- Persische Sprache
Persische Sprache. Die Sprachen, welche in alter neuer Zeit in Persien gesprochen wurden, gehören zu denen des Indogermanischen Sprachstammes u. bilden eine eigene Gruppe derselben, die man mit dem Namen der Iranischen Sprachen (s.d.) od. auch Westarischen Sprachen zusammenzufassen pflegt. Von den verschiedenen Dialekten od. Sprachen, die im Alterthume in den einzelnen Landschaften sowie von den einzelnen Völkerschaften innerhalb Persiens (eigentliche Perser in Persis, Susiana, Media, Karmania, Margiana, Drangiana, Aria, Baktria etc.) gesprochen wurden, sind jedoch nur von zweien schriftliche Denkmäler auf die Nachwelt gekommen, nämlich von dem Altbaktrischen od. dem Zend (s.d.), in welchem die noch erhaltenen Religionsbücher der Zoroastrischen Lehre od. der Zendavesta abgefaßt sind, u. A) von dem eigentlichen Altpersischen (von den Franzosen häufig Perse genannt, im Unterschied von dem Persan od. Neupersischen), in welchem außer einer ziemlichen Anzahl von einzelnen Wörtern, bes. Eigennamen (gesammelt von Burton, Historia veteris linguae persicae, Lond. 1657; Bötticher, Arica, Halle 1851) in den Schriften klassischer Autoren, theilweise auch in dem Alten Testamente, sich auch eine Anzahl von Inschriften zu Persepolis u. Hamadan, die umfangreichste aber zu Behistun (Bisutun) erhalten haben. Während das Zend mit einem Alphabete semitischen Ursprungs geschrieben wird, sind die altpersischen Inschriften in der sogenannten Achämenidischen Keilschrift (s.d.), der einfachsten Art der Keilschriftgattung, abgefaßt. Diese altpersische Sprache ist zwar dem Zend nahe verwandt, aber dennoch als eine besondere Sprache zu betrachten. Die Geschichte der Entzifferung der Achämenidischen Keilschrift ist im Allgemeinen die des allmäligen Verständnisses der Sprache, welches nur durch Combination u. stete Vergleichung mit dem Sanskrit u. Zend einer- u. dem Neupersischen andererseits ermöglicht worden ist. Wenn auch der Franzos Burnouf u. der Engländer Rawlinson um[872] die Erkenntniß des Altpersischen sich große Verdienste erworben haben, so bleibt doch den Deutschen, namentlich Lassen, Benfey, Holtzmann, Oppert, nebst dem Dänen Westergaard, der Ruhm, eine längst erstorbene Sprache wieder belebt zu haben; vgl. außer den im Artikel Keilschrift angeführten Schriften: Oppert, Das altpersische Lautsystem, Hamb. 1847. Nach dem Sturze der Achämeniden hörte das Altpersische auf, die Sprache des Hofs sowie der Gebildeten des Reichs zu sein, u. sank wieder zu einem Provinzialdialekt herab. Im Verlaufe der folgenden Jahrhunderte muß die P. S. in allen ihren Gliedern einen ähnlichen Zersetzungsproceß durchgemacht haben, als das Lateinische in den ersten Jahrhunderten des Mittelalters. Derselbe erfolgte zum Theil wohl unter dem Einfluß der Semitischen Sprachen des benachbarten Westens, u. war unter den Sassaniden im Wesentlichen schon vollendet; die in den chaldäischen u. talmudischen Schriften der Juden aus dieser Zeit öfter vorkommenden persischen Wörter tragen schon fast ganz das neupersische Gepräge.
In Persien selbst war um diese Zeit B) das Pehlewi die Sprache der Herrscher u. der Literatur. Mit dem Namen Pehlewi bezeichnen aber die Orientalen drei ganz verschiedene Sprachgestaltungen: a) im engern Sinne heißt Pehlewi der Dialekt der Landschaft Persiens, welche den Namen Fehleh führt, d.i. der Districte von Isfahan, Nahendawend, Rei, Hamadan u. Aserbeidschan; b) im weiteren Sinne bezeichnen damit die Perser selbst die Sprache der ganzen Zeit vor dem Islam. Die Sprache der Provinz Fehleh war wahrscheinlich rein iranisch, ohne semitische Beimischung u. den heutigen Dialekten von Ghilan u. Masenderan verwandt; Pehlewigedichte sind im Târîeh-i-guzîde mitgetheilt; endlich c) heißt Pehlewi die Sprache, in welcher die Paraphrasen u. Übersetzungen der Zendbücher, sowie einige andere auf die Religion der Perser bezügliche Bücher (Bundehesch, Wiraf-nameh, Vadscharkart etc.) verfaßt sind. Dieses Pehlewi, welches nach Spiegels Vorgange jetzt gewöhnlich Huzwaresch genannt wird, besteht aus einer Mischung von semitischen u. persischen Wörtern, mit vorherrschend iranischer Grammatik, u. wird mit einer für das Lesen viele Schwierigkeiten bietenden eigenthümlichen Schrift geschrieben, welche jedoch aus der Zendschrift entstanden zu sein scheint. Die ursprüngliche Heimath dieser Mischsprache ist wahrscheinlich an den Grenzen Persiens gegen das semitische Chaldäa hin zu suchen; daß dieselbe auch die officielle Sprache der Sassaniden war, geht daraus hervor, daß noch Inschriften u. zahlreiche Münzlegenden, wenn auch etwas abweichend von der Sprache der Parsenbücher, in derselben übrig sind. Über diese sogenannten Pehlewimünzen, deren auch noch einige Zeit nach Einführung des Islam, z.B. in Tabaristan, geprägt wurden, siehe bes. die Schrift Mordtmanns, Lpz. 1854. Eine Grammatik der Huzwareschsprache hat Spiegel (Lpz. 1857) geliefert.
Während diese Mischsprache als Hof- u. Schriftsprache herrschte, wurde im eigentlichen Persien C) das Parsi gesprochen, eine Sprache modernen Charakters, welche die vielen Flexionsendungen des Altpersischen verloren hat, aber von den semitischen Beimischungen mit wenigen Ausnahmen frei geblieben ist. Da sich dieses Parsi der älteren vormuhammedanischen Zeit in einer gewissen Reinheit nur noch bei den Parsen (s.d.) findet, so pflegt man den Namen Parsi im Gegensatz zu der gewöhnlichen neueren persischen Schriftsprache auf den alterthümlichen Dialekt der Parsen, wie diese denselben in mehren ihrer religiösen Schriften bewahrt haben, zu beschränken. Eine Grammatik des Parsi in diesem engeren Sinne hat Spiegel (Lpz. 1851) geliefert. Das Pehlewi ist in seinem persischen Bestandtheile eigentlich mit diesem Parsi identisch; nur in der Lautlehre u. zwar in der Consonanz zeigen sich einige Abweichungen, so daß in ihm meist die ursprünglich härteren Laute bewahrt sind. Parsi u. Pehlewi verhalten sich zu einander wie Hindi u. Hindustani. Das sogenannte Pazend ist keine besondere Sprache, sondern Parsi, nur mit Zendbuchstaben geschrieben, wie z.B. im Minokhired. Als die Zendbücher unverständlich wurden, pflegte man Noten u. Erklärungen in Parsisprache, aber mit Zendschrift unter dem Zendtexte beizufügen; diese nannte man Pazend, d. i, was am Fuße des Zend (Zendtextes) steht.
Das Parsi bildet auch die nächste Grundlage der Sprache der heutigen Perser, D) des Persischen im engeren Sinne, od. des Neupersischen (bei den Persern selbst Parsi). Das Neupersische ist jedenfalls zuletztaus dem Parsi hervorgegangen. Der Charakter desselben ist Einfachheit, Abschleifung der Formen, Leichtigkeit u. Gewandtheit im Ausdruck, wodurch sie sich vorzüglich zum mündlichen Verkehr eignet. Durch die Berührung mit den Arabern u. durch die Bekehrung zum Islam sind zahlreiche arabische Wörter eingedrungen, die hauptsächlich in den ernsteren Wissenschaften sich geltend machen. Das Neupersische hat die arabische Schrift angenommen u. ergänzt die hier fehlenden Zeichen durch gewisse Veränderungen an denjenigen Buchstaben, welche den zu bezeichnenden Lauten in der Aussprache am nächsten stehen, nämlich = p, = tsch. = sch, = (hart) g. Die gewöhnliche Schrift heißt Taalik, d.h. hängende, von den schief stehenden Zeilen; die in Briefen übliche sehr flüchtige Schrift heißt Schikasteh, die gebrochene. Die Consonanten sind ziemlich die alten, nur fehlen th u. dh, dafür ist aber das l eingetreten. Ein Lautwechsel findet, mit Ausnahme der Vocale, hier aber ohne feste Regel, nur im Verbum Statt. Eine Genusunterscheidung der Nomina wird nicht beobachtet. Die Declination hat ihre ursprünglichen Formen eingebüßt; Accusativ u. Dativ werden durch Partikeln bezeichnet; der Genitiv an das regierende Wort durch den Vocal i geknüpft. Im Plural werden lebendige u. leblose Gegenstände getrennt. In derselben Weise wird mit dem Adjectivum u. Pronomen verfahren. Die Formen für die Steigerungen des Adjectivs sind ter im Comparativ u. terin im Superlativ. Am eigenthümlichsten u. mehr complicirt ist die Bildung des Verbum; alle einzelnen Tempora u. Modi gehen aus den unter sich verschiedenen Grundformen des Infinitivs u. Aorists hervor, wodurch entweder eine Verkürzung od. euphonische Abänderung der Wurzel hervorgebracht wird. Die Futura u. zum Theil die Präterita entstehen aus Zusammensetzung mit den Hülfszeitwörtern wollen u. sein. So werden vier Präterita u. fünf Futura gebildet. Neben dem Conjunctiv besteht ein Optativ. Zur Darstellung des Passivum bedient man sich eines Hülfszeitwortes; ein nicht regelmäßig erscheinendes[873] Factitivum beruht auf Vocalwechsel od. Dehnung der Endform. Durch Bildungsformen werden in verschiedener Bedeutung Substantiva, Adjectiva u. Verba aus Substantiven, Adjectiven u. Verben erzeugt. Zusammensetzungen, vorzüglich von Substantiven u. Adjectiven od. verkürzten Participien, sind sehr häufig; desgleichen werden Verba ohne Schwierigkeit mit Präpositionen verbunden. Für die Satzbildung besteht die feste Regel, daß das abhängige Nomen dem regierenden immer nachsteht; auch das Adjectiv nimmt regelmäßig, ausgenommen in der Poesie, seine Stelle hinter dem Hauptwort. Der Anfang des Vater-Unsers lautet:
lies: pederi ma ki ber asmani, mukaddes bad nam tu, d. Vater unser der im Himmel- ist, geheiligt sei Name dein.
Am reinsten, d.h. am wenigsten mit arabischen Wörtern versetzt u. dem Parsi am nächsten stehend, findet sich das Persische im Schahnameh des Firdusi. Das Deri, d.i. Hofsprache, welches orientalische Schriftsteller neben dem Parsi nennen, ist nur die verfeinerte Form der Sprache, wie sie an den Höfen u. in den literarisch gebildeten Kreisen zur Anwendung kam. Aus dem Aufblühen der Neupersischen Literatur gerade in den östlichen Theilen Persiens erklärt es sich, daß die Sprache bei Firdusi u. anderen Dichtern seiner Zeit noch ziemlich rein ist; arabische Wörter sind nur in geringer Zahl aufgenommen u. werden in ihrer Behandlung durchgängig der persischen Grammatik unterworfen. Doch diese eigentliche Blüthezeit der Sprache war nicht von langer Dauer; bald begann der Gebrauch arabischer Wörter als Schmuck des persischen Verses zu gelten; so schon bei Anwari (st. 1152) u. Nizami (st. 1180), wie auch bei Sadi (st. 1291) u. den noch späteren Hafiz (st. 1389); noch freier streut der letzte der großen persischen Dichter Dschami (st. 1492) diesen Schmuck arabischer Rede über seinen Styl aus. Spätere persische Dichter u. Prosaiker mischen aber nicht blos arabische Wörter, sondern ganze arabische Sätze ein, die vollständig nach arabischer Grammatik construirt sind. Das jetzige Persische ist Landessprache in Farsistan, Kerman u. dem persischen Irak, Karmania u. Großmedien. Daß sich jetzt einzelne türkische, arabische u. kurdische Wanderstämme eingedrängt haben, thut dieser allgemeinen Bestimmung keinen Abbruch. In Aserbeidschan herrscht jedoch gegenwärtig die türkische Bevölkerung so vor, daß die Landessprache türkisch ist u. das. Persische hier nur für die Geschäfte u. die Vornehmen gilt. Sonst herrscht das Persische als Volkssprache noch an der Westküste des Kaspischen Meeres in Talisch u. Schirwan bis nach Baku hin; ebenso an der Südküste desselben in Ghilan u. Masenderan bis in die Provinz Asterabad, in Khorassan ist das Persische jetzt vor dem Turkomanischen blos auf die Städte beschränkt. In Herat u. Sedschestan sind zwar die Afghanen, in letzterem theilweise auch die Beludschen Herren des Landes, doch die eigentlichen ansässigen Ureinwohner des Landes, die Tadschiks, sind persischen Stammes u. reden persisch; dasselbe gilt von den Tadschiks in den Ländern nördlich des Hindukusch (Balkh, Khiwa, Bokhara, Samarkand, bis selbst über den Belurtag hinaus), welche von den Usbeken u. anderen türkischen Stämmen überfluthet worden u. beherrscht sind. Obgleich auf seinem heimathlichen Gebiete das Persische im Laufe der Jahrhunderte manche Einbuße erfahren hat, so hat es sich theils durch die Gunst politischer Verhältnisse, theils auch durch den Vorzug früherer u. größerer Ausbildung, eine weitere Sphäre erworben als ihm ursprünglich u. örtlich zukommt, u. ist z.B. bei den Afghanen die Sprache der Gebildeten.
Grammatiken: von Jones, Lond. 1771, 9. A. von Lee 1828; von Wilken, 1804; von Lumsden. (Grammar of the Persian language), Calc. 1810, 2 Bde.; von Vullers (Institutiones linguae persicae), Gieß. 1840; von Gabr. Geitlin, Helsingf. 1845; von Mirza Ibrahim (deutsch von Fleischer, Lpz. 1847); von Alex. Chodzko (Grammaire persane) Par. 1852; von Berezin, 1851 f., 3 Bde.; von Woskan Ioannissianz, Mosk. 1856; von Blek, Lond. 1857; Barb, Über dis Präteritalbildung des persischen Verbum, im 13. Bde. der Zeitschrift der Deutsch-Morgenländischen Gesellschaft; Berezin, Recherches sur les dialectes persans (über das Gilek, Tati, Talyschi, Mazanderani, Gebri, das Kurdische in Khorassan u. Mosul), Kas. 1852 f., 2 Bde.; Originalwörterbücher: von Hafiz Adbahl (erst in neuester Zeit entdeckt); das Ferhengi-Schuuri, Const. 1746, 2 Bde.; Borhani Katin, Calc. 1818; Heft Kulzum (welches für das beste gilt), Luckn. 1822; Bahari agam, ebd. 1849, ein Auszug aus dem großen Wörterbuch von Tek Tschand, welches auch Delhi 1851 gedruckt ist; außerdem von Meninski (türkisch-arabisch-persisch) n.A. Wien 1780–1802, 4 Bde.; von Richardson (persisch-arabisch-englisch), Lond. 1777 u.ö., vermehrt von Johnson 1852, von Vullers (Lexicon persico-latinum etymologicum), Bonn 1853 ff.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.