Fahne [1]

Fahne [1]

Fahne, 1) ein an einer Stange (Fahnenstange) befestigtes, jetzt meist in Quadrat geschnittenes, durch Farbe od. Bilder ausgezeichnetes Stück Zeug (Fahnenblatt); zunächst Versammlungs- u. Schlachtzeichen der Truppen. In ältester Zeit hatten die Heere statt der F. vielmehr Feldzeichen, an eine Stange befestigte Zeichen verschiedener Art von Holz, Metall etc., durch deren Erhebung das Zeichen zum Vorrücken, durch deren Senken das Zeichen zum Rückzug gegeben wurde. So gab schon bei den Hebräern Moses, als er das Volk in 4 Heere theilte, jedem ein besonderes Sinnbild; den Stämmen Juda, Isaschar, Sebulon einen Löwen, den Stämmen Ruben, Simeon, Gad einen Menschen, den Stämmen Ephraim, Manasse, Benjamin einen Stier, den Stämmen Ascher, Dan, Naphthali einen Cherub. Das Heerzeichen der alten Perser war ein goldener Adler auf einer Lanze; jetzt haben die Perser F-n mit einem liegenden Tiger, hinter welchem eine Sonne aufgeht. In eroberten od. übergebenen Städten wurde das Nationalheerzeichen zum Zeichen der Besitznahme aufgesteckt. Die Feldzeichen der Ägyptier bestanden auch in metallenen Thier-, später auch Götterbildern, die auf Lanzen befestigt dem Heere vorgetragen wurden. Osiris soll sie eingeführt haben. Die Griechen kannten weder F-n noch Feldzeichen im Heere, nur an Schiffen kommen kleine F-n als Flaggen vor. Die Römer führten früher Feldzeichen (Signa); die des Romulus sollen sehr einfach in einem Bündel Heu, auf eine [72] Lanze gesteckt, bestanden haben; seit Marius bestanden die Zeichen der Legionen in einem auf einer Lanze befestigten Adler (s. Aquila 3); die der Manipeln aus den verschiedensten Zeichen, ebenfalls an Stangen befestigt, so einige über einander gestellte Scheiben, od. mit jenen abwechselnde schmale Querstücke, Tafeln, Kaiser-, Feldherrn- u. allerhand Thierbilder, Schiffsschnäbel, Mauerwerk, Mauerzinnen etc. Daneben führte man auch Fahnen (Vexila), Blätter von weißem, rothem, purpurnem Zeug, welche an einer Querstange an die Lanze befestigt abwärts hingen. Auch wurden Signa u. Vexilla mit einander verbunden; die F. in der jetzigen Form (Flammula), erst später eingeführt, hatten nur die Reiter, sie war von verschiedener Farbe, meist purpurroth mit Gold. Die Träger der Feldzeichen hießen Signiferi, die der Fahnen Vexillarii (Bandiferi). Das Senken der F-n u. Abnehmen der Bilder auf den Feldzeichen war ein Zeichen der Unterwürfigkeit. Die Byzantiner führten seit dem 9. Jahrh. größere u. kleinere F-n im Heere; die Hauptabtheilungen hatten große F-n, deren Obertheil von gleicher Farbe war, wozu sie aber verschiedene Zeichen u. Bilder fügen konnten, die Unterabtheilungen kleiner von verschiedener Farbe. Die Germanen führten Thierbilder auf ihren Heerzeichen, s. Deutschland (Ant.). Die Longobarden hatten ihre F-n auf dem Carrocium (s.d.). Die F-n der Deutschen im Mittelalter waren, neben den Schildern, Kennzeichen für sie, daher ihre Farben verschieden, so war Dietrichs von Bern F. weiß u. golden, Ermrichs F. schwarz, golden u. grün. Im späteren Mittelalter gehörte die Lanze mit dem Fähnlein zur Ausrüstung des Ritters, dasselbe enthielt die Wappenfarbe u. das Wappen des Ritters, u. es war sowohl dessen Kennzeichen, als auch der Anhaltepunkt für die Reisigen im Kriege. Die F-n hatten damals sehr verschiedene Gestalt, da die Blätter mehr-, bis 5zipflig u. viel länger als breit waren. Bei den slavischen Völkern werden von jeher F-n erwähnt. Bei den Türken galt die F. als Zeichen der Oberherrschaft, als welche sie von den Khalifen den Statthaltern als Zeichen ihrer Stell-vertretung gegeben wurde, eine solche war weiß, eine schwarze deutete auf das Recht der Nachfolge. Muhammed führte eine grüue F. Die Kriegsfahnen der Türken, alle mit dem Halbmond auf dem Fahnenstock geziert, hatten für die verschiedenen Heeresabtheilungen verschiedene Farben, u. jeder Reiter hatte an seiner Lanze ein Fähnlein der Farbe der Abtheilung, zu der er gehörte. Sonst ist ihr Hauptfeldzeichen der Roßschweif (s.d.). Die F-u der Chinesen u. Japanesen sind von der verschiedensten Form; das Fahnentuch ist bald viereckig, bald dreieckig, bald ausgezackt u. flammenähnlich, bald abgerundet; es ist entweder mit einer ganzen Seite, od. nur einige Male mit Schlingen an dem Fahnenstock befestigt, od. hängt oriflammähnlich am oberen Theil des Fahnenstocks herab; der Fahnenstock wird oben mit Drachenköpfen, Knöpfen, Sternen etc. besetzt. Die Farben der F-n sind bunt, die der kaiserlichen gelb, u. in den Fahnentüchern sind Inschriften od. Bilder. In Japan trägt ein Fahnenträger die F. mit dem Reichswappen in einem auf dem Rücken befestigten Fahnenschuh, so daß er die Hände dabei frei hat. Die Turkmanen führten das Bild eines Schöpses in ihren F-n, u. nach der Farbe desselben unterschieden sie sich in Turkmanen vom Schwarzen Schöps u. Turkmanen vom Weißen Schöps.

Die F-n der europäischen Völker tragen das Wappen ihrer Fürsten u. die Nationalfarben. Oft sind sie mit Inschriften versehen, die sich auf den Zweck des Krieges beziehen, in dem sie geführt werden. Das französische Kaiserreich führte keine F-n, sondern Adler, wie auch jetzt seit 1852 wieder (s. Adler 4). Stets wurde die F. als das Heiligthum der Truppe betrachtet u. ihr eine außerordentliche Verehung von den Soldaten erwiesen. In Gegenwart der enthüllten F. schwören die Soldaten bei ihrem Eintritt in den Dienst den Eid der Treue (Fahneneid) u. zugleich, die F. nie zu verlassen. Deshalb werden neue F-n Truppen durch eine solenne Fahnenweihe, welche durch den Feldprediger in Gegenwart der paradirenden Truppe, geschieht, übergeben; jeder Offizier schlägt einen Nagel, womit das Blatt an der Fahnenstange befestigt ist, ein, eine Deputation von sämmtlichen Sergeanten, Unteroffizieren, Gefreiten u. Gemeinen thut ein Gleiches. Die F. wird auch stets mit großer Ehrerbietung behandelt, durch eine Compagnie nach dem Gefecht, Marsch u. Exerciren in das Quartier des Bataillons- od. Regimentscommandeurs od. höheren Offiziers gebracht, wobei die Compagnie aufmarschirt u. während des Hineinbringens präsentirt u. Marsch (sonst ein eigener Fahnenmarsch, Fahnentrupp) geschlagen wird. Ein eigener Posten (Fahnenwache) bleibt vor dem Quartier, in dem sich die F. befindet, zurück. Die F. sich von dem Feinde abnehmen zu lassen, war stets schimpflich, wer sie im Gefecht verließ, verwirkte bei den Römern das Leben. In neuerer Zeit (wie bei den Preußen 1813–15) ist es fast gewöhnlich geworden, die F-n nicht mit in die Schlacht zu nehmen, sondern sie vor Beginnen derselben zurückzuschicken. Leichte Truppen erhalten meist keine F-n. Mit Ausbildung der Kriegskunst u. Einführung des geregelten Exercirens hat die F. neue Wichtigkeit bekommen. Sonst hatte gewöhnlich jedes Bataillon 2 dergleichen. Sie bildeten von demselben die Mitte u. sind in ein eigenes Fahnenpeloton (Fahnenzug) gebracht. Dieses bestand sonst in den 2 Fahnenjunkern u. 4 Fähnrichen, die ihnen zur Seite gingen, u. besteht jetzt, wo jedes Bataillon nur eine F. hat, aus dem Fahnenträger, welcher die F. in dem ledernen, an einem Kuppelgehenk befestigten Fahnenschuh trägt, 2 ihm zur Seite gehenden Unteroffizieren, 3 Unteroffizieren hinter diesen u. in einigen Armeen auch noch aus einem vormarschirenden Offizier. Die F. gibt beim Avanciren u. Retiriren des Bataillons demselben die Direction; das vorderste Glied des Fahnenzugs ist daher 10–12 Schritte vor der Fronte, u. das hintere Glied des Fahnenzugs strebt immer darnach, genau hinter dem ersten zu bleiben; Fühlung u. Richtung des Bataillons ist stets nach der F. Wie die Infanterie F-n, so hat die Cavallerie Standarten, die dasselbe bedeuten, die jedoch kleiner sind u. ein kleines, kaum 1 bis 2 Fuß im Quadrat haltendes Fahnenblatt haben. Wegen der Kleinheit ist die Standarte gestickt u. mit goldenen od. silbernen Fransen u. Candillen besetzt; vgl. Labarum, Oriflamme, Banner, Rennfahne. Auch andere Corporationen, Schützengilden, Zünfte, Schulen, Universitäten etc. haben F-n, die mit passenden Emblemen verziert sind, u. brauchten dieselben sonst durch künstliches Schwingen bei[73] wie Patronen, Raketen etc., das Stück Papier, woraus die Hülfe gemacht wird.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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