- Zuckerprüfung
Zuckerprüfung (Zuckerprobe) I. Die empfindlichste Erkennung des Traubenzuckers geschieht mit einer alkalischen Kupferoxydlösung (s. unten II. A) a), wodurch beim Erwärmen der Lösung auf 60°, od. langsamer in der Kälte rothes Kupferoxydul gefällt wird. Rohrzucker läßt sich hierdurch neben jenem erkennen, indem man die Flüssigkeit erst mit der Kupferlösung bis zum Kochen erhitzt u. so den Traubenzucker zersetzt, dann filtrirt, den Rohrzucker durch Kochen mit verdünnter Salzsäure in Schleimzucker verwandelt u. nun mit der Kupferlösung prüft. Während ferner Rohrzucker, mit nicht zu concentrirter Natron- od. Kalilösung gekocht, seine Farbe nicht ändert, wird der Krümelzucker hierbei stark gebräunt. II. Die zur Ermittelung des Zuckergehaltes (Saccharometrie) in Anwendung kommenden Proben sind folgende: A) Chemische Proben: a) die von Barreswil, welche sich auf das von Trommer beobachtete Verhalten von Krümelzucker zu einer alkalischen Kupferoxydlösung, welche letztere dadurch zu Kupferoxydul reducirt wird, stützt; sie wurde zuerst von Fehling zu technischen Zwecken, z.B. zur Bestimmung des Zuckers in den Rüben,[716] angewendet. Die hierzu nöthige alkalische Kupferoxydlösung bereitet man sich durch Vermischen einer Auflösung von 40 Grammen krystallinischen Kupfervitriol in 160 Grammen Wasser mit einer anderen Lösung von 160 Grammen neutralem weinsaurem Kali in wenig Wasser, u. 600–700 Grammen Ätznatronlauge von 1,12 specifischem Gewicht. Die Mischung wird auf 1154,4 Cubikcentimeter bei 15° verdünnt. Ein Liter der so dargestellten Kupferoxydlösung enthält 34,650 Gramme Kupfervi. triol u. erfordert zur Reduction 5 Grammen trockenen Krümelzucker, denn 10 Äquivalente Kupfervitriol werden durch 1 Äquivalent Krümelzucker zu Oxydul reducirt. 10 Cubikcentimeter der Kupferlösung entsprechen also 0,050 Grammen getrocknetem Krümelzucker. Bei der Untersuchung verdünnt man die Zuckerlösung, so daß sie höchstens 1 Procent Zucker enthält. Auf der anderen Seite werden 10 Cubikcentimeter der Kupferlösung mit 40 Cubikcentimeter Wasser verdünnt, die Flüssigkeit zum Sieden erhitzt u. so lange von der Zuckerlösung hinzugesetzt, bis alles Kupfer gerade reducirt ist. Je näher man diesem Punkte kommt, desto reichlicher u. röther ist der Niederschlag u. desto schneller setzt er sich ab; sobald die Flüssigkeit entfärbt ist u. mit Blutlaugensalz u. Salzsäure od. mit Schwefelwasserstoff keine Färbung mehr gibt, ist der Versuch beendet. Um den Rohrzucker z.B. im Rübensaft in dieser Weise zu bestimmen, muß derselbe durch mehrstündige Erwärmung mit Schwefel- od. Weinsäure in Krümelzucker verwandelt werden (100 Thle. Krümelzucker entsprechen 95 Thln. Rohrzucker). b) Die Probe von Péligot, von Schatten u. Grouven verbessert, gründet sich auf die Eigenschaft des Rohrzuckers mit Kalk eine bestimmte Verbindung einzugehen. Man digerirt die Zuckerlösung mit überschüssigem Kalk, filtrirt den Zuckerkalk ab u. bestimmt die Menge der Schwefelsäure, welche erforderlich ist, um ein bestimmtes Volumen der mit Lakmus bläulich gefärbten Lösung zu neutralisiren. Aus der Menge der Säure berechnet man die Menge des Kalkes, aus der letzteren die Menge des Zuckers. c) Die Gährungsmethode wird in neuerer Zeit höchstens noch zur Bestimmung des Zuckergehaltes der Rüben angewendet; der Krümelzucker zerfällt bei der geistigen Gährung in Alkohol u. Kohlensäure, u. zwar liefern 171 Thle. Rohrzucker od. 180 Krümelzucker 88 Thle. Kohlensäure. Die Kohlensäure bestimmt man durch den Gewichtsverlust, indem man in einem Will- u. Freseniusschen Kohlensäurebestimmungsapparat, od. einfach in einer großen Flasche gähren läßt. d) Gentele benutzte eine Lösung von 10,98 Grammen Ferridcyankalium u. 5,5 Grammen Ätzkali in 100 Cubikcentimeter Wasser, welche man auf das fünffache Volumen verdünnt. Die gelbe Lösung wird bei 80° von einer Lösung von Krümelzucker schnell entfärbt, während sie von Rohrzucker unverändert bleibt. 1 Gramm Rohrzucker, welcher vorher durch Kochen mit Salzsäure umgewandelt worden ist, entfärbt 10,98 Grammen Ferridcyankalium. Man prüft die Lösung mit einer Lösung von 3,5 Grammen Rohrzucker in 350 Cubikcentimeter Wasser, von welcher man 20 Cubikcentimeter mit 11/2 Cubikcentimeter Salzsäure bis 90° erwärmt u. mit kohlensaurem Natron neutralisirt. B) Die potische Probe. Die Drehung der Polarisationsebene (s. Polarisation 3) u. Licht K) b) wird vielfach benutzt, um den Gehalt an krystallisirbarem Zucker im Saft des Zuckerrohres, der Rüben, im Syrup u. in der Melasse zu bestimmen, da das Rotationsvermögen einer Zuckerlösung mit ihrer Concentration zunimmt. Geht ein Lichtstrahl unter gewissen Bedingungen durch eine Quarzplatte des Polarisationsapparates, so wird der Strahl unter eigenthümlichen Farbenerscheinungen polarisirt; bringt man eine Säule von Zuckerlösung dazwischen, so zeigt diese einen gewissen Einfluß auf die Färbung, welcher um so größer sein wird. je mehr diese Lösung Zucker enthält. Die Größe dieses Einflusses wird nun gemessen durch die Dicke, welche man der Quarzplatte geben muß, um ihn zu compensiren. Die Zuckerlösungen werden bei diesen Proben mit einer Normallösung verglichen, welche auf 100 Grammen 16,471 Grammen Zucker enthält, eine 20 Centimeter hohe Schicht bildet, u. deren Drehung der Polarisationsebene gleich der von einem Millimeter Quarz ist. Bei der Controle der optischen Saccharimetrie mit der Methode der Gährung zeigt sich oft, daß die Resultate ungenau sind, wenn die, Flüssigkeiten einen Umdrehungscoefficienten zeigten, welcher sich von den Coefficienten des reinen Zuckers beträchtlich entfernt. Um Rübensaft zu prüfen wird derselbe vorher mit Bleiessig versetzt, filtrirt u. die hierdurch eingetretene Verdünnung bei der Berechnung berücksichtigt. In Deutschland sind die angewendetsten Apparate von Ventzke u. Mitscherlich, in Frankreich von Soleil u. Clerget. C) Payens Probe ist nur für Rohrzucker anwendbar, sie beruht auf einem Verdrängungsproceß; man bringt 10 Grammen des gröblich gepulverten Zuckers in eine Röhre u. gießt darauf 10 Cubikcentimeter absoluten Alkohol, um dem Zucker alles Wasser zu entziehen. Darauf gießt man den Alkohol ab u. digerirt den Zucker mit ungefähr 50 Cubikcentimeter Probelösung, welche man durch Auflösen von 50 Grammen weißen getrockneten Zucker in 1 Liter Alkohol von 85 Procent, zu welchem man 50 Cubikcentimeter Essigsäure gesetzt hat, erhält. Diese Flüssigkeit löst den nicht krystallisirbaren Zucker, die Melasse, auf, zersetzt den Zuckerkalk, greift aber den krystallisirbaren Zucker nicht an, weil sie gesättigt ist. Der so behandelte Zucker wird auf einem Filter gesammelt, mit Alkohol gewaschen u. getrocknet. Der Gewichtsverlust gibt die Menge des Wassers u. der fremden Substanzen in dem Zucker. Neben dieser Probe nimmt man auch noch die Wasserbestimmung u. Aschenbestimmung vor.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.