- Béranger
Béranger (spr. Berangscheh), Pierre Jean, wurde am 17. August 1780 zu Paris geboren. Von niederer Abkunft wuchs er fast ohne Erziehung im Hause seines Großvaters auf, bis er zu einer Tante nach Peronne kam, welche eine Herberge hielt. Hier fand der Knabe seine erste geistige Anregung durch Fenelons Télémaque u. einige in einem Winkel aufgefundene Bände von Racine u. Voltaire, die er mit großer Begierde durchlas. Seine Tante gab ihn, als er 14 Jahr alt war, zu einem Buchdrucker in die Lehre, welcher, die geistigen Anlagen des Knaben erkennend, sich seiner mit Interesse annahm u. ihm den Eintritt in das Patriotische Institut verschaffte. Hier erhielt B. nothdürftigen Unterricht u. kehrte 1797 nach Paris zu seinen Eltern zurück. Seine Neigung zur Poesie wuchs mehr u. mehr, seitdem er sich durch seine Ersparnisse einige Mal den Eintritt ins Theater u. die Lustspiele Molières verschafft hatte. Von seinen ersten Entwürfen zu größeren Dichtungen kamen keine zur Ausführung, u. schon faßte er die Idee, Soldat zu werden u. mit nach Ägypten zu gehen: als er auf den Einfall gerieth, seine lyrischen Dichtungen dem als Freund der Kunst u. Wissenschaft bekannten Lucian Bonaparte vorzulegen. Dieser fand sich auch sogleich bereit, das Talent des jungen Dichtere zu unterstützen, dem er das eigne ihm als Mitglied des Instituts zukommende Jahresgehalt anwies. Später dem Herausgeber der Annales du Musée empfohlen, wurde er Mitarbeiter dieses Journals 1805 u. 1806, dann Hülfsarbeiter auf dem Universitätsbureau, in welcher Stellung er bis 1821 verblieb. Seinen ersten Erfolg als Volkssänger (Chansonnier), errang er mit Le Roi d'Yvetot (1813) u. Le senateur. Der Napoleonischen Herrschaft nicht gerade huldigend, vermied er es doch, an ihr seinen Witz auszulassen, den er hingegen nach der Restauration beißender gegen die Bourbons wandte, Seine im Volkstone geschriebenen Lieder fanden bald allgemeine Verbreitung, u. zwar um so mehr, als die Regierung die Verbreitung derselben zu hindern suchte. 1821 verlor er in Folge der Herausgabe einiger gegen die Regierung gerichteten Gedichte seine Stelle u. wurde zu dreimonatlicher Gefängnißstrafe verurtheilt; die 10,000 Frcs. Strafe, um welche er 1829 in Folge der Publication seiner, Karl X. verspottenden Chansons inédites gestraft ward, wurde sofort von seinen Freunden gedeckt. Als nationaler Dichter u. Gegner der Bourbons war er nicht ohne Einfluß auf die Volksbewegung, die im Juli 1830 zur Revolution wurde. An der Staatsumwälzung nahm er thätigen Antheil, lehnte aber Würden u. Ämter, so wie 1840 die Mitgliedschaft der Akademie u. nach der Februarrevolution 1848 die Deputirtenwahl, ab. 1837 vermachte ihm sein Verleger Manuel, mit welchem er seit 1815 in innigster Freundschaft gelebt hatte, eine Jahresrente von 8000 Frcs. Später zog sich B. ganz auf sein Landgut in Passy zurück u. erst 1852 wählte er wieder Paris zu seinem Aufenthaltsort u. st. hier am 16. Juli l857. Bei seinem Begräbniß, dessen Kosten der Kaiser aus der Civilliste zu bestreiten befahl, traf die Regierung, da B. bei dem Arbeiterstande sehr beliebt war, eine politische Demonstration fürchtend, umfassende Vorkehrungen, um etwaige Ruhestörungen sofort zu beseitigen. Er schr.: Chansons morales et autres, Par. 1815; Chansons nouvelles, 1821 u. 1825; vollständige Sammlung 1826, dazu Chansons inédites, 1828;neue Sammlung aller Chansons anciennes, nouvelles et inédites, 1831, 2 Bde. (deutsch, Stuttg. 1832), u. Chansons nouvelles et dernières, 1833; Oéuvres compl., 1835 u. 1847, deutsche Übersetzung von der Engelhardt, Kassel 1830; Rubens, Bern 1839 ff., 3 Bde.; Nathusius, Braunschw. 1839, auch von Chamisso u. Gaudy, Lpz. 1838,2. A. 1845. Seinen letzten Gesang über den Gallischen Hahn gab er bei Entstehung des neuen Kaiserreichs, 1852.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.