Tschernyschew [1]

Tschernyschew [1]

Tschernyschew (Tschernitschew, Czernyschew), ein gräflisches u. fürstliches, in zwei Zweigen blühendes Geschlecht in Rußland; stammt von Iwan Tschernetzky, welcher 1493 aus Polen nach Rußland kam u. von Iwan Wassiljewitsch I. zum Dumnoi-Dworjanin ernannt wurde. Bes. berühmt sind: I. aus dem älteren Zweig: 1) Fürst Alexander Iwanowitsch, geb. 1779, nahm sehr früh russische Kriegsdienste, wurde 1811 Oberst eines Kosackenregiments u. als außerordentlicher Gesandter nach Paris geschickt, wo er durch Bestechung mehrer im Kriegsministerium Angestellter die Details des künftigen Operationsplans Frankreichs gegen Rußland zu erhalten wußte. Zufällig ließ er bei seiner Abreise eins der Blätter, worauf sich eine Angabe befand, in seinem Zimmer liegen; die französische Polizei erfuhr dies, u. einige Stunden, nachdem er die Brücke von Kehl passirt hatte, langte mit dem Telegraphen der Befehl zu seiner Verhaftung in Strasburg an. Dennoch entkam er glücklich u. befehligte 1813 eine Division Kosacken, welche, bald die Avantgarde, bald ein Streifcorps bildend, den Franzosen viel Schaden that u. unter andern im März Augereau in Berlin bedrohte, später gegen Halberstadt streifte u. dort einen Train Artillerie nahm, das Königreich Westfalen auflöste u. 1814 an der Elbmündung u. in Holland focht. 1817 wurde er mit einer außerordentlichen Mission nach Belgien beauftragt, um mit Wellington zu conferiren. 1822 folgte er dem Kaiser nach Verona zum Congreß, erhielt dann, zum Generallieutenant befördert, mehre diplomatische Stellungen, wurde 1825 zum Grafen, 1828 zum Kriegsminister u. 1841 in den Fürstenstand erhoben, seit November 1848 war er auch Präsident des Reichs- u. Ministerrathes; nachdem er aber bereits 1852 das Kriegsministerium an Dolgoruki abgegeben hatte, legte er im April 1856 auch seine übrigen Ämter nieder u. blieb blos Generaladjutant des Kaisers; er st. 20. Juni 1857 zu Castellamare. II. Aus dem jüngern Zweig: 2) Grigorji T., geb. 1672, einer der bedeutendsten Generale unter Peter dem Großen, eroberte 1710 Helsingfors, schlug 1714 die Schweden am Pelkausee, wurde 1726 Gouverneur von Livland, 1730 Senator u. Generalen-chef, 1742 in den Grafenstand erhoben u. st. 1745 in Petersburg. 3) Graf Sachar ( Zacharias) T., Sohn des Vor., geb. 1705, befehligte im Siebenjährigen Kriege 1761 als Generallieutenant ein Corps, welches den Österreichern nach Schlesien zu Hülfe gesendet wurde, u. verweilte mit etwa 20,000 Mann bei Laudon, als sich auch die russische Hauptmacht unter Buturlin schon zurückgezogen hatte. Dies Corps stieß später, als Peter III. im Jan. 1762 zur Regierung gekommen war, zu Friedrich II., wurde jedoch nach Peters Entthronung wieder abberufen. T. war jedoch Friedrich II., so ergeben, daß sein Corps, als er schon den 19. Juli 1762 die Nachricht von der Thronveränderung u. seiner Zurückberufung nach Rußland erhalten hatte, doch noch einen Theil der Österreicher in Schach hielt, während Friedrich II. den andern bei Reichenbach angriff. Später führte T. ein Commando in Polen, wurde Präsident des Kriegscollegiums u. Feldmarschall, legte aber 1774 alle diese Posten nieder u. st. 1784. 4) Graf Iwan T., Bruder des Vorigen, war Präsident des Marinecollegiums unter Katharina II. u. st. 1797. 5) Graf Peter, Bruder des Vorigen, war russischer Gesandter am Hofe Friedrichs II. in Berlin u. Ludwigs XV. in Paris. 6) Graf Sachar, Enkel von T. 4), war in die Verschwörung von 1825 gegen den Kaiser Nikolaus verwickelt, wurde deshalb nach Sibirien verbannt u. sein hierdurch verwirkter Name u. Titel auf seinen Schwager Iwan Kruglikow übertragen, welcher sich nun Graf T.- Kruglikow nannte.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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