Wolzogen

Wolzogen

Wolzogen, eine ursprünglich aus Tyrol stammende Familie, welche sich in der Mitte des 15. Jahrh. in Niederösterreich ansiedelte, 1591 in den dortigen Ritterstand aufgenommen, 1607 in den österreichischen Freiherren- u. 1702 in den Reichsfrei- u. Pannerherrenstand als Wolzogen u. Neuhaus erhoben wurde, in den beiden Linien von Neuhaus u. Missingdorf blühete, 1628 ihres Glaubens wegen aus Österreich auswanderte, jetzt auf Java (seit 18. Jahrh.), in Schlesien, Pommern u. Thüringen begütert ist u. sich in drei Linien theilt. Von älteren Gliedern dieser Familie sind berühmt: 1) Paul, war 1530 österreichischer Nuntius in Constantinopel, wurde 1534 Postmeister in Wien, legte 1560 den Schottenhof bei Ottokring an, wurde 1565 Obersthofpostmeister u. trat unter Kaiser Maximilian II. zum Protestantismus über. Der Neuhäuser Linie gehören an: 2) Freiherr Hans Christoph, Sohn des Vor., war sieben Jahre lang bei der österreichischen Nuntiatur in Constantinopel, wurde 1591 in den niederösterreichischen Ritterstand der älteren Geschlechter aufgenommen u. 1607 in den Freiherrenstand erhoben; er besaß u.a. die Herrschaften Neuhaus u. Arnstein. 3) Freiherr Hans Paul, Sohn des Vor., wurde 1628 als Protestant aus seinen Herrschaften Neuhaus u. Arnstein vertrieben u. wendete sich nach Franken, wo er fürstlich Baireuthischer Rath u. Landeshauptmann in Hof wurde u. 1658 starb. 4) Freiherr Johann Ludwig W. von Tarentfeld, Bruder des Vor., geb. 1599, wanderte aus Österreich nach Polen aus, trat dort von der reformirten Confession zu den Unitariern über, war eine Zeitlang in Basel u. st. 1661 zu Schlichtenhain in Polen; er schr. außer biblischen Commentaren u.a. Erklärung der beiden unterschiedenen Meinungen von der Natur des einigen allerhöchsten Gottes, 1646; Compendium religionis christianae, 1656. 5) Ludwig, geb. 1632, gehörte zu den Arminianern, war Professor der Kirchengeschichte in Utrecht u. st. 1690 in Amsterdam; er verfaßte mehre theologische Schriften; vgl. Lettres sur la vie et sur la mort de M. Louis de W., Amst. 1692. 6) Hans Christoph, geb. 1666, war kaiserlicher Reichshofrath u. Premierminister des Herzogs Christian von Sachsen-Weißenfels u. Landeshauptmann in Meiningen; er erwarb mehre Güter in Franken, wurde 1702 zum Reichsfrei- u. Edeln Pannerherrn erhoben u. 1722 mit dem Erbschenkenamte der Grafschaft Henneberg beliehen u. st. 1734. Von den beiden Linien, welche seine Söhne gründeten, erlosch die ältere Mühlfelder zu Anfang des 19. Jahrh.; die jüngere Bauerbacher blüht noch in drei Branchen: A) Erste Linie, auf Java, zu Samarang u. Surakerta angesessen u. von dem 1789 verstorbenen Freiherrn Karl gegründet; Chef: 7) Freiherr Karl, Enkel des Stifters u. Sohn des 1808 verstorbenen Freiherrn Karl, geb. 1800, ist Gouvernementsbauinspector u. Ingenieurlieutenant a. D.; sein älterer Sohn Ludwig ist 1842 geboren. B) Zweite Linie, begütert in Schlesien u. Pommern, Chef: 8) Freiherr August, Sohn des 1859 verstorbenen Freiherrn Wilhelm, geb. 1844 in Halle. C) Dritte Linie, besitzt seit 1821 das Rittergut Kalbsrieth im weimarischen Amte Allstedt. 9) Freiherr Wilhelm, geb. 1762, war weimarischer wirklicher Geheimer Rath u. Obersthofmeister u. st. 1809. 10) Karoline, geb. von Lengefeld, geb. 3. Febr. 1763 in Rudolstadt, die Schwägerin Schillers, vermählte sich, nachdem ihre 1779 mit dem schwarzburg-rudolstädter Kammerjunker u. nachherigen Geheimen Rath u. Vicekanzler Wilhelm von Beulwitz vollzogene Ehe 1793 getrennt worden war, 1796 wieder mit dem Vorigen; sie wurde 1809 Wittwe, lebte zuletzt in Jena u. st. hier 11. Jan. 1847. Sie schr. den Roman: Agnes von Lilien, Berl. 1798, 2 Thle.; Erzählungen, Stuttg. 1826 f., ebd. 1830, 2 Bde.; Das Leben Schillers, Stuttg. 1830, 2 Thle., 2. A. 1845; Cordelia (Roman), 1840; Literarischer Nachlaß, Lpz. 1848 f., 2 Bde. 11)) Freiherr Ludwig, Bruder von W. 9) u. Schwager der Vor., geb. 4. Febr. 1773 in Meiningen, wurde in der Karlsschule zu Stuttgart erzogen u. trat 1792 in die württembergische, 1794 in die preußische Armee u. stand seit 1795 in Breslau. 1802 zum Erzieher des Prinzen Eugen von Württemberg berufen, blieb er dies bis 1805, worauf er in württembergische[352] Kriegsdienste zurücktrat, u. zum Hauptmann u. Flügeladjutanten des Kurfürsten von Württemberg u. alsbald zum Major ernannt, versah er bei den württembergischen Truppen die Stelle eines Quartiermeisterlieutenants. Wegen seiner Verbindungen in Preußen, trotz denen der Kurfürst ihn zum Oberstlieutenant u. Commandeur der Garde machte, verfolgten ihn bald widrige Umtriebe, so daß er 1807 den Abschied nahm u. in russische Dienste als Major im Generalstabe trat; er wurde 1810 Flügeladjutant des Kaisers u. 1811 mit der Recognoscirung des westlichen Kriegstheaters beauftragt. Im Gefolge des Kaisers, dann im Generalstabe Barclay's de Tolly nahm er am Feldzuge von 1812 Theil. 1813 war er wieder im Gefolge des Kaisers. Bei Leipzig zum Generalmajor ernannt, wurde er dem Herzog Karl August von Weimar als Generalstabschef beigegeben u. trug wesentlich zu dem Erfolge bei, welchen dessen Corps im Feldzuge von 1814 in Holland u. Belgien hatte. Nach Beendigung des Feldzuges ging er mit dem Herzog zum Wiener Congreß. 1815 trat er als Generalmajor in preußische Dienste zurück, war Lehrer des nachmaligen Königs Friedrich Wilhelm IV. in den Kriegswissenschaften, 1818 Bevollmächtigter für die Militärangelegenheiten des Bundes, wurde 1820 Generallieutenant, 1836 als General der Infanterie in den Ruhestand versetzt u. starb am 4. Juli 1845 in Berlin. Memoiren, Lpz. 1851. Jetziger Chef: 12) Freiherr Alfred, ältester Sohn des Vor., geb. 1823, preußischer Premierlieutenant a. D. u. Regierungsassessor in Breslau; sein ältester Sohn Hans Paul ist 1848 geboren.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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