Reichshofrath

Reichshofrath

Reichshofrath, der Geheime Rath des Deutschen Kaisers in Rechts-, Gnaden- u. politischen Gegenständen, welche Deutschland u. das solchem zum Theil noch angehörige Italien betrafen. Der R. trug hiernach einen zweifachen Charakter; er war kaiserliches Regierungscollegium od. Staatsrath u. höchstes Reichsgericht. In letzter Eigenschaft hatte der R. mit dem Reichskammergericht vollkommen concurrirende Gerichtsbarkeit, so daß theils durch die Wahl des Klägers, theils durch Prävention bestimmt wurde, an welchem dieser beiden höchsten Gerichte eine Sache zu verhandeln war. Doch hatte der R. daneben noch viele Sachen zu erledigen, in denen das Reichskammergericht nicht competent war. Diese ausschließliche Competenz des R-s erstreckte sich namentlich auf alle Rechtssachen der zu ihm gehörigen Mitglieder, auf die zum Deutschen Reiche gehörigen italienischen Länder, auf die Streitigkeiten über Gültigkeit, Auslegung u. Verlust kaiserlicher Privilegien, Erwerb des Adels u. Rangstreitigkeiten der Reichsstände unter sich. In Betreff der willkürlichen Gerichtsbarkeit gehörte zu seiner Competenz Alles, was den Charakter einer Gnade an sich trug, daher namentlich die Ausübung der sogenannten kaiserlichen Reservatrechte (s.d.) u. die Verleihung der Reichslehen als oberster Reichslehnhof. Im Ganzen pflegte man in letzter Zeit lieber sich an den R. zu wenden, als an das Reichskammergericht, da der erstere die Sachen prompter erledigte u. die Vollziehung der Beschlüsse eine exactere war. Die innere Einrichtung des R-s erklärt sich zum Theil aus seiner Entstehung. Sie hing mit der uralten Gerichtsverfassung des Deutschen Reiches zusammen, wonach jeder Deutsche Kaiser das für seine Erblande bestehende Hofgericht als Reichsgericht benutzen, auch ein Hofgericht zur Ausübung der kaiserlichen Gerichtsbarkeit bes. anordnen u. zusammensetzen konnte. Diese Einrichtung behielt Maximilian I. bei Errichtung des Reichskammergerichts bei u. ließ daher durch das von ihm im Jahre 1501 zunächst für seine Erblande errichtete Hofrathscollegium auch Reichssachen behandeln. Im Jahre 1518 wurde das Collegium als R. ausdrücklich auch als Behörde für Reichssachen constituirt u. erhielt darauf eine entsprechende Einrichtung, nach welcher von den 18 Mitgliedern 5 aus dem Reiche, die übrigen aus den Erblanden genommen werden sollten. Karl V. bestätigte dies Collegium 1520 mit einigen Änderungen; Ferdinand I. schied 1559 den R. für Reichssachen von dem Hofrath für Österreich u. gab auch die erste Reichshofrathsordnung. Maximilian II. ließ einige protestantische Räthe zum R. zu, Ferdinand II. u. Ferdinand III. schlossen sie aber wieder aus. Im Westfälischen Frieden wurde die Zahl der protestantischen Mitglieder auf 6 festgesetzt u. 1694 dem Kurfürsten von Brandenburg darunter ein reformirter zugestanden. 1654 gab Ferdinand III. die letzte Reichshofrathsordnung, welche von Karl VI. 1714 noch vervollständigt wurde. Auch Joseph II. machte mehre wesentliche Zusätze. Nach diesen gesetzlichen Bestimmungen hatte der R. Sitz in der jedesmaligen Residenz des Kaisers, also die letzte Zeit in Wien. Dem R. präsidirte ein Reichshofrathspräsident, welchen ein Reichshofrathsvicekanzler u. zuweilen ein Reichshofrathsvicepräsident ersetzte. Die Beisitzer waren 18 Reichshofräthe, die, wenn sie Reichsgrafen od. Reichsfreiherren waren, auf der Grafen- u. Herrenbank, sonst aber auf der Ritter- u. Gelehrtenbank saßen. Mehre von Kurmainz angestellte Secretarien u. Kanzleibeamte, ein Reichsfiscal, 2 Reichshofrathsreferendare, einer für deutsche, der andere für lateinische Ausfertigungen, 30 Reichshofrathsagenten u. Procuratoren (Geschäftsführer, Advocaten) waren noch bei diesem Gericht angestellt. Von den Reichshofräthen waren 12 katholisch, 6 (darunter ein reformirter) protestantisch. Appellation fand von dem R. nicht Statt, wohl aber Recurs an den Reichstag, in Fällen, welche alle Reichsstände interessirten. Die Deutschen erhielten in ihrer, die Italiener in Lateinischer Sprache Bescheid. In wichtigen Sachen wurde das Gutachten über die Sache an den Kaiser gestellt, dieser ließ sich hierüber in Gegenwart mehrer Glieder des R-s referiren u. entschied. Die Reichshofrathsschlüsse (Conclusa) wurden vom Reichshofrathsvicekanzler u. einem Secretär, die Mandate aber vom Kaiser unterzeichnet. Nach jedes Kaisers Tode erlosch der R., wenn kein Römischer König da war, u. die Acten blieben bis zur neuen Kaiserwahl versiegelt. Mit der Auflösung des Deutschen Reiches endete auch der R. Vgl. Herchenhahn, Geschichte u. Entstehung, Bildung u. gegenwärtige Verfassung des R-s, Manh. 1791–93; v. Riefl, Der R. in Justiz-, Gnaden- u.a. Sachen, Augsb. 1791–93, 4 Thle.; B. F. Mohl, Historisch-politische Vergleichung der beiden höchsten Reichsgerichte, Ulm 1789.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Reichshofrath — Reichshofrath, neben dem Reichskammergerichte das höchste Reichsgericht, von Max I. organisirt, mit demselben Bereiche wie jenes (doch durfte eine Sache nicht bei beiden anhängig gemacht werden), vorzugsweise jedoch mit der… …   Herders Conversations-Lexikon

  • Reichshofrath, der — Der Reichshofrath, des es, plur. die räthe, in dem Deutschen Staatsrechte. 1) Ein hohes Reichsgericht, welches sich an dem kaiserlichen Hoflager befindet, und den Reichsständen so wohl Recht spricht, als auch die Reichslehen ertheilet; ohne… …   Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart

  • Stein [5] — Stein (S. aus dem Hause Lausnitz), ein altadeliges Geschlecht in Thüringen u. Hessen, welches seine Ahnenreihe beginnt mit 1) Siegfried von S., derselbe wurde 1301 mit der Burg Rode belehnt u. war mit Christine geb. von Schwarenburg vermählt;… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Hofcommissionen — Hofcommissionen, 1) in der deutschen Reichsverfassung Commissionen, welche der Reichshofrath ernannt hatte, u. welche auch in dem Sitz desselben gehalten wurden; 2) Untersuchungscommissionen, durch welche der Kaiser od. der Reichshofrath irgend… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Khevenhüller — Khevenhüller, ein der Katholischen Confession folgendes, altes Geschlecht, welches ursprünglich aus Franken stammt, wo es im 9. u. 10.[460] Jahrh. das Stammschloß Khevenhull zwischen Berring u. Dietfurth besaß. Der älteste Ahn des Geschlechts: 1) …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Lamberg — Lamberg, ein der Katholischen Confession folgendes, in Baiern, Österreich, Ungarn u. Mähren angesessenes altes deutsches Geschlecht, welches in einem fürstlichen u. gräflichen Hause blüht u. ehemals Rittersberg hieß, nach einem Vorfahren des… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Dietrich Heinrich Ludwig von Ompteda — Ludwig von Ompteda Der 2.Teil seines Völkerrechts 1781 Dietrich Heinrich Ludwig von Ompteda (* 5. März 1746 in Wulmstorf; † 18. Mai 1803 in Regensburg) war ein deutscher Staatsrechtler und kurbraunschweigischer Minister. Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

  • Erkersreuth — Stadt Selb Koordinaten …   Deutsch Wikipedia

  • Meurer — Meurer, ein ursprünglich aus Österreich stammendes Geschlecht, welches 1430 seine Heimath verließ u. nach Deutschland kam; es erlangte namentlich in Hamburg hohes Ansehen u. Heinrich (st. 1690) war kaiserlicher Reichshofrath u. erster… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Moritz [1] — Moritz (germanisirt statt Mauritius, s.d.). I. Regierende Fürsten: A) Landgraf von Hessen Kassel: 1) M. der Gelehrte, Sohn des Landgrafen Wilhelm IV. u. der Sabine von Württemberg, geb. 25. Mai 1572, erhielt eine gelehrte Bildung, so daß er der… …   Pierer's Universal-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”