- Russische Sprache
Russische Sprache. Die R. S. gehört dem Slawischen Sprachstamme an, u. zwar dem östlichen Aste desselben (s. Slawische Sprachen). Die Geschichte ihrer allmäligen Ausbildung s.u. Russische Literatur. Das Alphabet besteht aus 36 Zeichen:
Darunter sind 13 Vocale, 2 Halbvocale (eigentlich diakritische Zeichen) u. 21 Consonanten. Alle Buchstaben werden eingetheilt in harte u. weiche. Harte Vocale: a, o, y (u), ы (ü), Ѣ, з (ä u. e); die entsprechenden weichen: я (ja), ë (jo), ю (ju),[559] и, i, ѵ (i), e (je u. e). Der harte Halbvocal ъ, schließt die Wörter, welche auf harte Consonanten endigen, u. ist unaussprechlich; der weiche ь wird an diejenigen Schlußsylben gesetzt, welche mit weichen Consonanten schließen, u. lautet wie ein schwaches, sanft geschleiftes Jod, z.B. СШОЛЪ, stoll, der Tisch; dagegen СШОЛЪ, stolj, so viel. Consonanten: п (p) u. б (b), Φ, Θ (f) u. в, ѵ, letzteres blos in griechischen Wörtern (w), м (m), u. н (n) ρ (schnarrendes r) u. л (l), vor harten Buchstaben klingt vor л ein schwaches r, ш (t) u. д (d), ц (z) u. ч (dsch), ш(sch), щ (schtsch) u. ж (weiches sch), с (hartes s) u. з (wiches s), ъ (h) u. г (g), х (starkes ch, wie in: ach), u. к (k). Das г (g) am Ende wird wie ein starkes ch gesprochen. Der Vocal ы wird mit breitem, offnem Munde u. tief in der Kehle, wie ein dumpfes, kurzes ü gesprochen. Diphthonge werden aus allen Vocalen durch Ansetzung von и gebildet, z.B. аи ai, яи jai, уи ui, юи jui, ыи üi, іи ü etc. Für die Aussprache im Allgemeinen ist zu bemerken, daß die Consonanten stark u. bestimmt lauten, die Vocale scharf u. kurz, a u. o sehr hell, so daß das unbetonte o häufig selbst wie a klingt, z.B. молошокъ, marlatōk. Für die reinste Aussprache gilt die im Moskauschen Gouvernement; die Volkssprache weicht in der Aussprache nur unbedeutend von der der Gebildeten ab. Ein Artikel fehlt der Sprache; die Nomina haben ein dreifaches Geschlecht, einen Singular u. Plural u. in beiden Zahlen sieben Casus: Nominativ, Genitiv, Dativ, Accusativ, Vocativ, Instrumental u. Präpositiv. Die gebräuchlichsten Bildungsformen des Substantivs sind: die Patronymica auf owitsch, ewitsch für das Masculinum u. owna, ewna für das Femininum, z.B. Nikolāi Pawlowitsch, Alexandr Nikolajewitsch; Alexandra Feodorowna; die Vergrößerungsformen ina u. ischtsche, z.B. dom Haus, domīschtsche großes Haus; die Verkleinerungsformen auf ik, ischka, ischko, z.B. dōmik kleines nettes Häuschen, dōmischka elendes Häuschen. Die Vergrößerungs- u. Verkleinerungsformen besitzt auch das Adjectivum, u. außerdem noch eine Possessivform. Comparirt werden die Adjectiva im Comparativ durch Anhängung der Sylbe бе od. e an den Stamm; im Superlativ durch Anhängung der Sylben бйшїй od. аншїй, od. durch Vorsetzung der Sylben пре, все, od. durch Adverbia, welche sehr bedeuten. Dem Verbum sind vier Bildungsformen eigenthümlich, indem es entweder als Indefinitum, od. Perfectum, od. Frequentativum od. als Momentativum (d.h. eine plötzliche, schnell vorübereilende Handlung bezeichnend) auftreten kann. Überdies unterliegt die Bedeutung des Verbums den mannigfaltigsten Modificationen durch Zusammensetzung mit den zahlreichen untrennbaren Präpositionen. Der Anfang des Vaterunsers lautet: ошче аншъ,сущій на небесахъ, да свяшишся имя швое; lies: óttsche nasch súschtschii na nebésach da swätjitsä ímä twóje; d.h. Vater unser seiend in den Himmeln, daß geheiligt werde Name dein. Grammatiken von Lomonossow, Petersb. 1755; Rodde, Riga 1773; Hagen, ebd. 1790; von der Russischen Akademie in Petersburg 1801; Heym, Riga 1804; Vater 1808, 2. A. 1814; Tappe, Petersb. 1810, 7. A. 1827; Puchmayer, Prag 1820; Gretsch, Petersb. 1823; Swätnoi, Riga 1834. Wörterbücher von Woltschkow, Petersb. 1755–78; Hölterhof, Mosk. 1778; das nach dem Wörterbuch der französischen Akademie gearbeitete, Petersb. 1780–86, 4 Bde.; Nordstet, ebd. 1780–84, 2 Bde.; Rodde, Riga 1784; das Wörterbuch der Akademie, ebd. 1789–94, 6 Bde., 2. Aufl. von Schischkow, 1826, darnach das russisch-französisch-deutsche, Mosk. 1799–1802, 3 Bde.; von Heym, Riga 1803–1805, 2 Bde., herausgeg. von Swätnoi, Lpz. 1835, 3 Bde.; von Oldekop, Petersb. 1824, 5 Bde., auch Berl. 1830; deutsch-russisch, Petersb. 1834, 2 Bde.; Pawlowsky, Deutsch-russisches Wörterbuch, Riga 1857; Russisch-etymologisches, von Reiff, Petersb. 1835 f.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.