- Treibjagd
Treibjagd, die Jagd, wo das Wild den Schützen zur Erlegung zugetrieben wird. Dies geschieht durch Treiber (Treibleute, Jagdleute), welche hierzu sonst durch besondere Jagdfrohnen (Jagdbauern, Jagdfröhner) unentgeltlich verpflichtet waren, jetzt aber dafür bezahlt werden. Die Zahl der Treiber hängt von dem Terrain u. der Größe der Jagd ab, kleine Holztreiben macht man wohl mit 6–10 Treibern, während zu großen Feldtreiben 30–70, ja selbst 3–400 nöthig sind. Gut ist es, wenn bei großen Treiben ein Jäger zu Pferd das Ganze, ein Jagdkundiger in der Mitte (Mitteführer), wie auf jedem Flügel (Flügelführer) die Treiber dirigirt, u. wenn noch sonst Jäger, welche wo möglich Hunde zur Verfolgung außer dem Treiben führen, in der Treiberlinie vertheilt sind. Auch Hornisten zu Signalen sind von Nutzen. Treiber u. Schützen sammeln sich meist um 8, 9 od. 10 Uhr Morgens an einem angegebenen Orte (Sammelplatz, Rendezvous); dort werden die Treiber entweder gleichzeitig, od. etwa 1/4 bis 1/2 Stunde früher angestellt als die Schützen. Meist (jedoch mit Ausnahme der Kesseltreiben, s.d. unten) bilden die Treiber einen Halbkreis (die Treiber auf den Flügeln, welche still stehen, bis das Treiben an sie kommt, u. dem Wilde nur wehren, heißen die Wehren u. die von ihnen gebildeten Flügel die Wehrflügel); die Schützen bilden den andern Halbkreis. Die Spitzen beider müssen sich berühren u. beide vereint einen Kreis[782] od. ein Viereck bilden. Die Treiber sind bei großen Feldjagden Anfangs 40–80 Schritte von einander entfernt, bei Holztreiben viel näher, oft nur 8–10 Schritte. Durch die Vertheilung von Schützen unter die Treiber wird zwar mehr erlegt als sonst, aber das Wild läuft den eigentlichen Schützen weniger an. Die Treiber rücken, sobald das Treiben beginnt, möglichst eine gerade Linie bildend, gegen die Schützenlinie vor; je näher sie den Schützen kommen, desto mehr verringern sich aber die Zwischenräume zwischen ihnen, indem sich die Wehren mit in die Linie ziehen. Nur bei Mangel an Treibern werden die Wehren weggelassen u. der Halbkreis von Treibern geht gegen die von ihm durch einen Zwischenraum getrennte Schützenlinie vor. Der Durchruf, wo sich Führer u. Kreiser das für den Augenblick Vorzunehmende zurufen u. welcher zu dem Punkt, wo er ausgegangen, wieder zurückkommt, dient zur Erhaltung der Ordnung der T., auch wird von Zeit zu Zeit, bes. im Holze, auf Wegen, Alleen u. vgl angehalten u. ganz gemacht, d.h. die frühere Ordnung unter den Treibern wieder hergestellt. Hauptsächlich ist das Abreißen des Treibens, wo große Lücken entstehen u. das Wild durchgeht, zu vermeiden. Die Schützen bekommen ihren Stand möglichst in einer geraden Linie u. verdeckt, wo möglich in Gräben, Vertiefungen u. dgl., jedoch so, daß sie noch mindestens 50 bis 100 Schritte um sich sehen u. schießen können, bei Feldtreiben 50–70 Schritt, bei Holztreiben 30–40, bei Jagden auf Hochwild 150–300 Schritt auseinander, angewiesen u. keiner darf denselben weder mehr als einige Schritte vorwärts, rückwärts od. nach der Seite zu verändern, noch weniger ihn aber ganz verlassen, bevor die Treiber mit ihm in einer Linie sind, wo er dann entweder mit in das Treiben geht, mit den Treibern u. seinen Nebenschützen eine Linie bildet u. vorkommenden Falls zu schießen fortfährt, od. je nachdem es vorgeschrieben ist, von seinem Stane ab- u. ohne zu schießen, längs der übrigen Schützenlinie, nach dem Punkte, wo das ganze Treiben zusammentrifft, hinuntergeht. Bei Jagden, wo man allen Gästen gleiches Anrecht an gute Stände verschaffen will, verlost man die Stände. Ist keine Deckung, auch kein Baum, an welchem sich der Schütze lehnen kann, vorhanden, so sucht er nur möglich still zu stehen, od. sich durch Niederkauern, Hinsetzen od. Hinlegen möglich zu verkleinern, um von dem Wild nicht wahrgenommen zu werden. Geht ein Wild unbemerkt vor einem Schützen vorbei, so macht man ihn durch ein kurzes Habacht, bei Federwild durch Tiro aufmerksam. Ist das Treiben vollendet, so gehen die Schützen von ihren Ständen ab, u. das erlegte Wild wird zusammengebracht u. vor den Jagdgeber od. den vornehmsten Schützen in eine Reihe hingelegt (gestreckt), Hasen, Rehe u. Füchse meist eingehößt, d.h. ein Hinterlauft durch den andern gesteckt. Das erlegte Wild wird nach jedem Treiben aufgezeichnet. Gewöhnlich werden in einem Jagdtage mehre Treiben gemacht, nur bei den allergrößten Hasenjagden u. bei den Bestätigungs- u. Hauptjagden macht man nur ein Treiben, bei kleineren zwei bis sechs, bei Holztreiben sechs bis zwölf Treiben. Eine besondere Art T-en sind die Nachttreiben (Nachtjagd), wo bei hellem Mondschein u. im Schnee auf Hafen getrieben wird; od. die Fackeljagden, wo bei dunklen Herbst- u. Winternächten die Hafen mit Fackeln in Netze, welche in Gebüschen aufgestellt sind, getrieben u. dort erschlagen werden. Bei dem Contratreiben ist ein Holz mit Schützen ganz umstellt, u. das Treiben wird nun mehrmals hin u. her getrieben.
Die Treiben zerfallen in Feld- u. Holztreiben. I. Das Feldtreiben, wo man nur Hafen, ausnahmsweise einen Fuchs u. beiläufig auch wohl ein Feldhuhn zu schießen beabsichtigt, zerfallen wieder in: A) Anlegetreiben, wo die Schützen möglichst verdeckt in einer Linie u. auf beiden Flügeln aufgestellt sind u. das Wild gegen sie angetrieben wird. In seltenen Fällen sind auf den Flügeln Prallnetze aufgestellt, welche die Hafen nicht durchlassen. Ähnliche Hasennetze werden zuweilen etwas busenreicher, damit die Hafen sich in ihnen verwickeln, hinter vornehmen Personen aufgestellt damit das Wild längs den Netzen hinläuft u. ihnen so zum Schuß kommt, od. sich verwickelt, wo sie dasselbe dann in Netzen schießen. B) Bei den Kesseltreiben bleiben die Schützen nicht stehen, sondern sind mit den Treibern untermengt fortwährend in Bewegung. Zwei Jagddirigenten lassen nämlich Schützen u. Treiber von einem Punkt nach zwei Seiten so ablaufen, daß ein Jagdverständiger u. des Terrains Kundiger auf jeder Seite fortgeht diesem folgt in einer Entfernung von 60–70 Schritt ein Treiber, diesem in gleicher Entfernung ein Schütze, od. wenn wenig Schützen sind, noch ein od. mehre Treiber in gleichem Abstand u. so immer abwechselnd. Die Führer gehen in den vorgeschriebenen Richtungen fort bis sie zusammentreffen, dann wird Halt gerufen od. geblasen, die Lücken ausgeglichen (ganz gemacht) u. hierauf das Signal Vorwärts gegeben, wo dann alle Treiber u. Schützen, die links Abgelaufenen rechts-, die rechts Abgelaufenen linksum machen u. alle nach einem gemeinschaftlichen Mittelpunkt zu gehen. In ebenen Gegenden kommen sehr große Kesseltreiben vor, zuweilen gegen 1 QM. Hier wird von mehren Punkten aus abgelaufen u. die verschiedenen Abtheilungen des Treibens stoßen dann an einander. Auf einer solchen Jagd werden oft in einem Tage mehre Hundert, ja Tausende von Hafen erlegt. Bei Kesseltreiben darf niemand, sobald abgeblasen ist, od. das Signal dazu durch Abblasen mit dem Horn, od. durch Emporheben von Signalflaggen gegeben ist, in den Kessel schießen, sondern jeder muß das Wild durchlassen, niemand darf in die Linie schießen, den Hund in das Treiben lassen etc. II. Holztreiben sind meist kleiner als Feldtreiben u. ähneln in der Art des Anstellens den Anlegetreiben. Sie zerfallen in A) Holztreiben auf Hasen, Füchse u. Rehe, wo die Schützen theils auf einer Seite des Holzes, so daß der Wind im Gesicht od. auf der Seite ist, quer vor, theils auf den beiden nächsten Seiten od. Flügeln stehen. Oft werden bedeutende Stücken Feld in das Holz beigetrieben, um dasselbe desto wildreicher zu machen. Da bei Holztreiben die Treiber (Klopfer) oft mit Stöcken gegen die Bäume schlagen, od. mit Jagdklappern ausgerüstet sind, so heißt diese Jagd auch Klapper-(Klopf-)jagd. Zuweilen sind bei solchen Holztreiben Lappenflügel, Flügel von Feder- u. Tuchlappen, d.h. Schnuren mit eingeknüpften Federn od. angenähten Stücken von Leinwandzeug, gestellt, um Treiber zu ersparen; sie ersetzen die Wehren u. laufen zu beiden Seiten des Holztreibens hin, während die Schützen die dritte, die Treiber die vierte Seite desselben einnehmen.[783] Alle 100 Schritte steht an ihnen ein Treiber. B) Holztreiben auf Hoch- u. Schwarzwild wird entweder a) wie die vorige Art durch gewöhnliches Durchtreiben, mit Vorstellen der Schützen ohne Zeuch, od. b) durch ein mit Lappen od. Zeuch eingestelltes Jagen betrieben. Zu letztern gehört: aa) das Kesseljagen, wo ein kleiner District mit Blendtüchern od. dunklem Zeuch eingestellt u. das darin befindliche Wild den Hatzen od. Schützen nicht auf einem Laufe, sondern auf schicklichen Plätzen innerhalb des Treibens auf Wegen od. am Zeuche zugetrieben wird. Ist der Sicherheit wegen der District, wo man jagen will, mit einem Leithund bestätigt, so heißt die Jagd ein bestätigtes Kesseljagen. bb) Die Bestätigungsjagd (bestätigte Laufjagd), wo Roth- u. Damwild, auch wohl Sauen mit dem Leithunde bestätigt (s.d.), hierauf nochmals mit demselben umzogen (erneut) u. dann mit Jagdzeug umstellt u. in einem Laufe geschossen od. gehetzt werden. Der Lauf, ein großerlichter Platz, meist von länglich viereckiger od. ovaler Form, ist etwa 300 Schritte lang u. 150 breit, in der Mitte desselben ist ein Jagdschirm für die Herrschaft erbaut; vor u. hinter dem Schirme werden niedrige Quergeländer, mit Reisig umwunden (die Übersprünge) angebracht, über welche das gejagte Wild springen muß. Da, wo der Lauf an das Jagen od. Treiben stößt, ist ein langes Tuch (Lauftuch, Rolltuch) angebracht, welches wie ein Vorhang auf- u. niedergelassen werden kann; damit nicht zu viel Wild zugleich auf den Lauf kommt u. das auf demselben befindliche nicht zurücklaufen kann. Dasselbe trennt den eigentlichen Lauf von der Kammer, einem kleinen, halbrunden, mit gutem dunklem Zeuch eingestellten, mit lichtem duplirtem Abschnitt, in welchen das Wild einige Tage vor der wirklichen Jagd getrieben wird. Den Tag vorher verengt man die Kammer noch durch ein neues vorgezogenes Rolltuch u. treibt das Wild in das letzte Zwangtreiben. Der vordere Theil der Kammer heißt dagegen Hinterjagen. In diesem Zwangtreiben werden die Hirsche von den Thieren, Schmalthieren u. Wildkälbern dadurch separirt, daß Rolltücher od. Seile so niedrig herabgelassen werden, daß die anderen Thiergattungen, wie Füchse u. Schweine noch durchkommen, der Hirsch mit dem Geweih aber hängen bleibt. Das Zeuch steht aber im Engen, wenn das Wild schon in die Kammer eingetrieben ist, im Weiten, wenn dies nicht der Fall ist. Beim Jagen selbst wird das Wild nur zum Jagdschirm vorgejagt u. geschossen od. angehetzt. Man bedient sich auch hierzu der Schnappwände, s.u. Jagdtücher d). Zum Stellen des Zeuches bei der ganzen Bestätigungsjagd braucht man gewöhnlich zwei Tage u. am dritten Tage wird in der Regel abgejagt. Es sind dazu 10–20 Jäger u. 60–150 Treiber nöthig, Nachts muß von 40–80 Mann gewacht u. dabei Feuer (Wehrfeuer) unterhalten werden. cc) Hauptjagen (große zusammengetriebene Jagden), wo das Wild in großer Zahl u. von verschiedenen Arten aus einem ganzen Revier od. aus mehren in einem großen Umfang zusammen getrieben u. eingestellt, nach u. nach in einem engeren Raum zusammengejagt u. dann auf einem großen Lauf erlegt wird. Diese Hauptjagden erfordern fünf bis sechs, oft acht Tage zu ihren Vorbereitungen. dd) Prunkjagen (Festinjagen), ganz einem Hauptjagen gleich, nur daß dazu oft Wild eingefangen u. aus entfernteren Revieren dahin transportirt wird, an dem Laufe u. Jagdschirmen besondere, oft kostbare Verzierungen (meist sind letztere in Gestalt von Lauben gebaut, od. bilden ein Rondel, in welchem jeder Schütze einen Stand hat) angebracht sind, die Jäger in großer Galauniform u. sehr zahlreich erscheinen, Musikchöre, welche bei Erlegung jedes Stückes Fanfaren blasen, aufgestellt sind etc. Oft sind bei solchen Prunkjagen Vorrichtungen getroffen, vermöge welcher erst die Füchse, Hafen u. dgl. kleines Gethier, dann Rehe Thiere, Spießer u. Schmalthiere, dann endlich Hirsche od. Schweine zum Schuß kommen. Es wird dies durch eine Barriere bewirkt, welche mittelst Gabeln so hoch emporgehoben wird, daß nur Thiere einer Art unter derselben durchkriechen können. Auch die Hirsche müssen noch unter einem starken Seil durchkriechen, an welchem aber dicht an einander Kränze von Baumzweigen so befestigt sind, daß die Hirsche sie mit ihrem Gehörn abreißen u. über das Geweih hängend, mit sich forttragen. Solche Prunkjagen sind selten, am häufigsten kommen sie beim österreichischen hohen Adel od. auch an Höfen regierender Fürsten, u. auch hier nur zur Feier der Anwesenheit hoher Fremder, Vermählungen u. vgl. vor. Die letzte größere Jagd dieser Art gab König Friedrich von Württemberg 1808 in Göppingen, wo über 1000 Stück Wild erlegt wurden. Auch bei den letzteren drei Arten zu jagen unterscheidet man Contratreiben, wenn auf beiden Seiten des Schießschirmes Kammern angelegt sind u. das Wild aus ihnen mehrmals, aus der einen in die andere, vor dem Schirm vorbei getrieben wird. Ist in einem solchen eingestellten Jagen nur einerlei Wild eingekreist, od. kommt nur eine Art zum Schuß, so heißt es ein geschiedenes Jagen. Ehedem hatte der Jäger, welcher bei einem Bestätigungs- od. Prunkjagen den stärksten Hirsch angesprochen hatte, das Recht der Herrschaft dessen Gehörn vorzutragen. Sonst war bei solchen großen Jagden ein Jagdlager aufgeschlagen od. die Jäger einquartirt u. erhielten eigene Verpflegung (Jägeratzung).
Pierer's Lexicon. 1857–1865.