Concordienformel

Concordienformel

Concordienformel (Formula concordiae, Eintrachtsformel), das siebente u. letzte Symbolische Buch der Lutherischen Kirche, durch welches die Lehrentwickelung dieser Kirche abgeschlossen u. der Lehrbegriff festgestellt wurde. Die Veranlassung zur Abfassung lag in der Lehrverschiedenheit der strengeren Lutheraner u. der milderen Philippisten, welche damals in der Kirche herrschte, u. in den Streitigkeiten (s. u. Lutherische Kirche), bes. den Kryptocalvinistischen, welche zwischen den Parteien geführt wurden u. welche ein nochmaliges Zerfallen der Kirche befürchten ließen. Um dem zu begegnen, hielten es die Theologen u. evangelischen Kirchenhäupter für Pflicht, mit Aufgebung aller Union nach außen, die innere Union der Gleichgesinnten durch Feststellung der Lehre auf dem Grunde der Confession 1530 zu vollziehen. Nachdem bis 1974 noch mehrere irenische Versuche vergebens gemacht worden waren (s. u. Lutherische Kirche), übertrugen der Herzog Julius von Braunschweig[336] u. der Kurfürst August von Sachsen dem Tübinger Professor Jakob Andreä die Abfassung einer bezüglichen Schrift, welche, mehrfach verändert u. verbessert, von Mart. Chemnitz u. Chyträus beifällig aufgenommen wurde u. als Schwäbisch-Sächsische C. die weitere Grundlage zu der Streitschlichtung wurde. Darauf wurde auf Anregen des Fürsten Georg Ernst von Henneberg eine zweite Eintrachtsformel von den württembergischen Theologen Osiander u. Bidembach entworfen u. auf einem Convent von Theologen im Kloster Maulbronn 1575 geprüft u. gebilligt (Maulbronner Formel). Andreä hielt diese für zu kurz, die Schwäbisch-sächsische für zu ausführlich u. zu wenig populär u. rieth daher, beide als Grundlage zu einer dritten, daraus zu fertigenden zu nehmen. Auf diesen Rath veranstaltete der Kurfürst August Ende Mai 1576 einen Convent lutherischer Theologen aus allen Ländern in Torgau, u. unter den 18 daselbst Erschienenen waren Andreä, Chemnitz, Chyträus, Selnecker, Cornerus, Andr. Musculus, Crell u. Mörlin die berühmtesten. Aus ihren Verhandlungen ging, unter Zugrundelegung der beiden genannten Formeln u. der Augsburgischen Confession, das Torgische Buch hervor (herausgeg. von Semler, Halle 1760), welches am 7. Juni dem Kurfürsten übergeben u. von diesem, nach angestellter Prüfung mit seinen Räthen, an die evangelischen Fürsten u. Stände gesendet wurde, um deren Ansichten u. Verbesserungen u. Annahme einzuholen. Nachdem zahlreiche beifällige Gutachten eingegangen waren, berief der Kurfürst die drei Theologen Chemnitz, Andreä u. Selnecker zu einer neuen Überarbeitung. Dies geschah im März 1577 zu Kloster Bergen bei Magdeburg, namentlich wurde, um die gerügte Weitläufigkeit des Torgischen Buchs zu vermeiden, der eigentlichen Erklärung (Solida declaratio) noch ein kurzer Inbegriff (Epitome) vorangeschickt. Auf einer zweiten Zusammenkunft im April erfolgte eine neue Redaction u. endlich bei der dritten, im Mai, wozu noch Musculus, Cornerus u. Chyträus zugezogen wurden, die endgültige Redaction u. Übergabe dieser Schrift an den Kurfürsten. Dieser nannte sie die C., u. er u. der Kurfürst von Brandenburg verfügten nun die Unterschrift der Theologen in ihren Ländern, worauf sich bis 1577 andere lutherische Länder anschlossen. Für die, welche nicht unterschrieben od. ihren Widerspruch geradezu erklärten, wurden noch mehrere Convente in den einzelnen Ländern abgehalten, u. nachdem diese kein Resultat ergeben hatten, zum Abschluß geschritten u. die Formel mit der Vorrede im Juni 1579 zu Jüterbock angenommen u. von den Consentirenden unterschrieben. Die C. wurde nun mit den übrigen recipirten Symbolen in Ein Corpus doctrinae zusammengefaßt u. dieses (Concordienbuch) als symbolische Urkunde der Lutherischen Kirche am 25. Juni 1580 in Dresden veröffentlicht. Die C. zerfällt ihrer Anlage nach in zwei Theile: A) die Epitome od. den Summarischen Begriff, bestehend aus 11 Artikeln, in deren jedem die streitigen Lehrpunkte (Status controversiae) an der Spitze stehen u. dann erstens die orthodoxe Lehre (Pars affirmativa) u. zweitens das Urtheil über die gegentheiligen Ansichten (Pars negativa) ausgesprochen wird; B) die Solida declaratio od. Gründliche Erklärung, welche dieselben Artikel im Zusammenhang erörtert. Jene 11 Artikel aber, nach der Ordnung der Augsburger Confession, sind: a) von der Erbsünde; b) vom freien Willen; e) von der Gerechtigkeit des Glaubens vor Gott; d) von guten Werken; e) vom Gesetz u. Evangelium; f) von dem dritten Brauche des Gesetzes; g) vom heiligen Abendmahl; h) von der Person Christi; i) von der Höllenfahrt Christi; k) von den Kirchengebräuchen, so man Adiaphora od. Mitteldinge nennt; l) von der ewigen Vorsehung u. Wahl Gottes (Prädestination); dazu kommt noch m) von anderen Rotten u. Secten, so sich niemals zu der Augsburgischen Confession bekannt haben. Das angehängte Verzeichniß der Zeugnisse heiliger Schrift u. der alten reinen Kirchenlehrer, welche von Andreä u. Chemnitz zum 8. Artikel, betreffend die Lehre von der Person u. Würde Christi (Communicatio idiomatum) zusammengestellt wurde, gilt nicht als symbolisch. Die C. war deutsch abgefaßt; die lateinische Übersetzung Osianders nahm Selnecker in die erste lateinische Ausgabe des Concordienbuches auf, doch wurde sie nachmals von Selnecker selbst verbessert u. so nach einer Prüfung auf dem Convent zu Quedlinburg 1583 in die neue Ausgabe des Concordienbuches von 1584 mit normativem Ansehen aufgenommen. Die Unterschriften der Fürsten u. Stände erfolgten unter die Vorrede, welche in Jüterbock 1579 (s. oben) abgefaßt wurde; die der 8000 lutherischen Kirchendiener stehen unmittelbar nach der C.; letztere erschienen zuerst 1592. Die der erstern sind die von 3 Kurfürsten (Sachsen, Brandenburg, Pfalz), 20 Herzögen u. Markgrafen (darunter von denen zu Sachsen-Weimar, Sachsen-Koburg, Württemberg, Baden, Mecklenburg, von Braunschweig u. Lüneburg etc), 24 Grafen (darunter Henneberg, Schwarzburg etc.), 4 Herren (Schönburg, Wildenfels etc.) u. 35 Reichsstädten (Lübeck, Landau, Münster, Goßlar, Ulm, Eslingen, Reutlingen, Nördlingen, Rotenburg a. /T., Schwäbisch-Hall, Heilbronn, Memmingen, Lindau, Schweinfurt, Donauwerda, Braunschweig, Lüneburg, Leutkirch, Hildesheim, Hameln, Hannover, Mühlhausen, Erfurt, Eimbeck, Nordheim etc.). Erst später kam die C. zu symbolischer Geltung in Dänemark u. Schweden (wo sie Anfangs zurückgewiesen, ja in ersterem Lande ihre Publication 1580 bei Todesstrafe verboten wurde), in Ungarn (1593 u. 1596), Holstein (1647), Pommern (1685) u. Livland; keine Annahme fand sie in Hessen, Anhalt, Pfalz-Zweibrücken, einem Theil von Mecklenburg u. in den Reichsstädten Frankfurt a. M., Speier, Worms, Strasburg, Nürnberg, Magdeburg, Bremen, Danzig etc.; zurück traten später die Kurfürsten von Pfalz (nach 1583) u. Brandenburg (1614) u. der Herzog Julius von Braunschweig. Vgl. Hospinian, Concordia discors, Zür. 1607, Genf 1678; Leonh Hutter, Concordia concors, Wittenb. 1614, 1621, Lpz. 1690; I. Musäus, Praelectiones in epitomen Formulae conc. Jena 1701; Balthasar, Geschichte des Torgischen Buches, Greifsw. 1741–56, 8 St.; I. N. Anton, Geschichte der Form. conc., Lpz. 1779, 2 Bde.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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