Ostermann

Ostermann

Ostermann, 1) Heinrich Johann Friedrich, nachher Andrei, Graf, geb. 1686 zu Bockum in Westfalen, Sohn eines lutherischen Geistlichen daselbst; studirte in Jena, floh in Folge eines Duells von dort u. trat 1704 in die Dienste des russischen Viceadmirals Cruys, welcher ihn Peter dem Großen empfahl, unter welchem er bald Staatsminister u. eine Reihe Jahre die Seele des politischen Lebens Rußlands wurde. Die Rettung des Kaisers am Pruth 1711 war, nächst Katharinen, O-s Werk; eben so geschickt bewies er sich bei den Unterhandlungen des Nystädter Friedens 1721, welcher den Nordischen Krieg endigte. Er wurde Geheimer Rath u. Freiherr, unter Katharina I. Reichsvicekanzler, wirklicher Geheimer Rath u. Oberhofmeister Peters II. u. Mitglied der Regentschaft während dessen Minderjährigkeit. 1730 wurde er Graf, unter der Kaiserin Anna Cabinetsminister u. 1740 Großadmiral. Die Thronbesteigung Elisabeths stürzte O. 1742, u. er hatte bereits das Blutgerüst bestiegen, wurde aber zur Verbannung nach Sibirien begnadigt. Seine Gemahlin folgte ihm dahin, wo er 1747 in Beresow starb. Lebensbeschreibung von Hempel (Bremen 1742) u. Dolgoruki. 2) Graf Fedor, Sohn des Vor., war 1786 General en Chef der russischen Armee. 3) Graf Iwan, Bruder des Vor., war unter Katharina Großkanzler. 4) Gräfin Anna, Schwester des Vor., heirathete den Artilleriegeneral Alexander Tolstoi, Director des Cadettencorps in Petersburg, u. so entstand die Familie O.-Tolstoi. 5) Alexander Iwanowitsch, Graf O.- Tolstoi, Sohn der Vor., geb. 1772 (nach And. 1770 od. 1775) in Petersburg, nahm 1787 als Lieutenant am Feldzuge in der Moldau Theil u. kehrte nach dem Sturm auf Ismael 1791 nach Petersburg zurück, wo er von seinen beiden Oheimen O. 2) u. 3) adoptirt u. zum Erben eingesetzt wurde u. von der Kaiserin Katharina II. die Genehmigung erhielt den Namen O.-Tolstoi zu führen. 1796 war er Generalmajor u. stand 1805 als Generallieutenant an der Spitze des russischen Corps, welches die Diversion nach Hannover machte. Er landete an den hannöverschen Küsten u. schloß Hamein ein, mußte aber nach der Schlacht bei Austerlitz das Land wieder räumen. Nach seiner Rückkehr wurde er Gouverneur von St. Petersburg, führte dann 1806 eine Division bei Bennigsens Heere u. wurde den 20. Dec. bei Czarnowo geschlagen; 1812 erhielt er das 4. Armeecorps, bestand am 25. Juli das Gefecht bei Ostrowno u. wohnte dem ganzen Feldzug von 1612 bei; am 29. Aug. verlor er bei Kulm, wo er das russische Gardecorps befehligte u. mit 8000 Mann Vandammes Corps von 30,000 Mann aufhielt, den linken Arm. Als die große Armee der Verbündeten gegen Leipzig vorrückte, blieb O-s Corps vor Dresden stehen u. hatte am 17. Octbr. ein unglückliches Gefecht mit der Besatzung; später vereinigte sich O. mit Klenau u. bewirkte; mit ihm die Übergabe von Dresden. 1814 war er eine kurze Zeit russischer Gesandter in Paris. Er wurde 1817 General der Infanterie, trat aber, vor Anderen übersehen, darauf aus dem russischen Dienst, lebte einige Jahre in Frankreich u. Italien, unternahm 1831 mit Fallmerayer (s.d.) eine Reise nach dem Orient u. lebte seit 1837 im Canton Genf, wo er am 11. Febr. 1857 auf seiner Villa in Petit-Saconnex starb.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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