- Leberkrankheiten
Leberkrankheiten, krankhafte Affectionen der Leber sehr verschiedener Art, welche sich durch Schmerz u. andere Empfindungen in der Lebergegend, durch Functionsstörungen der Gallenabscheidung (Gelbsucht) u. durch Veränderungen in Bezug auf Lage, Bau, Umfang u. andere physikalische Beschaffenheiten des Organs kundgeben. Die L. stören den Blutlauf im Unterleibe, daher Hämorrhoiden, Milzanschwellungen, Bauchwassermcht im Gefolge, den Magen- u. Darmkanal, daher Brechen, Durchfall u. Stuhlverstopfung, die Athmungswerkzeuge, die Gemüthsstimmung, ja das Bewußtsein (Schlafsucht, Betäubnug, Irrereden) u. den Herzschlag, die Mischung des Harns, des Schweißes u. des Blutes. Ursachen sind vorzüglich alle Blutdyskrasien, bes. die tuberkulöse u. krebsige, ferner Tropen- u. Sommerhitze, Mißbrauch der geistigen Getränke, üppige Lebensweise überhaupt, bes. bei mangelhafter Bewegung, niederschlagende Gemüthsaffecte. Der Verlauf der L. ist in der Regel[196] chronisch u. sie bringen zumeist langjährige periodisch sich verschlimmernde Unterleibsbeschwerden mit sich. Die Behandlung der L. ist vorzugsweise auflösend u. die Hauptmittel sind verdünnte. Pflanzensäuren, Aloë, Kalomel, Jodkali, Leberthran, Molken u. Buttermilch, Schöllkraut, Schierling, Belladonna, Salpeter- u. Salpetersalzsäure (bes. in Fußbädern), Chlor; dann abführende Mittel, bes. auch auflösend-abführende Mineralwässer, wie Karlsbad, Marienbad, Obersalzbrunnen etc. Äußerlich werden Einreibungen od. Umschläge u. Bäder angewendet. Die Diät ist sehr wichtig dabei. Die L. sind je nach dem erkrankten Theile des Organes verschieden. Die wichtigste von allen ist die Leberentzündung (Hepatitis), welche den Bauchfellüberzug (H. externa, Peritonitis hepatica), die Gallengänge (Catarrhus hepatis) u. die Pfortaderverzweigungen (Pylephlebitis, Inflammatio portae) betreffen kann. Entzündung der eigentlichen Lebersubstanz ist sehr selten u. dann nur auf umschriebenen Raume (lobiläre, acute Hepatitis), leicht in Eiterung (Leberabsceß) übergehend, während dagegen der Ausgang in Brand (Leberbrand) äußerst selten u. wohl nur Folge besonderer Blutmischungen od. ganz anderer eigenthümlichen Umstände ist. Im Lebergewebe kommt auch noch eine chronische interstitielle Entzündung vor, die vorzugsweise das Bindegewebe der Glisson'schen u. Putrequin' schen Kapsel betrifft u. mit ihrem schrumpfenden Ausschwitzungsproducte Anlaß wird zur Grannlirten Leber (Lebercirrhose, Schuhzweckenleber), wie sie bei Säufern zuweilen vorkommt, wobei die Leber von einer Art narbigen Netzes durchzogen in lauter erbsen- od. stecknadelkopfgroße Körnchen abgetheilt erscheint u. ihr Volumen sich verringert (Leberschwund). Ebenfalls eine Verkleinerung erleidet die Leber bei der acuten gelben Leberatrophie, bestehend in galliger Zerweichung des Leberparenchyms, wahrscheinlich mit Cholämie (Vergiftung des Blutes mit Gallenstoffen), führt unter typhoiden Erscheinungen wohl stets zum Tode. Man unterscheidet noch eine rothe Leberatrophie, die aber nur in Abmagerung (Marasmus) des Organes besteht. Vergrößerungen erleidet die Leber bei Leberfettsucht (Fettleber, bei festerem Fette auch Wachs- u. Talgleber genannt), begleitet die allgemeine Fettsucht, Säuferdyskrasie, tuberkulose u. andere Krankheiten, u. bei der Speckleber, einer gleichmäßigen od. knotenartigen Infiltration fester eiweißartiger Masse in das Lebergewebe, organische Herz- u. Lungenleiden od. Rhachitis, Syphilis, Bright' sche Krankheit etc. begleitend. Vergrößert wird ferner die Leber noch durch Leberkrebs, welcher in der Regel ein Markschwamm ist u. in Knoten (Leberknoten) auftritt, ferner durch Lebercysten (Acephalocysten- od. Echinococcusbalg der Leber), zumeist im rechten Lebertappen sitzend. Lebertuberkeln kommen nur vor bei gleichzeitiger Tuberkulose anderer Organe. Leberanschoppung, Anhäufung von Blut in der Leber, wird bedingt durch mechanische Stockung des Blutes bei Lungen- u. Herzkrankheiten od. durch Verlangsamung des Pfortaderblutlaufes überhaupt. Die chronische L., welche nach u. nach in Speckleber ausartet, heißt auch Leberphysconic, Leberinsarct. Vgl. Schäffer, Die Leberprobe, Tüb. 1830; Bernhardt, Monographie der L., Berl. 1838; Thomson, A pract. treat. on the diseases of the liver; Edinb. 1841; Budd, On diseases of the liver, Lond. 1848 (deutsch, Berl. 1846).
Pierer's Lexicon. 1857–1865.