Analysis [2]

Analysis [2]

Analysis (Math.), 1) eine der Synthesis gegenüberstehende Methode der Auflösung mathematischer Aufgaben. Während die Synthesis darin besteht, von der Summe bereits gewonnener Erkenntniß zu dem fortzuschreiten, was durch Zusammensetzung u. Combination des Vorhandenen sich ergiebt, u. also von erwiesenen Prämissen nach den Regeln logischer Schlußfolgerung zu neuen Schlüssen übergeht: sucht die A. einen Lehrsatz, den sie zu beweisen, od. eine Aufgabe, die sie zu lösen beabsichtigt, so lange zu zergliedern, bis sie den Zusammenhang derselben mit solchen bereits erwiesenen u. bekannten theoretischen u. praktischen Sätzen findet, aus denen sich das Gesuchte herleiten läßt. Sie legt mithin rückwärts den Weg von einem beabsichtigten Schlusse zu seinen Prämissen zurück. Sie wird namentlich bei Lösung verwickelter geometrischer Aufgaben angewendet, in denen nichtunmittelbar deutlich ist, wie die Bestimmungen derselben sich erfüllen lassen. Die A. theilt sich wesentlich in zwei Zweige: A) Die A. der Alten bleibt ausschließlich im Gebiete der Betrachtung geometrischer Größen u. wird namentlich dadurch unterstützt, daß man sich eine ungefähre Figur entwirft, von der man voraussetzt, daß sie die Aufgabe erfülle, daß man hierauf die sich zunächst darbietenden Hülfslinien zieht, z.B. Verbindungslinien vorkommender Punkte, Verlängerungen von Linien bis zum Durchschnitt u. dgl., u. durch die Eigenschaften der so sich ergebenden Figur den Zusammenhang der gesuchten Großen mit den gegebenen zu erforschen sucht. Ist dies gelungen, so folgt zur Vollendung der Aufgabe nothwendig noch eine Synthesis, welche, von gegebenen Größen den Anfang machend, diese so zusammensetzt, daß man endlich zur Darstellung des Gesuchten gelangt; endlich der Beweis, daß diese Construction das (Geforderte wirklich leistet, u. die Determination, d. h. der Nachweis, ob u. in welchen Fällen die Lösung möglich sei. B) Die A. der Neueren betrachtet die gesuchte Größe gleichfalls als gegeben, jedoch als eine gemessene Zahlengröße, bezeichnet sie daher durch ein allgemeines Zahlenzeichen, nämlich einen Buchstaben, bildet zwischen ihr u. den gegebenen Größen, gemäß der Natur der Aufgabe, Gleichungen, verläßt nunmehr das Gebiet der geometrischen Betrachtung gänzlich, wendet vielmehr auf jene Gleichungen lediglich die Grundsätze der Arithmetik an u. findet so die gesuchte Größe. Die A. der Neueren heißt insbesondere analytische Geometrie, wenn die gegebenen u. gesuchten Größen durch Coordinaten (s.d.) ausgedrückt werden, d. h. durch die Linear- u. Winkelabstände der die Größen begrenzenden Punkte u. Linien von gewissen zu Grunde gelegten Linien u. Punkten. Diese von Descartes geschaffene Methode, welche namentlich zur Untersuchung der Eigenschaften krummer Linien u. Flächen sich eignet, ist das hauptsächlichste Mittel für die weitere Ausbildung der Geometrie in der neueren Zeit gewesen. 2) A. als Wissenschaft ist im Allgemeinen gleichbedeutend mit der allgemeinen Arittmetik u. hat also die Eigenschaften der durch Verbindung allgemeiner Zahlengrößen entstehenden Zahlformen zum Gegenstande der Untersuchung, also z.B. die Beziehungen zwischen den Wurzeln einer Gleichung u. den Coefficienten ihrer einzelnen (Glieder, od. die Entwickelung von Producten mehrgliedriger Ausdrücke od. einer Potenz eines solchen in eine Reihe, od. die Summirung einer gegebenen [450] Reihe. Der Fortschritt u. somit auch der durch den Sprachgebrauch festgestellte Begriff der A. ist aber wesentlich an die Entwickelung der Geometrie gebunden gewesen. Oben unter 1) B) ist nämlich mitgetheilt, in welcher Weise die allgemeine Arithmetik Anwendung fand auf geometrische Untersuchungen. In Rücksicht auf diesen Endzweck aber, späterhin auch in Folge der Anwendung der Arithmetik auf die in der Physik vorliegenden Kräfte u. Zeitgrößen, mußte sich die Arithmetik mit einer großen Zahl von Sätzen bereichern, welche die abstracte Arithmetik sich schwerlich angeeignet hätte, u. den Inbegriff aller dieser Sätze gewöhnte man sich A. zu nennen. Vor Allem ist hier hervorzuheben, daß wegen ihrer Anwendung auf die Raum- u. Zeitgrößen, welche das Charakteristische des Stetigen an sich tragen, die A. genöthigt war, die Reihe der ursprünglich discreten Zahlengrößen zu ergänzen durch eine unendliche Menge zwischen den Einheiten der ursprünglichen Zahlenreihe eingeschobener, unendlich kleiner, stetig in einander übergehender Zwischenstufen, u. dies führte zur Begründung der von Leibnitz erfundenen A. des Unendlichen, od. der Differenzial- u. Integralrechnung. Weil ein Ausdruck, in welchem eine sich stetig ändernde Größe vorkommt, u. der daher im Allgemeinen sich mit dieser Größe selbst stetig ändert, eine Function der anderen Größe genannt wird, so trägt die A. auch den Namen der Theorie der Functionen. Nach dem Gesagten zerfällt die gesammte A. nach dem gegenwärtigen Stande der Wissenschaft in 2 Hauptabtheilungen: A) A. des Endlichen ist der Inbegriff aller Lehren von den endlichen Zahlengrößen, insbesondere von den Summen, Differenzen, Producten, Quotienten, Potenzen, Logarithmen, trigonometrischen Functionen endlicher Größen, von den Combinationen einer endlichen Anzahl Glieder, von den endlichen Reihen; B) A. des Unendlichen begreift die Regeln u. Lehren, welche bei der Untersuchung unendlich kleiner Theile gewisser Größenausdrücke zu beobachten sind, u. nach denen man aus den Eigenschaften des Ganzen auf die der unendlich kleinen Theile, od. umgekehrt aus den Eigenschaften unendlich kleiner Theile auf die des Ganzen schließen kann; die beiden hierdurch bezeichneten Abschnitte der A. des Unendlichen sind die Differenzial- u. Integralrechnung. Vergl. Pappus im 7. Buche seiner Sammlung geometrischer Untersuchungen; Descartes, Géometrie, Leyd. 1637; Newton, Arithmet. univ., Cambr. 1707; Princip. math., Lond. 1687; Anal. per quantitatum series, fluxiones ac differentias, Lond. 1711; Kästner, Anfangsgründe der A. endlicher Größen, Gött. 1794; Ders., A. des Unendlichen, Gött. 1799; Euler, Introductio in analysin infinitorum; Ders., Institutio calculi differentialis, u. Inst. calc. integralis (s. Euler); Lagrange, Théorie des fonctions analytiques, Par. 1797, n. A. 1813; Monge, Application de l'analyse à la géometrie, Par. 1850; Moigno, Leçons de calcul différential et de calcul intégral, Par. 1844; Schlömilch, Handbuch der algebraischen A., 2. Aufl. Jena 1851; Ders., Compendium der höheren A., Braunschw. 1853.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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