbach, Baireuth, Kleve, Darmstadt etc., sich bei freudigen u. bei traurigen Begebenheiten bei Nacht, oft aber auch bei hellem Mittag sehen läßt u. namentlich durch sein Erscheinen den Tod von Mitgliedern des Regentenhauses anzeigt. Sie soll immer weiß gekleidet, mit verbundenem Untergesicht, wehendem Schleier u. ein Schlüsselbund an der Seite tragend erscheinen, auch wenn sie den Tod einer fürstlichen Person anzeigt, schwarze Handschuhe tragen; übrigens wenn sie ein freudiges Ereigniß verkündigt, lächeln, sonst aber ein trauriges u. ernstes Gesicht haben. Als geschichtliche Person, welche in der W. F. erscheint, gibt die Sage an bald Prechta (Bertha) von Rosenberg-Neuburg, welche im 15. Jahrh. lebte, bald die angebliche. Kindesmörderin Gräfin Agnes (s.d. 11) von Orlamünda, bald die Prinzeß Kunigunde (s.u. Rosenberg) von Bulgarien, früher Gemahlin des Königs Ottokar II. von Böhmen u. später eines Rosenberg. Nach And. soll sie eine Kurfürstin von Brandenburg sein, welche, als ihr Gemahl ohne Absolution die Welt verließ, Scrupel wegen dessen Seelenheil hatte u. daher Gott bat, er möge gestatten, daß sie ihren Enkeln durch ihre Erscheinung den Tod verkünde; sie erscheine deshalb als guter Geist mit ernstem Anblick u. bei Tage. Die Nachrichten von der Erscheinung der Kunigunde als W. F. reichen bis 1486 hinauf; sie soll nämlich zuerst nach dem Tode des Kurfürsten Albrecht (s.d. 35) Achilles in dem Schlosse zu Baireuth erschienen u. diese beunruhigende Erscheinung von den Hofcavalieren veranlaßt worden sein, welche die zeitweilige Verlegung der Residenz von Baireuth wünschten. Später erschienen auf der Plassenburg zwei solche Gespenster, eine Weiße u. eine Schwarze Frau. Obgleich der Trug zuweilen entdeckt wurde (wie Kurfürst Albrecht der Krieger 1540 in Baireuth dieses Gespenst ergriff u. durch das Fenster in den Schloßhof stürzte, wo man Tags darauf den Kanzler Christ. Staß zerschellt fand), so hörten die Erscheinungen u. der Glaube an dieselben doch nicht auf. Zu Ende des 16. Jahrh. gedenken gleichzeitige Schriftsteller ihrer Erscheinung zu Neuhaus, u. selbst der Kanzler Wilhelm Slawata, damaliger Herr des Schlosses, erwähnt ihrer in seinen Libri apologetici. In Baireuth erschien die W. F. wieder zur Zeit der französischen Einquartierung, u. selbst dem Kaiser Napoleon soll sie im Mai 1812, als er auf dem Zuge nach Rußland im Schloß zu Baireuth übernachtete, dort erschienen sein, wenigstens vermied er auf der Rückkehr 1813 in dem Schloß zu wohnen. Seit 1822 ist die W. F. nicht mehr in Baireuth erschienen. In Berlin erschien sie zuerst am 1. Januar 1598, 8 Tage vor dem Tode des Kurfürsten Johann Georg, u. neuerdings ist selten ein Todesfall des Preußischen Hauses vorübergegangen, ohne daß man nicht die W. F. zuvor gesehen haben wollte. So wurde im Februar 1840 versichert, daß die W. F. wieder im Berliner Schloß u. zwar wehklagend sich gezeigt habe; Pfingsten darauf starb dann Friedrich Wilhelm III. Zuletzt wollte man sie hier im Mai 1850 auf dem Schloßhof gesehen haben u. brachte ihr Erscheinen mit dem Sefelogeschen Attentat auf den König in Verbindung; jedoch hatte sich der Wachposten, welcher das Gespenst gesehen haben wollte, durch den unverfänglichen Nachtgang einer alten Köchin täuschen lassen. Vgl. Jul. von Minutoli, Die W. F., Berl. 1850. 2) (Alchem.), s.u. Amplexatio.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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